Peter Lindenberg führt einen Vintagemöbel-Laden in Wien und hat ein Faible für Möbel aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Als er mit Covid im Bett lag, entwickelte sich zu manchem Stück eine Freundschaft.

"Manchmal überlege ich mir, in welchem Jahrzehnt mein Herz zu Hause ist. Und tatsächlich fühle ich mich Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre am wohlsten.

Roland-Rainer-Stühle und ein besonderer Luster: Peter Lindenberg in seinem Wohnzimmer.
Foto: Lisi Specht

Dabei bin ich sicher kein Nostalgiker. Mir gefallen einfach nur die Formensprache und der künstlerische Ausdruck dieser Zeit. Die Formen haben einerseits etwas Leichtes und Organisches, andererseits aber hat vor allem das österreichische Design etwas wohlig Warmes, etwas sympathisch Abgesoftetes, etwas weniger Radikales als die internationalen Möbel der damaligen Zeit.

Als ich begonnen habe, mich für Möbel zu interessieren, gab es damals noch nicht wirklich ein Bewusstsein für das sogenannte Midcentury-Design. Es gab kaum Literatur dazu, AEG-Toaster wurden damals als Design-Highlights im Dorotheum versteigert, Friseur-Trockenhauben zu schwindligen Wohnzimmerlampen umgebaut.

Aber in den letzten 20, 30 Jahren hat sich verdammt viel geändert. Die Menschen – und zwar nicht nur die Fachleute, sondern auch ganz normale Wohnende – haben begonnen, sich für das 20. Jahrhundert zu interessieren und eine gewisse Sensibilität zu entwickeln. Ich finde diese Epoche, wie gesagt, ungemein spannend, weil sie viel über die damalige gesellschaftliche Seele aussagt.

In unserem Wohnzimmer sind die prägenden Elemente sicher der Esstisch mit den Stühlen von Roland Rainer und Oswald Haerdtl, das große Ölbild von Raphael Moser – er ist heute Layout-Chef beim "Falter" und malt leider nur mehr wenig – sowie der große Lobmeyr-Luster, der den Raum wahrscheinlich am meisten dominiert. Ein Schlachtschiff! Das ist eine Sonderserie, die jenem Luster nachgebildet ist, der in der österreichischen Botschaft in London hängt. Es gab überhaupt keine Pläne mehr dafür. Er wurde de facto für uns anhand des Vorbilds nachgebaut. Ich finde ihn einfach wahnsinnig schön.

Die Wohnung hat 125 Quadratmeter. Eine befreundete Architektin riet dazu, den Grundriss so zu adaptieren, dass man im Kreis gehen kann.
Fotos: Lisi Specht

Aber abgesehen von diesem recht harmonischen Ensemble in der Mitte des Raumes, mischen wir hier sämtliche Stile, wie nur geht. Ich bin ja überhaupt der Meinung, dass vieles zusammenpasst, was niemals zum Zusammenpassen konzipiert war. Außerdem: Das Auge ist ein trügerisches Organ und gewöhnt sich in extrem kurzer Zeit an extrem viel. In der Fachwelt wird oft monatelang über Holzmaserungen, Farbmischungen und allerkleinste Nuancen diskutiert, tatsächlich aber sind wir alle im Alltag viel weniger anspruchsvoll und viel toleranter als in der Theorie. Am Ende ist vieles ziemlich wurscht. Nur eines: Wirklich schiache Sache sich schönzuschauen – das geht nicht.

Das Haus hier kenne ich schon lange. Das ist ein klassisches Jahrhundertwende-Betriebsgebäude im tiefsten 16. Hieb, in dem einst eine Bäckerei untergebracht war. Seit vielen Jahren haben wir hier unser Vintagerie-Lager. Vor sieben Jahren kam meine Frau Eva aus Klagenfurt nach Wien zurück, und wir sind hier eingezogen.

Die Wohnung hat 125 Quadratmeter, und eine befreundete Architektin, Eva Rotschopf, hat uns darin beraten, den Grundriss auf jeden Fall so zu adaptieren, dass man im Kreis gehen kann. Dieser Ratschlag ist Gold wert! Im Kreis zu gehen lässt die Wohnung viel größer erscheinen, als sie ist.

"Im Kreis zu gehen lässt die Wohnung viel größer erscheinen, als sie ist", sagt Peter Lindenberg.
Fotos: Lisi Specht

Ich fühle mich sehr wohl in dieser Wohnung. Vor einem Jahr hatte ich Covid, es hat mich ordentlich erwischt, ich bin vier Wochen lang im Bett gelegen, und doch hat mich dieses Zuhause jeden Tag aufs Neue umarmt, während ich mir eine Netflix-Serie nach der anderen reingezogen habe. Und wennst dann daliegst und dahinfieberst, dann entwickelst du zu manchen Möbeln unweigerlich eine Art Freundschaft, dann führst du plötzlich eine Wohngemeinschaft mit dem Luster, dann ist es fast, als hättest du lauter Haustiere um dich herum.

Ich mag meine Mitbewohner, sehr sogar. Mein schlechtester und unfreundlichster Mitbewohner, damit das auch einmal gesagt ist, ist das Rudergerät. Er wohnt zwar schon seit einem Jahr da, aber wir sind uns noch nicht ganz frank." (17.1.2022)