Der Postweg gilt als relativ sicher, besonders bei Einschreiben. Ein Gerichtsbeschluss ist jedoch auf dem Weg in die zuständige Abteilung im Gesundheitsministerium verlorengegangen.

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Einen Einwand hört man manchmal, wenn es um die Forderung nach einem Gesetz für Informationsfreiheit geht: Es gebe ja schon das Auskunftspflichtgesetz, das dem Amtsgeheimnis gegenüberstehe. Und es stimmt: Schon jetzt sind Behörden und andere öffentliche Stellen in vielen Fällen zur Information von Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Dass das in der Praxis aber oft nicht funktioniert, zeigt ein aktueller Fall rund um den Schutz von Pflegeheimen in der Pandemie, einen ungültigen Bescheid – und einen verschwundenen Gerichtsbeschluss.

Die Geschichte beginnt im Herbst 2020, im ersten Pandemiejahr: Markus Hametner möchte vom Gesundheitsministerium Informationen zum Schutz der Alten- und Pflegeheime in Österreich erhalten. Hametner ist Aktivist für Informationsfreiheit und freier Journalist. Er arbeitete vor einigen Jahren für den STANDARD und berät diesen fallweise bei Anfragen nach dem Auskunftspflichtgesetz. Am 12. November 2020 stellte er eine Anfrage an das Gesundheitsministerium. Er wollte wissen, welche Weisungen, Erlässe und protokollierten Diskussionen es in Gremien gab, um die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen vor dem Virus zu schützen.

Keine Zeit für Antworten

Vom Ministerium kam lange nichts, dann eine offenbar automatisierte E-Mail, die auf die hohe Arbeitsbelastung und die Website des Ministeriums verwies. Hametner verlangte einen Bescheid, um gerichtlich gegen die Nichtauskunft vorgehen zu können. Das Ministerium lieferte und erklärte in dem Schreiben: Alle Ressourcen seien für die akute Pandemiebekämpfung eingesetzt, Antworten auf die Fragen des Journalisten seien nur schwierig zu finden – der Arbeitsaufwand zu hoch. Hametner legte Beschwerde ein.

Am 8. Juni 2021 entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) – allerdings nicht für oder gegen eine der Parteien: Es hob den Bescheid des Ministeriums auf. Grob zusammengefasst meinte das Gericht: Nur weil gerade viel zu tun sei, könne man die Beantwortung individueller Anfragen nicht einfach aussetzen. Das Ministerium hatte ab der Zustellung des Gerichtsbeschlusses sechs Monate Zeit, um einen neuen Bescheid zu erlassen – oder die Auskunft zu erteilen.

Doch es tat weder das eine noch das andere. Es geschah nichts.

"Ich war baff"

Hametner fragte nun vor einer Woche beim zuständigen Sachbearbeiter im Ministerium nach. Dieser, schildert der Journalist dem STANDARD, hätte angegeben, dass sich der Gerichtsbeschluss nicht im zugeordneten Akt befinde. "Ich war baff", sagt Hametner. "Egal was in einer Behörde schiefläuft – wenn eine Sache funktionierten muss, ist das doch die Kommunikation der Behörde mit ihren Kontrollinstanzen."

Hametner reichte Säumnisbeschwerde gegen das Gesundheitsministerium ein. Darin verwies er auch darauf, dass das Ressort zum Zeitpunkt des Gerichtsbeschlusses wohl durchaus Ressourcen für eine Antwort gehabt hätte: Anfang Juni 2021 lag die Inzidenz in Österreich im niedrigen zweistelligen Bereich, Lockdown-Maßnahmen waren aufgehoben.

Auf STANDARD-Anfrage bestätigt das Gesundheitsministerium, dass der Gerichtsbeschluss nie in den Akt gelangte – wie das passiert ist, sei derzeit nicht zu eruieren, sagt der zuständige Gruppenleiter Franz Pietsch. Dank Hametners Beschwerde habe man nun aber das Schriftstück und werde es prüfen. Details zum Akt dürfe man aber nicht nennen: Es gilt das Amtsgeheimnis. (Sebastian Fellner, 14.1.2022)