Die Pressedame hatte für den STANDARD ein Zoom-Interview für zehn Uhr eingeplant, um neun läutete plötzlich das Handy: "Jo, griaß Ihne God, Herr Rebhandl, do spricht d’Monika Gruaba. San Sie eh scho woch?" Ab dieser schönen Begrüßung war ich es natürlich. Und dann hörte ich ihrem Bayerisch zu, das auch dann runtergeht wie Griebenschmalz, das sie so liebt, wenn sie sich über Corona-Maßnahmen aufregt.

Im November ergänzte Monika Gruber auf Servus TV, dass "dieses ganze Corona-Regel-Wirrwarr" als Brandbeschleuniger für ihren Entschluss wirkte – ein kleiner Skandal.
Foto: Tibor Bozi

STANDARD: Guten Morgen, Frau Gruber! Im STANDARD sind wir für die Impfung, damit Sie gleich im Bilde sind, mit wem Sie da reden.

Monika Gruber: Ja, grüß Sie! Das weiß ich schon, ich lese ja viele Zeitungen und krieg das schon mit. Außerdem sag ich Ihnen gleich, dass ich weder Corona-Leugnerin noch Impfgegnerin bin, ich bin ja selbst geimpft. Ich bin nur nicht mit allen Maßnahmen einverstanden.

STANDARD: Jedenfalls fantastisch, mit welch guter Laune Sie mir das schon in aller Früh sagen!

Gruber: Ich hab heute schon Sport gemacht, damit ich nicht so verschlafen in meinen Italienischunterricht komme. Ich hatte ja geplant, als die ganze Pandemiescheiße losging, dass ich eine Zeitlang nach Florenz gehe. Dann musste ich aber überhastet wieder zurückreisen, und seither nehme ich ein bisserl Privatunterricht.

STANDARD: Dann sagen Sie uns doch bitte gleich, was Pandemiescheiße auf Italienisch heißt.

Gruber: Merda pandemica ... vermute ich, aber Italienisch ist zu wundervoll für so einen Mist. Französisch ist die eleganteste Sprache, Italienisch aber die schönste. Moi schaun, ob ich’s derlerne.

STANDARD: Klingt, als wollten Sie sich Ihren Wunsch nach einem Landgut samt Weingut in der Toskana doch noch erfüllen.

Gruber: Um Gottes Willen! Ich kauf mir sicher keine Arbeit! Wenn, dann kauf ich mir nur Vergnügen.

STANDARD: Wenn Sie Depperte treffen, hört man, dann schauen Sie diesen ganz tief in die Augen und fragen sie, ob sie glücklich sind.

Gruber: Eine Freundin hat mir mal diesen Tipp gegeben, und die Leute sind immer völlig konsterniert, wenn man das tut, insofern fand ich das gut. Aber meistens wui man sich ja gar nicht auf Diskussionen einlassen mit Depperten, und der Großteil der Leute, die man trifft, die sind ja sowieso nett. Nur dass die Depperten halt mehr in Erinnerung bleiben.

STANDARD: Und wie glücklich ist die Frau Gruber zu Beginn des Jahres?

Gruber: Na ja, so mittelprächtig halt. Man bewegt sich in einem Vakuum, wo man nicht recht weiß, wie es weitergeht. Die Leute bräuchten ein Licht am Ende des Tunnels, aber der Tunnel ist ja noch ganz, ganz lang. Und das Panikorchester stimmt sich halt wieder auf den üblichen Tenor ein, hab ich das Gefühl, Lockdown, Lockdown, Lockdown. Anstatt dass sich die Politiker mal hinstellen und sagen: Das mit Omikron kriegen wir in den Griff. Ich find das ermüdend, privat und beruflich, weil man nichts planen kann.

STANDARD: Vorschlag zur Güte: Sie haben ja ein Riesenpublikum. Starten Sie einen Impfaufruf, und tragen Sie mit dazu bei, dass wir wieder normal leben können.

Gruber: Und dann? Dann kommt die nächste Mutante. Dann muss man sich gegen die impfen lassen, in neun Monaten, in drei, in sechs Wochen. Man gewinnt allmählich den Eindruck, dass viele deutsche Politiker überhaupt kein Interesse daran haben, dass dieser Maßnahmenirrsinn bald endet, denn wo oder wie würde zum Beispiel Karl Lauterbach sonst seine Abende verbringen, wenn nicht in sämtlichen einschlägigen Talkformaten: bei einer salzlosen vegetarischen Platte samt stillem Wasser im Kreise anderer 2G-plus-Jünger? Da wäre wohl selbst ihm fad.

STANDARD: In Österreich gibt es eine ähnlich wortgewaltige Künstlerin, wie Sie eine sind, Frau Stefanie Sargnagel. Die empfiehlt, den Nippies – also den Nazis und Hippies, die da immer auf den Demos herumlaufen – in ihre Klangschalen zu scheißen. Können Sie dieser Empfehlung nichts abgewinnen?

Gruber: Klingt interessant! Ich glaube aber nicht, dass man 40.000 Leute als Nazis und Hippies verunglimpfen kann, die sind sicher auch dabei neben den Aluhutträgern und Verschwörungstheoretikern. Was mich aber stört, ist, dass es nur mehr Schwarz-Weiß gibt, die Nazis und Hippies hier, die nur Guten und Verantwortungsbewussten dort.

STANDARD: Andererseits sollte man 40.000 von acht Millionen vielleicht auch nicht so wichtig nehmen. Das ist 20-mal die kleine Stadthalle ausverkauft, wo Sie 2012 sehr erfolgreich mit dem Niavarani ohne 2G oder 3G aufgetreten sind. Haben Sie einen liebsten Würstelstand hier, an den Sie sich gerne zurückerinnern?

Gruber: Mei, der bei der Oper. Da haben wir halt in der Nähe immer gewohnt, und den haben wir sehr oft heimgesucht, die Mischung dort ist fantastisch: die Damen im Abendkleid, die aus der Oper kommen, und daneben der Sandler oder der Tschuri mit seinen dreckigen Sandalen und dem Rucksackerl. Das ist für mich die demokratischste Form der Gastronomie, die es bei uns in München halt leider gar nicht gibt, da kannst du ab 23 Uhr nur zu den Amerikanern mit dem gelben M oder in irgendeine Boatzn, wo der Pepi hinter der Budl steht und kocht, was er aber nur darf, weil er die Vorhänge zugezogen und die Vordertür abgesperrt hat.

STANDARD: Der Humor ist an allen Orten verschieden, schreiben Sie. Geben Sie zu, dass der Wiener Schmäh der bayerischen Goschn überlegen ist?

Gruber: Der gefällt mir natürlich sehr gut, weil das ist manchmal so schräg, du weißt nie, meint ihr das ernst oder verarscht ihr uns. Diese Art von Ironie ist keiner mehr gewöhnt, auch in Situationen, wo man eigentlich gar nichts mehr lustig finden darf, da macht der Wiener noch einen Schmäh darüber, macht vor gar nichts halt, das find ich so schön. Humor ist die einzige Art, wie wir dieses damische und trotzdem schöne Leben durchstehen können.

STANDARD: Wenn Sie einen gut aussehenden Kellner sehen, werden Sie gleich noch ordinärer, schreiben Sie auch. Gibt’s einen schönsten Kellner in Wien?

Gruber: Oh Gott, es gibt überall schöne Kellner, glaub ich. Das Attraktive ist ja oft der Charme und der Witz, das Freche. Da neige ich dazu, Sachen zu sagen, wo ich mir nachher denke: Meine Güte, denk halt vorher einmal nach!

STANDARD: So einen feschen Kellner würden Sie dann vielleicht sogar stationär aufnehmen, wie Sie schreiben, und nicht nur ambulant?

Gruber: Das glaub ich nicht! Ich bin schon sehr gern allein, komme gut aus mit mir, und jetzt bin ich 50, da kommt die gewisse Einsicht dazu, dass man selbst vielleicht auch nicht so einfach im Umgang mit den anderen ist, wie man geglaubt hat, dass einen gar nicht jeder aushalten würde.

STANDARD: Ihre Lieblingsfarbe ist Türkis. Bei uns ist Türkis die Farbe jener Partei, die von einem Korruptionssumpf in den nächsten watet. Denkt man sich da in Deutschland mittlerweile: Respekt, die können das auch schon richtig gut!

Gruber: Türkis ist für mich die Farbe des Sommers, und was die Korruption angeht: Natürlich kriegt man das mit, und man denkt sich: Na schau, ist woanders auch nicht anders als bei uns, also san ma uns ehrlich!

STANDARD: "Es gilt die Unschuldsvermutung!" ist mittlerweile der bei uns am häufigsten verwendete Satz. Wäre das noch ein Titel für ein abschließendes, allerletztes Programm?

Gruber: (lacht) Do schaug her, der ist nicht schlecht! Vielen Dank! Aber ich werd trotzdem aufhören.

STANDARD: Sie hätten gerade zum 70. Geburtstag von Uli Hoeneß auftreten sollen, einem grundsympathischen Wurstfabrikanten, der aber auch verurteilter Steuerhinterzieher ist. Gibt es so etwas wie eine moralische Grenze, wo Sie zum Beispiel sagen würden: Nein, in Österreich bei der ÖVP täte ich nicht auftreten, die sind mir zu arg!

Gruber: Ich hab den Uli immer als jemanden erlebt, der, wenn du Hilfe brauchst, da ist, wurscht, ob damals bei der Syrien-Hilfe oder bei was anderem. Wenn jemand sagen kann, der Uli ist mein Freund, dann kann er sich glücklich schätzen, weil ich keinen loyaleren und hilfsbereiteren Menschen kenne. Kürzlich wieder ein siebenjähriger Bua bei uns draußen, der Nierenkrebs hat und großer Manuel-Neuer-Fan ist, dem wollt ich eine Freud machen. Darum hab ich sofort der Susi, dem Uli seiner Frau, geschrieben, weil er selbst keine Nachrichten liest: Bitte ein Leiberl, der Bub tät sich so freun! Und eine Woche später hat er schon Torwarthandschuhe, ein Trikot und einen Ball mit den Unterschriften aller Bayern-Spieler gehabt. Und das Schönste: Da weint der Uli dann selbst, wenn er jemandem helfen kann. Also Steuerhinterziehung? Er hat gebüßt, und wer wirft den ersten Stein?

STANDARD: Wie gehen Sie damit um, wenn Leute zu Ihnen kommen mit: "Zahlst mir ein Bier? Hilfst mir aus?"

Gruber: Ich bin, glaub ich, schon ein sehr großzügiger Mensch. Wenn jemand in der Scheiße sitzt, dann geb ich ihm Geld, das braucht er dann auch nicht zurückzahlen, weil das macht was mit einer Freundschaft, wenn der Schuldner dann immer unter Druck ist, dass er den Betrag zurückzahlen muss, und der andere sich fragt: "Wann krieg ich mein Geld wieder?" Bei mir sind die Leute schon aufgeschlagen mit allen möglichen Bitten, und für mich ist das selbstverständlich, wenn man gut im Sattel sitzt, dass man verpflichtet ist, zu helfen.

STANDARD: Seine Steuern zahlt man auch gerne, wenn man gut verdient.

Gruber: In einer Solidargemeinschaft ist das so vereinbart, und das find ich in Ordnung.

STANDARD: Monika Gruber "traut sich sehr viel sagen", heißt es. Am Stammtisch und im Internet trauen sich die Leute auch sehr viel sagen und schreiben. Ist das immer gut?

Gruber: Das weiß ich nicht, und ich überleg da auch nicht mehr, weil da müsste ich wöchentlich eine neue Einweisung kriegen über das, was man noch sagen darf.

STANDARD: Frauen sind bei Ihnen grundsätzlich "Weiber".

Gruber: Na ja, grundsätzlich nicht, aber ich verwende das Wort halt, wo es passt. Wenn ich mit Freundinnen in den Urlaub fahr, dann ist das ein Weiberurlaub, und heute Abend trifft sich die Weiberrunde zum Kartenspielen. In Bayern ist das ganz normal, damit provoziere ich nicht, das ist einfach so. Und beim Gendern halt ich es mit dem Harald Schmid, der gesagt hat, einen Text mit Gendersternchen liest er nicht. So was macht ja die Gesellschaft nicht besser oder toleranter, es verhunzt nur die Sprache, und da hab ich keine Lust drauf. Ob das immer gut ist, wenn ich so Sachen raushau? Ich kann halt nur so sein, wie ich bin, also bleib ich so.

STANDARD: Können wir uns zumindest darauf einigen, dass "Weiber" auch Frauen sind?

Gruber: (lacht) Ja, natürlich!

STANDARD: Darf Ihnen wer sagen: "Moni, halt einfach einmal die Goschn!"

Gruber: Da gibt’s viele Leute, die mir was sagen dürfen, privat und beruflich. "Da liegst du falsch, das hat mir nicht gefallen!" Das ist wichtig, dass mir Leute die Wahrheit sagen.

STANDARD: Sie beten zu Ihrer Oma.

Gruber: Die brauch ich, weil ich bin weit nicht so klug und selbstbewusst, wie ich immer tu. Und ich glaub grundsätzlich, dass sich Leute leichter tun, die ein Vertrauen in irgendwas oder irgendwen haben. Wie meine Schwiegermutter mit ihrem Gottvertrauen, die mir in ihren wunderschönen Briefen mit ihrer wunderschönen Schrift immer noch schreibt, sie betet zu Gott, dass er uns beschützt, und sie glaubt daran, dass er das tun wird.

Monika Gruber in Gucci-Sneakern: "Donatella Versace hat mal gesagt: Weniger ist nicht mehr, sondern weniger .... Das gefällt mir als alter Hedonistin."
Foto: Tibor Bozi

STANDARD: Sie haben aber auch nichts gegen weltliche Dinge. So besitzen Sie High Heels im Gegenwert eines Weltklassespielers des FC Bayern. Manche Ihrer Fans werden sich die Karte für Ihre Programme buchstäblich vom Mund absparen.

Gruber: Wenn diese sprichwörtliche Kassierin, von der Sie reden, zu mir in die Vorstellung kommt, dann weiß sie wahrscheinlich, dass ich mehr Geld verdiene als sie, da muss sie keinen Einser in Mathematik gehabt haben, und trotzdem kommt sie. Warum sollte ich das also verstecken? Ich kenne Leute, die haben soooo viel mehr Geld als ich, und ich bin niemandem was neidig. Also scheiß der Hund drauf, ich hab mir das hart erarbeitet, und mir ist wurscht, was die Leute sagen. Ich gebe der Gesellschaft auch so genug zurück und mache vielen Menschen in meinem Beruf eine Freude, was das Schönste überhaupt ist. Wenn dabei das eine oder andere Paar Schuhe für mich rausschaut, umso besser.

STANDARD: "Dezenz ist Schwäche" lautet ihr Motto.

Gruber: Ich bin grundsätzlich ein Genussmensch, trag nach außen, dass ich das Leben liebe, und das Verhärmte, das der Deutsche gerne hat, ist mir fremd. Liegt vielleicht daran, dass ich als Bayerin auch Katholikin bin. Donatella Versace hat mal gesagt: Weniger ist nicht mehr, sondern weniger. Das Üppige, das Lebenspralle, das vielleicht auch einmal eins drüber ist, das gefällt mir als alter Hedonistin.

STANDARD: Bayerisch und katholisch ist auch Euer Papst Benedikt, und dem fehlt alles Hedonistische.

Gruber: Mei, das ist ein alter, kranker Mann, über den ich mich nicht (mehr) lustig machen möchte.

Monika Gruber, "Backstage. Die Frau hinter dem Bühnentier". Fotografien: Tibor Bozi. 29,– Euro / 240 S. Piper, 2021
Cover: S. Piper

STANDARD: "Heimat ist für mich, wo ich jeden auf der Straße grüße, auch wenn er das größte Arschloch ist", schreiben Sie. Grünen-Politikerinnen hingegen richten Sie schon mal aus, dass sie "einen schmalen Arsch in ihrer gepanzerten Dienstlimousine" haben.

Gruber: Ach, ich bin mit der Zweiten Bürgermeisterin von München befreundet, die bei den Grünen, also bei der falschen Partei, und natürlich trotzdem eine super Frau ist. Mir ist das wurscht, es gibt da und dort Nette, die vernünftige Ansichten haben, die mitdenken, die coole Ansätze haben. Grüßen tu ich grundsätzlich alle, weil ich das so gelernt habe, und wenn das jeder machen würde, dann wär die Gesellschaft schon ein Stückerl besser.

STANDARD: Abschließend gestehe ich, dass ich ein bisserl Sorge hatte, wir könnten uns in die Haare kriegen. Und jetzt war’s so lustig und angenehm.

Gruber: Wir müssen ja nicht einer Meinung sein, aber wir wollen doch alle, dass wir wieder normal leben können, und dann werden wir miteinander auskommen müssen. Ich will mich mit niemandem bekriegen, ich will nicht, dass Freundschaften draufgehen. Ich will, dass jeder sagen kann: Das seh ich jetzt anders als du, und dann gehen wir auf ein Bier. Wir müssen einander zuhören und dürfen einander nicht nur plakative Ausdrücke um die Ohren hauen.

STANDARD: Ich würde mich jedenfalls auch ein siebentes Mal impfen lassen, um Sie dann endlich auf der Bühne sehen zu können.

Gruber: Dann geb ich Ihnen auf jeden Fall ein Riesenwürschtel aus. (Manfred Rebhandl, ALBUM, 15.1.2022)