Wohnen wie in einem Bienenstock: Das Wabenhaus in München will Wohnen gemeinschaftlicher machen – und eines Tages konventionelle Bauten ablösen.

Foto: Peter Haimerl Architekten

Wenn es um den Klimawandel geht, ist Wohnen alles andere als sauber. Weltweit ist der Bereich für 17 Prozent aller energiebezogenen Emissionen verantwortlich. Der größte Energiefresser im Haus oder der Wohnung ist in den meisten Fällen die Heizung, gefolgt von der Warmwasseraufbereitung, dem Strom für Licht, Fernseher und andere Geräte und der Küche. Hinzu kommen jene Emissionen, die schon beim Bau und der Herstellung von Materialien wie Beton oder Ziegel entstehen.

Das Problem: Viele Häuser sind nicht nur alt, sondern auch energieineffizient. Laut Zahlen der Statistik Austria von 2021 sind 78 Prozent aller in Österreich bestehenden Gebäude älter als 20 Jahre. Darunter befinden sich laut Experten viele, die seit längerem saniert werden müssten.

Aber auch Neubauten können umwelttechnisch problematisch sein, darunter die in Österreich allseits beliebten Einfamilienhäuser. Denn diese sind neben Supermärkten der größte Flächenfresser. Neue Straßen müssen gebaut werden, auf denen täglich ein oder zwei Autos pro Haus in die Arbeit rollen. Hinzu kommen häufig CO2-intensive und schwer entsorgbare Bau- und Dämmmaterialien.

Dabei muss Wohnen – auch im Einfamilienhaus – nicht per se unökologisch sein. Aber welche Alternativen für nachhaltiges Wohnen der Zukunft gibt es?

Alte Gebäude sanieren

Ein großer Teil der Gebäude, die vor zwanzig oder mehr Jahren gebaut wurden, wird laut Prognosen auch in den kommenden Jahrzehnten bestehen bleiben. Anstatt immer neue Häuser und Wohngebäude zu bauen, wäre es laut Expertinnen und Experten daher zuerst einmal sinnvoll, alte Gebäude zu sanieren und klimafreundlicher zu machen. Dazu gehören eine bessere Isolierung, zwei- bis dreifach verglaste Fenster, eine bessere Luftzirkulation sowie Strom- und Wärme aus erneuerbaren Energien. In manchen Fällen können Häuser gar auf Passivhausstandards aufgewertet werden, was laut Befürworterinnen und Befürwortern 75 bis 90 Prozent an Energie einsparen kann.

"In Österreich liegt die Sanierungsrate derzeit bei ungefähr einem Prozent. Das bedeutet, dass wir hundert Jahre brauchen werden, um alle Gebäude im Land zu sanieren", sagt Doris Österreicher, Expertin für Raumplanung an der Boku in Wien, im STANDARD-Gespräch. Das Problem sei nicht nur, dass es an Finanzierung mangle, sondern auch die generelle Stadt- und Gemeindeplanung. Anstatt immer mehr Grünland umzuwidmen, müsse der Leerstand aktiviert und damit auch die Ortskerne wieder attraktiver gemacht werden. Dafür brauche es künftig mehr finanzielle und andere Anreize.

Eine andere Möglichkeit ist es, Materialien aus altem Bestand wiederzuverwenden, um Emissionen bei der Herstellung einzusparen, was vielerorts bereits gemacht wird. Immerhin entsteht mehr als die Hälfte des ökologischen Fußabdrucks eines Gebäudes über dessen gesamte Lebenszeit bereits beim Abbau und Transport der Materialien und beim Bau – also bevor überhaupt irgendjemand in dem Haus oder der Wohnung lebt. Einzelne Materialien wie beispielsweise Beton, Ziegel, Metalle, Kunststoffe und Glas können wieder neu aufbereitet und verarbeitet werden.

Vernetzte Häuser bauen

Aus rein technologischer Sicht steht energieeffizienten und mit Wärmepumpe oder Solaranlage ausgestatteten Häusern in kaum einer Region etwas im Weg. "Wir sollten aber davon abgehen, Gebäude als Einzelobjekte zu denken", sagt Angela Köppl, Umweltökonomin beim Wifo, zum STANDARD. Stattdessen sollten Gebäude künftig als Teil größerer, vernetzter Quartiere gesehen werden, in denen auch das Thema Mobilität mitgedacht wird.

In diesen Quartieren, in denen sich alles von Wohnen über Einkaufen bis zum Arbeiten abspielt, könnten Gebäude aktiv ins Energiesystem eingebunden werden, nicht nur als Energiekonsumenten, sondern auch als Energiebereitsteller und Energiespeicher für die Nachbarschaft. Abwärme eines Hauses könnte beispielsweise in einem Nachbarhaus genutzt werden. Zudem könnten Gebäude Energie aus Photovoltaik oder Wärmepumpen speichern und bei Bedarf ins Netz einspeisen.

Ähnlich sieht es auch Österreicher: "Gebäude haben eine große thermische Masse, die sich für die Heizung oder Kühlung nutzen lässt." So könne das Gebäude beispielsweise durch eine Wärmepumpe "geladen" werden, diese Energie gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder genutzt werden, um Lastspitzen auszugleichen. Zudem ließen sich damit möglicherweise auch andere Speicher wie Batterien oder Pumpspeicher einsparen, sagt Österreicher.

Leistbaren Wohnraum schaffen

Anstatt immer mehr große Häuser auf dem Land oder in den Speckgürteln zu bauen, sehen Experten wie der österreichische Umweltökonom Gernot Wagner die Zukunft des Wohnens vor allem in der Stadt. Denn dort sei das Leben "effizient, CO2-arm und reich an Möglichkeiten". Zudem können die meisten Wege statt mit dem Auto zu Fuß, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad zurückgelegt werden.

Auch Tatjana Boczy, Soziologin an der Universität Wien, sieht im Wohnen in der Stadt viel Zukunft. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass es leistbar sei. Denn bei den Speckgürteln gebe es schon jetzt große soziale Unterschiede. "Wer kann es sich leisten, und wer kann flexibel arbeiten, um dort zu wohnen?", sagt Boczy zum STANDARD. Es sei vor allem die Mittel- und obere Mittelschicht, die in die Speckgürtel ziehe, während Menschen mit weniger Geld in Gemeindebauwohnungen und privaten Substandardwohnungen in Städten blieben. Daneben gebe es noch die Luxuswohnungen in den Städten – Spekulationsobjekte und auch Nebenwohnsitze der Oberschicht. Die Pandemie habe diese Dynamik noch einmal verstärkt.

"Dass alle im Speckgürtel im Grünen leben wollen, ist aus ökologischer Sicht furchtbar", sagt Boczy. Anstatt das Einfamilienhaus im Grünen als Wohnideal und sozialen Erfolg zu sehen, müsse das Wohnen in dichteren, ökologisch vertretbareren Gebieten zum Ideal werden. "Es ist aber nicht einfach, die Idee vom Einfamilienhaus, die viele Menschen haben, zu verändern", sagt Boczy. Dafür brauche es unter anderem neue Wohnkonzepte, die genug Grünfläche, Gemeinschaftsräume oder andere Besonderheiten böten, um Menschen das Leben in der Stadt noch attraktiver und auch leistbar zu machen.

Wohnen wie im Bienenstock

Wie solche neuen Wohnkonzepte in der Praxis funktionieren können, erprobt der deutsche Architekt Peter Haimerl – und entwirft Anlagen, die auf den ersten Blick alles andere als konventionell aussehen. "Wir müssen weg vom steinzeitmäßigen Bild eines massiven in die Erde gesetzten Hauses", sagt Haimerl im STANDARD-Gespräch. Die herkömmliche Art zu bauen sei viel zu schwerfällig, langsam und unökologisch.

Die Alternative laut Haimerl: Wohnen wie in einem Bienenstock. Ein derartiges Projekt, genannt Wabenhaus, setzt Haimerl derzeit in München um. Dort entstehen in einem Stadtteil sechseckige Module, die rund sechs Meter breit, drei Meter hoch und sieben bis zwölf Meter tief sind und zu unterschiedlichen Gebilden aufeinandergestapelt werden können.

An das Leben in der "Wabe" müssen sich die neuen Bewohner dann wohl erst einmal gewöhnen.
Foto: Peter Haimerl Architekten

Neue Raumnutzung

"Es gibt keine Wände, sondern nur schräge Böden", sagt Haimerl. Das eröffne völlig neue Möglichkeiten, Räume zu nutzen und einzurichten. Die Möbel für die Waben werden im 3D-Drucker hergestellt, mit normalen Möbeln komme man kaum weiter. Zudem sollen sich einzelne Waben zu größeren Clustern verbinden, in denen es gemeinsam genutzte Räume wie Wohnzimmer oder Küchen gibt. "Das ist, wie wenn man durch ein großes Haus geht, das aus vielen verschiedenen Zellen besteht, anstatt einfach nur nebeneinander in Schachteln zu wohnen", sagt Haimerl.

Ende 2022 sollen die insgesamt 22 Wohnungen bezugsfertig sein. Schon jetzt seien fast alle an Mitglieder des Genossenschaftsprojekts vergeben. Künftig soll das Konzept laut Haimerl auch in anderen Regionen ausgeweitet werden. Während die aktuellen Waben noch aus Beton gebaut sind, sollen sie bald aus nachhaltigeren Materialien wie recycelten Baustoffen entstehen und dann wiedereinsetzbar sein. "Gebäude müssen so sauber, intelligent, komplex und vielseitig sein wie Smartphones. Die Stadt muss wieder zum gemeinschaftlichen Raum werden", sagt Haimerl.

Viele Lösungen

"Es gibt beim Wohnen selten die eine Lösung. Aber es gibt überall eine gute Lösung", sagt Raumplanerin Österreicher. Welche Wohnform wo passe, sei von Standort zu Standort unterschiedlich. "Die große Frage ist: Wie können wir das, was eh schon da ist, in Zukunft noch attraktiver machen und besser nutzen?" Wie gut das gelinge, entscheide letzten Endes darüber, wie lebenswert und nachhaltig das Wohnen von morgen ist. (Jakob Pallinger, 16.1.2022)