Niederösterreichs Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll feierte kürzlich seinen 75. Geburtstag.

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Ehemals aktive Persönlichkeiten aus der ÖVP waren diese Woche in den Medien stark vertreten. Die "Kronen Zeitung" hat peinlicherweise den 75. Geburtstag von Erwin Pröll verschlafen und versuchte, diese schwere publizistische Scharte in ihrer bunten Sonntagsbeilage vom 9. Jänner auszuwetzen. Dabei durfte sich der Jubilar als Radler im (niederösterreichisch-)gelben Trikot bei einem Stopp in der Basilika Sonntagberg zeigen, womit der spirituelle Teil der aufwühlenden Pflichtübung erledigt war.

"Ein Hochbeet angelegt"

Die unumgängliche Frage zu Karl Nehammer – Kann er Kanzler? – war rasch, aber nicht eindeutig beantwortet. "Ich traue ihm viel zu, weil er den Sichtwechsel von Rücksicht und Nachsicht mitbringt." Der mitgebrachte Sichtwechsel kommt Nehammer zustatten, hat er doch "die ersten Tore in einem schwierigen Slalom gut genommen. Er ist extrem zugänglich, diszipliniert und militärisch geprägt. Dadurch läuft er auch nicht Gefahr, Haken schlagen zu müssen." Offen blieb, wie man, ohne Haken zu schlagen, in einem extrem schwierigen Slalom Tore nehmen kann. Was sein Leben nach der Politik betrifft, könnte Pröll vielen in seiner Partei Vorbild sein. "Ich hab letztes Jahr ein Hochbeet angelegt und wieder einmal festgestellt, wie wenig es braucht, um zufrieden und glücklich zu sein."

Wie viel Unzufriedenheit und Unglück müssen stattdessen andere verblasste ÖVP-Granden erleiden. Sich Sebastian Kurz beim Anlegen eines Hochbeetes vorzustellen und dieses Bild mit seiner tristen Kehrseite zu vergleichen – er an der Seite eines Mannes, der programmatisch nie genug kriegen kann, um zufrieden und glücklich zu sein , das macht nicht froh. Und Gernot Blümel erst: Ein Hochbeet könnte er zufrieden und glücklich bepflanzen. Aber das Leben ist grausam. Und er darf nicht einmal ehrenamtlich den Antisemitismus bekämpfen.

Wär’s nur das! Dann wird sein Opfergang zu einem Superfund auch noch ins Zwielicht gerückt. Nach nur drei Monaten Familienzeit wechselt Gernot Blümel quasi brühwarm vom Finanzministerium in ein Vorstandsbüro der Finanzindustrie. Er wird CEO eines Unternehmens, das potenziell direkt betroffen ist von Gesetzen, die er als Minister auf den Weg brachte, matschkerte die "Kleine Zeitung". Am selben Tag, an dem "Politico" Österreich eine "Demokratiedefizitstörung" diagnostizierte, rutschte die nächste Nachricht daher.

Was ist das für eine Optik?

Und frech schlägt die "Wiener Zeitung" in dieselbe Kerbe. "Es wird sich auch ein Gernot Blümel die Frage gefallen lassen müssen, warum er nicht am Hochbeet steht, sondern: Was ist das für eine Optik? Dass es auch mit der formalen Qualifikation ein wenig hapert, macht die Frage drängender, aber beantwortet wird sie ohnehin nicht werden. Daher wird man wohl mit der Einsicht zufrieden sein müssen, dass nicht jeder das Zeug zu einem Erwin Pröll hat.

Ein Kurz-Kenner, dem das Ausscheiden aus der Politik nicht so gut gelungen ist, wie den beiden Genannten, wurde Donnerstag in "Heute" aus einem Fernsehauftritt zitiert. Dort meinte Heinz-Christian Strache: "Kurz war ein Schlaucherl, wie man bei uns auf gut Wienerisch sagt." Was er altersmilde relativierend ergänzte: "Aber wer in der Politik ist das nicht?"

Ob auch der Wiener Gemeinderat Wolfgang Kieslich unter die Kategorie Schlaucherl fällt? Möglich wär’s. Schock für ÖVP: Gemeinderat wechselt zur FPÖ, meldete "Die Presse" am Donnerstag und behauptete: Es war ein Knalleffekt in der Wiener Stadtpolitik. An der Wiener Stadtpolitik dürfte dieser Knall weitgehend unbemerkt vorübergehen, ist es für sie doch völlig unerheblich, ob besagtes Mitglied des Gemeinderates statt in der ÖVP künftig in der FPÖ gegen die Impfpflicht ist.

Kiesling oder Kieslich?

Nicht einmal sein Name war von besonderer Wichtigkeit, wie der "Kurier" enthüllte, der den Übertritt übrigens als Fremdleistung darstellte. Wiener FPÖ holt einen türkisen Gemeinderat an Bord. Dabei kann in freudiger Erregung bisweilen schon die eine oder andere Unschärfe passieren. Davon kann auch Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp singen. Was der sang, war leicht falsch. "Über 25 Jahre war Wolfgang Kiesling Mitglied der ÖVP." Dass es sich bei dem Abgeordneten eigentlich um Wolfgang Kieslich handelt, tat der Genugtuung keinen Abbruch.

Erstens ist es eh wurscht, zweitens ist man in der FPÖ bald mit etwas zufrieden, und drittens kann man in der ÖVP registrieren, dass Kiesling/Kieslich das Wiener Blaukraut auch nicht fett machen wird. Da konnte man leicht sagen: Reisende soll man nicht aufhalten. (Günter Traxler, 15.1.2022)