Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind nur erreichbar, wenn Werte, Konsumstile und wirtschaftspolitische Orientierungen hinterfragt und offen debattiert werden.

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Die Grenzen des Wachstums haben die Wissenschaft spätestens seit Adam Smiths Wohlstand der Nationen immer wieder beschäftigt. "Der Aufschwung", schrieb der Vater der modernen Volkswirtschaftslehre, sei "für alle Schichten erfreulich und willkommen, die Stagnation hingegen lähmend und der Niedergang trostlos."

Auch andere Klassiker der politischen Ökonomie wie Thomas Robert Malthus und John Stuart Mill beschäftigten sich intensiv mit diesem Thema. Mill hat, ebenso wie später John Maynard Keyes, eine wachstumslose Wirtschaft als höchst anstrebenswertes Ideal beschrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg war diese Vorstellung freilich kein Thema: Die drei Jahrzehnte nach 1945 werden nicht zuletzt wegen des beeindruckenden Wirtschaftswachstums häufig als "Trente Glorieuses" bezeichnet.

Schattenseiten

Dass Glanz und Gloria des Wachstums brutale ökologische und soziale Schattenseiten aufweisen können, hatte sich 1972 bereits herumgesprochen. Vor diesem Hintergrund schlug Die Grenzen des Wachstums wie eine Bombe ein. An diesem Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit haben mehrere Fachleute mitgewirkt; die heute bekanntesten sind wohl Jørgen Randers, die 2001 verstorbene Donella Meadows und der Wachstumswarner Dennis Meadows.

Das Buch ist in dutzende Sprachen übersetzt worden und hat sich zig Millionen Mal verkauft. Die Botschaft des Textes ist ebenso klar wie brutal: "Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht." Aus dieser Diagnose wird ein vehementer Aufruf zur Umkehr abgeleitet und ein klares Ziel formuliert, nämlich der "Übergang vom Wachstum zum Gleichgewicht".

Planetare Grenzen

Diese Aussagen sind bis heute umstritten: Bei der Verfügbarkeit von Ressourcen lag das Buch heftig daneben, gleichzeitig gibt es bis heute eine intensive wissenschaftliche Arbeit am Konzept der "Planetary Boundaries", das ebendiese zum Thema hat: planetare Grenzen des Wachstums.

Freilich hing die publizistische und politische Wirkung nicht von der Treffsicherheit des Computermodells ab, das die Basis für das Buch war. Entscheidender als dessen wissenschaftliche Haltbarkeit war, dass hier eine extrem zugespitzte Botschaft auf eine gesteigerte Sensibilität traf.

DER STANDARD

Erst dieser gesellschaftliche Kontext der frühen 1970er-Jahre macht den enormen Erfolg des Buches verständlich. Es ist eine Zeit des wachsenden Umweltbewusstseins – 1972 gab es die erste große UN-Umweltkonferenz, 1973 die erste Ölpreiskrise.

Rachel Carsons Umweltklassiker Stummer Frühling war 1962 erschienen, 1966 Kenneth Bouldings bahnbrechender Aufsatz über das "Raumschiff Erde". Boulding gilt mit Herman Daly und Nicholas Georgescu-Roegen, deren Schlüsselwerke ebenfalls Anfang der 1970er-Jahre erschienen, als Begründer der ökologischen Ökonomik, in deren Zentrum das Leitbild der Nachhaltigkeit steht.

Ökologische Modernisierung

Gemeinsam mit diesen und anderen Texten sorgte der Bericht des Thinktanks Club of Rome zunächst für eine äußerst intensive Debatte über Wachstum und seine Grenzen. Die Wachstumskritik hat dann allerdings recht schnell an Aufmerksamkeit verloren – gleichzeitig war diese Kritik eine wichtige Vorarbeit für das, was heute als "nachhaltige Entwicklung" ein weithin akzeptiertes Ziel ist.

Ein Standardwerk: der 1972 erschienene Bericht "Die Grenzen des Wachstums" über die Lage der Menschheit.

Das Gründungsdokument dieses Diskurses ist der Brundtland-Bericht aus dem Jahre 1987. Dieser "Unsere gemeinsame Zukunft" betitelte Text hat nicht nur die Nachhaltigkeit als Generationengerechtigkeit im öffentlichen Bewusstsein verankert, sondern auch dafür gesorgt, dass dieses Bewusstsein lange Zeit von einem harmonischen Verständnis von Wachstum und Umwelt geprägt war.

Dieses oft als "ökologische Modernisierung" bezeichnete Verständnis firmiert mittlerweile unter dem Label "grünes Wachstum". Die Idee eines mittels Technologie vom Umweltverbrauch entkoppelten Wachstums dominiert bis heute die öffentliche Debatte: Innovation und Effizienz, so die politisch höchst attraktive Vorstellung, ermöglichen auch in einer endlichen Welt weiteres Wachstum.

So soll weltweit der CO2-Ausstoß massiv reduziert werden, ohne dass das Wachstum der Wirtschaft eingeschränkt wird. Schrumpfung soll also mit Expansion kombiniert werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Idee des grünen Wachstums ähnlich naiv optimistisch ist, wie Die Grenzen des Wachstums naiv pessimistisch war.

Unwirtschaftliches Wirtschaftswachsum

Das Buch ist in dutzende Sprachen übersetzt worden und hat sich zig Millionen Mal verkauft.

Gleichzeitig bleibt die von Herman Daly formulierte Einsicht, dass Wirtschaftswachstum sehr unwirtschaftlich sein kann, höchst relevant: Ein Wachstum der Wirtschaft, das mehr Schaden als Nutzen stiftet, müsste auch nach herrschender ökonomischer Logik als unvernünftig gelten. Auf dieser Logik und auf kulturkritischen Überlegungen basiert das aktuelle Gegenprogramm zum "grünen Wachstum" – ein Paradigma, das durchaus in der Tradition der "Grenzen"-Studie steht: Postwachstum.

Unter dieser Überschrift hat das Thema der Wachstumsgrenzen eine stürmische Renaissance erlebt und ist seit über einem Jahrzehnt aus dem Diskurs über Nachhaltigkeit nicht mehr wegzudenken.

Forschende wie Maja Göpel, Tim Jackson oder Niko Paech leisten originelle Beiträge zur Debatte über zukunftsfähiges Wirtschaften. Gleichzeitig leidet der Postwachstumsdiskurs an blinden Flecken, die seine Tauglichkeit stark einschränken. Oft werden hier Forderungen nach Mäßigung des Konsums formuliert, die maßlos und weltfremd anmuten. Außerdem bleibt eine offene Frage, wie der Abschied vom Wachstum im Rahmen einer freiheitlichen und demokratischen Ordnung organisierbar sein könnte.

Wo bleibt die Freiheit

2012 publizierte Jørgen Randers, Co -Autor der Studie, das Buch "2052", in dem er Sympathien für die Effektivität autoritärer Systeme hegt und die Frage aufwirft, wie sich Grenzen einhalten lassen, ohne dass Freiheit verlorengeht.
Cover: oekom

Dieses Problem ist auch für Die Grenzen des Wachstums und die Nachfolgestudien aus dem Umfeld des Club of Rome relevant. So zeigt das 2012 erschienene Buch 2052 vom Co-Autor der Originalstudie Jørgen Randers offene Sympathien für die Effektivität autoritärer Systeme. 2052 war ob des Flirts mit ökodiktatorischen Ideen weder für Randers noch für den Club of Rome ein Ruhmesblatt.

Doch auch dieser Text beweist auf paradoxe Weise ein Gespür für Themen, die an der Zeit sind. Denn die Freiheit – genauer: ihre Verteidigung –, die in 2052 angesichts dramatischer ökologischer Krisen so geringgeschätzt wird, ist tatsächlich eine zentrale Herausforderung für die Nachhaltigkeit.

Dass es ökologische Grenzen für wirtschaftliches Handeln gibt, ist heute – nicht zuletzt dank der Publikationen des Club of Rome – weithin akzeptiert. Offen sind allerdings die Fragen, was diese Einsicht konkret bedeutet und wie sich ökologische Grenzen in gesellschaftliche Begrenzungen übersetzen lassen.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind nur erreichbar, wenn Werte, Konsumstile und wirtschaftspolitische Orientierungen hinterfragt und offen debattiert werden. 50 Jahre nach der dramatischen Warnung vor den Grenzen des Wachstums ist es hohe Zeit für eine Debatte darüber, wie diese Grenzen eingehalten werden können, ohne dass die Freiheit unter die Räder kommt. (Fred Luks, ALBUM, 16.1.2022)