Jungsozialist Olaf Scholz war für die DDR-Staatssicherheit von großem Interesse.

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Man muss schon ein paar Mal und sehr genau hinsehen, um den heutigen deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf dem Bild zu erkennen. Er sitzt, mit einer Mappe vor sich, an einem Tisch, die lockigen Haare fallen ihm ins Gesicht. Es ist ja auch schon lange her, dass Scholz, als junger Politiker, die DDR besucht hat. Von 1984 datiert das Foto, Scholz war damals 26 Jahre alt und stellvertretender Chef der deutschen Jungsozialisten (Jusos). In dieser Funktion traf er am 4. Jänner 1984 DDR-Politbüromitglied Egon Krenz, den späteren Staatsratsvorsitzenden der DDR.

Dass Scholz in den 1980er-Jahren diese und auch weitere Reisen in die DDR unternommen hat, ist kein Geheimnis.

Empfang auf dem roten Teppich

Doch nun hat die "Bild"-Zeitung tiefer gegraben und Einblicke in die Stasi-Akte von Scholz gegeben. Sie hatte diese im Bundesarchiv eingesehen. Eine Akte gab es laut "Bild" mindestens seit 1978, außerdem wurde der damalige "Jungsozialist" bei Reisen in die DDR genau beobachtet, man habe ihm "den roten Teppich ausgerollt".

Vermerkt ist in den Papieren, wie Scholz zu behandeln sei: "Erteilung Visa für Berlin, gebührenfrei, Befreiung vom Mindestumtausch, höfliche Abfertigung, ohne Zollkontrolle." Eine solch bevorzugte Behandlung gab es für viele normale Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik nicht, sie mussten West-Geld in Ostmark tauschen und an der Grenze oft lange warten.

Im Oktober 1986 schrieb die Stasi nach einer weiteren Juso-Reise in die DDR über Scholz: "Gehört zum Stamokap – alter Politprofi, der in der Organisation großen Einfluss hat. (...) Er übt die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes in Hamburg aus." Als "Stamokap" (Staatsmonopolistischer Kapitalismus) wurde der extrem linke Flügel der Jusos bezeichnet, der sich für ein sozialistisches System einsetzte. Scholz war 1982 der Meinung, Frieden und Wohlstand seien nur "durch die Beseitigung des Kapitalismus" möglich.

Der lange Arm der DDR

Doch Scholz wurde auch im Westen – in seiner Heimat Hamburg – von der Stasi bespitzelt. Zwischen 1978 und 1987 gibt es in den Unterlagen mindestens 19 Berichte über Scholz und seine Juso-Aktivitäten. Ein Teil der Berichte wurde demnach direkt an den KGB weitergeleitet. Ausspioniert wurde Scholz unter anderem vom Hamburger SPD-Politiker Kurt Wand, alias "IM Kugel". Er wurde nach der Wende enttarnt.

Laut den Akten sprach Scholz in der DDR auch ein dem dortigen Regime unangenehmes Thema an: die Verhaftung der Bürgerrechtlerinnen Bärbel Bohley und Ulrike Poppe. Scholz selbst erklärte nach der Veröffentlichung durch die "Bild"-Zeitung: "Natürlich kenne ich die Tatsache, dass ich auch bespitzelt worden bin. Ist nicht schön, aber so ist es eben." (Birgit Baumann aus Berlin, 14.1.2022)