Die Theaterstücke des Jean-Baptiste Poquelin aka Molière (1622–1673) unterrichten ihr Publikum bis heute über die prächtigsten menschlichen Untugenden.

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Jean-Baptiste Poquelin So lautet der bürgerliche Name des bis heute die Spielpläne prägenden französischen Komödiendichters, der unter dem Künstlernamen Molière berühmt wurde. Der Namenswechsel erfolgte auch zum Schutz seiner Familie – seine Stücke waren zu Lebzeiten nicht unumstritten, und Verrückte gab es auch schon damals. Vor allem aber wollte sich Mo lière von der Herkunft aus der Tuchweberfamilie lösen, in die er 1622 – Taufdatum: 15. Jänner – in Paris hin eingeboren wurde. Dabei brachte es sein Vater sogar zum Hoftapissier, zum königlichen Dekorateur und Raumausstatter. Molière genoss eine erstklassige Ausbildung, studierte Jura, folgte aber der bei Jahrmarktbesuchen mit seinem Großvater entfachten Begeisterung für das Theater.

Comédie-Française Das legendäre Theater, mit über 2000 Sitzplätzen eine der größten Theaterbühnen Europas, im Palais Royal im Herzen von Paris gelegen, geht auf Molière zurück, aber nicht nur. Er selbst hat die Eröffnung im königlichen Palast anno 1680 nicht mehr erlebt. Allerdings stellte seine Truppe, die nach seinem Tod von seiner Witwe Armande Béjart geleitet wurde und damals den Namen Théâtre Guénégaud trug, das Gründungsensemble – gemeinsam mit den königlichen Schauspielern vom Hotel de Bourgogne. Einmal aber hat Molière hier zuvor gastiert: Nachdem sein Stück Die Schule der Frauen skandalisiert worden war, gewährte ihm kein Geringerer als der König Schutz vor Adel und Klerus und bot ihm 1662 das Palais Royal als Spielstätte an.

Klerus Molières Literatur rüttelt an der vor allem von Kirche und Adel kontrollierten Standesordnung. Seine Frauenfiguren sind aufmüpfig, Patriarchen werden durch den Kakao gezogen, der Frühkapitalismus und falsche Frömmigkeit angeprangert. Der Urheber solch umstürzlerischer Gedanken wurde folglich exkommuniziert, einige seiner Stücke zensiert. Im Fall von Tartuffe gab sich sogar sein Gönner, König Ludwig XIV., geschlagen. Molières Beerdigung musste letztlich heimlich des Nachts erfolgen, ohne Glocken und Gebete in einem mit dem Emblem der Tapeziererzunft geschmückten Sarg auf dem Friedhof neben der Kirche St. Eustache. Heute ehrt ihn ein Grabmal auf Père-Lachaise, das jüngsten Bildern zufolge eine Reinigung von Moos vertragen könnte.

Commedia dell’Arte Molière ließ sich von der italienischen Volkskomödie inspirieren, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert ihre Blütezeit hatte. Die darin entfalteten Typen findet man auch in Molières Komödien, besonders in den frühen wie Der Wirrkopf oder Die Schule der Ehemänner, in der auch bekannte Namen wie Truffaldino oder Pandolfo ihr Unwesen treiben. Auch bei den späteren großen Mo lière-Komödien geht es nicht um Individuen, sondern um Typen wie den ungeschickten Liebhaber oder den lächerlichen Patriarchen.

Tartüfferie Tartuffe gilt als die meistgespielte Komödie aller Zeiten. Schwer zu belegen, aber leicht zu glauben, besieht man die Spielpläne. Der in den deutschen Wortschatz eingegangene Begriff der Tartüfferie, also Heuchelei, beschreibt eine der garstigsten Erscheinungen im Molière’schen Figurenkosmos: einen schmierigen Mann, der sich in eine Familie einschleicht und zwecks Geld, Sex und Macht (fast) alle um den Finger wickelt. Das Überdauern amoralischer menschlicher Eigenschaften – Geldgier, In trigantentum, Falschheit, Misan thropie etc. – sichert den Komödien einen zeitlosen Status.

Sonnenkönig König Ludwig XIV., der Begründer von Schloss Versailles und seiner Barockgärten, war ein Gönner Molières. Der Bruder des Königs, Herzog Phi lippe I. d’Orléans, hat die Wandertheatertruppe erstmals 1658 an den Hof eingeladen. Die Uraufführung des Stücks Tartuffe fand 1664 im Beisein des Sonnenkönigs statt. Dieser ersten amtlichen persönlichen Begegnung zwischen König und Theatermann setzte Ariane Mnouchkine in ihrem Molière-Film 1978 ein Denkmal.

Pomadenschmiererei Ohne Perücke und Puder ging im Barock nichts. Und doch macht sich Molière, selbst gut drapiert, über zu viel Schminke und falschen Aufputz lustig. Insbesondere im übertragenen Sinn, wenn es gegen die sogenannten Preziösen geht, Personen, deren Selbstdarstellung auf gekünstelter und schwülstiger sprachlicher Stilisierung basiert. In Die lächerlichen Preziösen trifft es aufgezwirbelte Damen vom Land, die ihr Vormund uncharmant, aber wirkungsvoll "Zieraffen" nennt.

Komödie Die Gattung der Komödie galt lange als verpönt, weil unschicklich und nicht qualitätsvoll. Molière hat diese Sichtweise durchbrochen, vor allem mit seinen späteren Werken, von denen Der Menschenfeind, Tartuffe, Der Geizige und Der eingebildete Kranke zu den zentralen zählen. Eifersüchtig nahm dies etwa Heinrich Heine zur Kenntnis, da bei den Franzosen "das Lustspiel mehr als bey uns gedeiht". Dabei blieb Molière selbst zeitlebens neidisch auf seinen Kollegen vom Tragödienfach, Corneille.

Nestroy Er hat oft bei Molière nachgelesen, selbst wenn die Vorlagen seiner Possen meist aus dem Vaudeville, dem französischen Stegreifspiel, stammten. Mit Nestroy wie Shakespeare gemein hat Molière das Prinzipalentum: die Personalunion von Autor, Schauspieler, Theaterleiter und PR-Agent.

Geld Für Bonmots war Molière immer gut. Überliefert ist etwa: "Beim Schreiben ist es wie bei der Prostitution. Erst macht man es aus Liebe, dann für ein paar Freunde und schließlich für Geld."