Das Transparent war schnell von der Fassade verschwunden: "85 Wohnungen zu besetzen!", war vor Weihnachten auf dem gründerzeitlichen Eckhaus Taborstraße 18 in Wien-Leopoldstadt zu lesen. Bewohner wollten mit der Aktion auf die Situation im ehemaligen Hotel Tabor aufmerksam machen. Seit Jahren leert sich das Haus, weil auslaufende Mietverträge nicht verlängert werden. Mittlerweile sind nur noch 21 der 130 Wohnungen vermietet.

Doch auch Menschen, die hier mit unbefristeten Mietverträgen teils seit Jahrzehnten leben, fühlen sich nicht mehr willkommen. Sie klagen über hohe Heizkosten und beschreiben ein Gefühl der Unsicherheit angesichts verrammelter Türen. Vor allem klagen sie über fehlende Kommunikation vonseiten des Hauseigentümers, der Barmherzigen Brüder, die mit dem Haus ihr Spital ums Eck erweitern möchten. Dort weist man die Vorwürfe zurück und verweist auf Gespräche mit Mieterinnen und Mietern, bei denen deren Wünsche berücksichtigt würden.

Leerstand gibt es nicht nur in alten Häusern.
Foto: imago/viennaslide

Leerstand gibt es aber bei weitem nicht nur in alten Häusern, die im Dämmerschlaf auf Sanierung oder Umnutzung warten. Auch in modernen Vorsorgewohnobjekten, die derzeit vielerorts als Anlagevehikel in die Höhe gezogen werden, stehen Wohneinheiten leer. Denn die aktuellen Preissprünge bei Wohnimmobilien machen die Rendite aus der Vermietung zur Nebensache; jene aus der Wertsteigerung reicht manchen Anlegern.

Zahlen über diese Leerstände gibt es nicht. Wer abends an besagten Häusern vorbeifährt, bemerkt aber rasch, dass es hinter vielen Fenstern dunkel ist. Und das sorgt zunehmend für Kritik. Spekulation wird generell selten gutgeheißen, neuerdings ruft aber auch die Tatsache, dass für diese Wohnungen offenbar sinnlos Boden versiegelt werden musste, Unmut hervor. Und auch auf dem Land wird über Leerstand diskutiert. Denn Wohnobjekte, die für Zweitwohnsitzer errichtet wurden und viele Monate leer stehen, gibt es auch in Ferienregionen zuhauf.

1000 Euro im Jahr

Deshalb wird in Salzburg nun eine Leerstandsabgabe in Höhe von rund 1000 Euro pro Jahr für eine 100-Quadratmeter-Wohnung eingeführt. Seit dem Sommer wird in der schwarz-grün-pinken Landeskoalition verhandelt. Es sah schon nach Einigung aus, dann stiegen die Neos ein wenig "auf die Bremse", wie es im Dezember hieß. "Stimmt nicht", sagt Wohnbaulandesrätin Andrea Klambauer (Neos) dem STANDARD. Man wolle bloß zuvor für eine ausreichende Datenbasis sorgen.

Konkret ist man damit beschäftigt, Daten aus dem Gebäude- und Wohnungsregister der Statistik Austria mit dem Salzburger Raumordnungs-Tool Sagis zu verknüpfen, um auch in Mehrparteienhäusern feststellen zu können, welche Wohnungen bewohnt sind und welche nicht. Grundsätzlich sind die Neos eigentlich gegen Leerstandsabgaben, das ist bundesweite Parteilinie. Der Druck kam in Salzburg zunächst von den Grünen, die ÖVP schwenkte dann auch um. "Und wenn wir die Zahlen beisammen haben, wird es auch die Zustimmung der Neos geben", stellt Klambauer klar.

Mit den rund 1000 Euro würde man "das Maximum herausholen", mehr sei auf Landesebene nicht möglich. "Wer eine Wohnung leer stehen lässt und auf die Wertsteigerung setzt, dem machen die 1000 Euro im Jahr aber wohl nichts aus", sagt die Landesrätin. Das mag in vielen Fällen stimmen. Hinzu kommen aber die Betriebskosten, die ja weiterlaufen und bei Leerstand vom Eigentümer zu zahlen sind, wie Haus- und Wohnungs besitzer bei diesem Thema stets betonen.

Wiener Gesetz aufgehoben

Dass der finanzielle Spielraum der Länder so begrenzt ist, liegt an einem VfGH-Urteil aus den 1980er-Jahren. Wien hatte damals eine Abgabe für nicht vermietete Wohnungen eingeführt, die Verfassungsrichter hoben sie wieder auf: Wien hatte seine gesetzgeberischen Kompetenzen überschritten.

Im Herbst eröffnete aber auch die Wiener SPÖ wieder eine Debatte dar über. Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) forderten den Bund auf, neue Möglichkeiten für die Länder zu schaffen. Und sie verwiesen in einem Schreiben auf das türkis-grüne Regierungsprogramm, wo es heißt: "Gemeinsam mit den Ländern den Leerstand mobilisieren."

"Wer auf Wertsteigerung setzt, dem machen 1000 Euro im Jahr nichts aus." – Andrea Klambauer, Salzburger Wohnbaulandesrätin

Im rot-pinken Wiener Arbeitsprogramm steht allerdings kein Wort über eine Leerstandsabgabe, weshalb die Wiener Neos mit Befremden reagierten. Wohnbausprecherin Selma Arapovic bezweifelt aus den genannten Gründen außerdem, "dass die Abgabe so hoch sein kann, dass sie den gewünschten Lenkungseffekt hervorruft".

"Erst Gründe erheben"

Aus Sicht der Wiener Neos müsse man jedenfalls zuerst die Gründe für Leerstand erheben – und auch, wo sich dieser überhaupt befinde; "dabei sollte man sich auch die Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen ansehen". Damit ist Arapovic ganz auf Linie mit Hausbesitzern wie Richard Sterl, pensionierter Steuerberater und Eigentümer mehrerer Häuser und Wohnungen in Wien. Er sieht in einer Leerstandsabgabe zudem einen "unzulässigen Eingriff ins Privateigentum" – ein hohes Gut auch für die Neos.

Doch was würde eine Leerstandsabgabe wirklich bringen? Für den Wohnungsmarkt jedenfalls nicht viel, ist Peter Sittler, Immobilientreuhänder und ÖVP-Wohnbausprecher, überzeugt. "Eines der Hauptargumente für die Leerstandsabgabe ist ja, dass so viele neugebaute Wohnungen im Luxussegment leer stehen. Das stimmt zwar, aber die schaffen kein leist bares Wohnen." Fehlen würden eher die günstigen Gemeindewohnungen, die offiziell vermietet, aber nicht bewohnt sind – ihre Zahl könnte in den Tausenden liegen, wird immer wieder gemunkelt.

Finanziell wären jedenfalls nach derzeitiger Rechtslage auch in Wien wohl nur ein paar Hundert Euro pro Wohnung und Jahr zu holen, vermutet Arapovic. Rechtlich ist es nämlich so, dass Bundesländer zwar auch jetzt schon eine Leerstands abgabe eigenständig einführen können, diese dürfe aber nur zur Deckung der Infrastrukturkosten herangezogen werden, die der Gemeinde im Zusammenhang mit dem Leerstand (etwa für Straßen, Kanal, Wasseranschluss) entstehen. So steht es in einem Gutachten, das der Universitätsdozent Thomas Walzel von Wiesentreu im Auftrag des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck verfasst hat und auf das sich einige Bundesländer nun beziehen. Für höhere Abgaben, die Wohnungsbesitzern also "richtig wehtun" würden, müsste der Bund eine Regelung finden.

Keine neuen Zahlen

In Wien wurde der Leerstand zuletzt 2015 erhoben. Damals standen 25.000 Wohnungen vorübergehend, 10.000 langfristig – länger als zweieinhalb Jahre – leer. Fälle wie jener des Hotel Tabor, wo auf Sanierung oder Umnutzung gewartet wird, wurden zu Letzteren gezählt.

Neuere Zahlen gibt es nicht. Der grüne Wohnbausprecher Georg Prack nennt es "erschreckend, dass eine moderne Stadtverwaltung nicht weiß, wie viele Wohnungen in Wien langfristig leer stehen". Wie Sittler und Arapovic fordert auch er zumindest eine neue Erhebung, bevor Maßnahmen ergriffen werden.

Einer Leerstandsabgabe als Allheilmittel aller Wohnungsprobleme stehen aber auch Experten wie Wohnbauforscher Wolfgang Amann skeptisch gegenüber. Und auch in Graz, wo unter ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl mit der Erhebung des Leerstands begonnen wurde und KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr auf ein Landesgesetz zur Einführung einer Leerstandsabgabe wartet, dämpft Pressesprecher Georg Fuchs die Erwartungen: "Man darf nicht die Illusion haben, dass eine Leerstandsabgabe das Problem löst, dass es zu wenig leistbaren Wohnraum gibt." (Martin Putschögl, Franziska Zoidl, 16.1.2022)