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Manchmal reicht vielleicht schon ein Blick in die Zeitung und ins Internet, um sich ein Bild zu machen, welche Auswirkungen die Impfpflicht auf den Jobmarkt haben könnte. So finden sich beispielsweise in einer deutschen Regionalzeitung Gesuche wie: "Krankenschwester, ungeimpft, mit langjähriger Berufserfahrung, sucht neuen Wirkungskreis." Oder: "Medizinischer Facharbeiter, 33, C-impffrei, sucht neuen Job." Und in Ebay-Kleinanzeigen ist etwa zu lesen: "Koch, 51 Jahre, ungeimpft, aber derzeit noch genesen, sucht aus gegebenem Anlass neuen Wirkungskreis. (...) Ich bin kein Verschwörungstheoretiker oder Ähnliches, ich möchte nur einfach meinen Beruf weiter ausüben."

Weil in Deutschland ab März für Gesundheitspersonal eine Impfpflicht gilt, schauen sich manche Beschäftigte nach einem Job um. Ist das in Österreich auch der Fall? Was bedeutet die Impfpflicht für Gesundheits- und Sozialberufe in manchen Bundesländern auch für den Fachkräftemangel? Und welche Folgen wird die kommende Impfpflicht für alle für den Arbeitsmarkt haben? Hier reicht nicht mehr allein ein Blick in die Stellengesuche, hier benötigt es einen größeren Blick.

Blick in die Zukunft

Für Ulrike Famira-Mühlberger, Arbeitsmarktökonomin und stellvertretende Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, ist es noch zu früh, um die Auswirkungen der Impfpflicht auf den Jobmarkt abzuschätzen. Auch weil noch unklar sei, wie die Pflicht letztlich exekutiert werde. Auch mit der Omikron-Welle werde es viele Genesene geben, die vorerst ein halbes Jahr immunisiert sein werden, vermutet Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice AMS, im STANDARD-Interview.

Denn klar ist: Am Arbeitsplatz soll weiterhin die 3G-Regel gelten, also geimpft, genesen oder getestet. Den Arbeitgebern ist es selbst überlassen, ob sie eine Impfung gegen das Coronavirus für eine Stelle verlangen. Immerhin ein Prozent der Jobinserate, die hierzulande von September bis November geschaltet wurden, setzten eine Impfung voraus. Das ergab eine Auswertung der Analysefirma Textkernel von rund 20 Millionen Stellenanzeigen in zehn Ländern. Beim AMS gebe es laut Kopf dazu keine konkrete Auswertung, sondern nur Tendenzen: "Die Impfung wird im niedrigen einstelligen Bereich in Inseraten verlangt." Das sei zwar mehr geworden, aber seit die Regierung die Impfpflicht im November angekündigt habe, verließen sich die Arbeitgeber eher darauf, dass sich die Impffrage so erübrige.

Geimpfte Bewerber bevorzugt

Aber, wirft AMS-Chef Kopf ein: "Nur weil es nicht im Inserat steht, heißt das noch lange nicht, dass die Unternehmen Ungeimpfte einstellen. Ich weiß, dass viele Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch danach fragen. Ungeimpfte Bewerber ernten da schon ein Naserümpfen." Insofern hätten sich die Jobchancen für Nichtgeimpfte "massiv reduziert", sagt Kopf. Gerade im Gesundheitsbereich, bei der Arbeit mit vulnerablen Gruppen und in der Kinderbetreuung, wo die Impfung vorausgesetzt wird, hätten Ungeimpfte keine Chancen auf eine Stelle. Auch in Hotels, in der Gastronomie oder im Handel heiße es immer öfter: keine Impfung, kein Job. "Dort, wo die Personalnot größer ist, wird wohl eher über eine fehlende Impfung hinweggesehen, werden dafür Tests vorausgesetzt."

Ohnehin variiert der Impfstatus nach Berufsgruppen, zeigte kürzlich eine Studie der Statistik Austria im Auftrag des Wissenschaftsministeriums, die die sozioökonomischen Daten rund um die Impfung untersuchte. Im Informations- und Kommunikationszweig (85,4 Prozent) sowie in der öffentlichen Verwaltung (83,4 Prozent) wird demnach viel geimpft, wenig dagegen in der Land- und Forstwirtschaft (67,4 Prozent) sowie in der Baubranche (64,8 Prozent). Im Gesundheits- und Sozialwesen sind 78,6 Prozent geimpft. Drei von zehn Pflegenden seien noch nicht gegen das Coronavirus geimpft, schätzt der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegerverband im Dezember. Generell sei die Bereitschaft im Akutbereich höher, in der Langzeitpflege eher zurückhaltend.

Randphänomen

Wifo-Ökonomin Famira-Mühlberger erwartet aber keine "massenhaften Kündigungen von Ungeimpften". Sie hält die Umorientierung von Pflegekräften wegen der Impfpflicht für ein Randphänomen. Auch AMS-Chef Kopf hält es für "überschätzt", dass vermehrt Ungeimpfte kündigen und dadurch in manchen Branchen – wie Pflege, Gastronomie oder Tourismus – die Personalnot verschärft werden könnte. Zuletzt hatte etwa die Tiroler Industriellenvereinigung einen Mangel befürchtet, weil auch ausländische Arbeitskräfte Länder ohne Impfpflicht bevorzugen könnten.

Den meisten sei es laut Kopf letztlich wichtiger, den Job zu bekommen oder ihn nicht zu verlieren – da sei die Impfung das geringere Übel. Und wenn sich Beschäftigte umorientierten, sei der Stich ein Grund von vielen. Italien, das bereits eine Impfpflicht im Gesundheitswesen habe, verdeutliche das: "Weniger als ein Prozent der Beschäftigten wurde suspendiert, weil sie nicht geimpft waren." Dennoch wächst dort mittlerweile die Forderung, wegen Personalnot ungeimpfte, dafür regelmäßig getestete Arbeitskräfte zurückzuholen.

In Österreich gibt es auch Sanktionen für impfunwillige Jobsuchende: Scheitert eine Jobvermittlung durch das AMS, weil sich der Bewerber nicht impfen lassen will, kann das Arbeitslosengeld gesperrt werden. Das sei aber eine Seltenheit, betont Kopf: Es gebe keine Statistik, aber österreichweit seien es "nicht mehr als zwei dutzend Fälle". (set, 14.1.2022)