Sind Tage des Pistenzaubers und der Hüttengaudi gezählt? Der Sporthandel sieht im Fall eines Lockdowns im Februar schwarz.

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Wien – Christoph Bründl ist auf alles vorbereitet. Die Pandemie habe ihn in den vergangenen 20 Monaten gelehrt, selbst durch das größte Chaos zu steuern. "Man wird robuster, lösungsorientierter."

Bründl führt im Westen Österreichs 31 Sporthandelsfilialen mit 490 Mitarbeitern. Die meisten sind in winterlichen Hochburgen wie Saalbach, Ischgl, Kaprun, Zell und Mayrhofen. 70 Prozent seines Umsatzes macht der Salzburger mit Touristen.

Die Lockdowns im Vorjahr haben ihn an einzelnen Standorten bis zu 95 Prozent des Geschäfts gekostet, rechnet er vor. Auf den Verlustersatz des Staates warte er teils seit 280 Tagen. "Bis vor der Corona-Krise waren wir hochprofitabel mit starkem Eigenkapital. Doch mittlerweile hat es uns brutal erwischt." Sein Unternehmen habe gut 40 Prozent des Eigenkapitals verloren. Sein Umsatz schmolz seit 2019 unterm Strich um ein Viertel, in den Bilanzen stünden herbe Verluste.

Bründl ist mit der Zeit rund um Weihnachten und Silvester zufrieden. Doch der Winter sei erst zu einem Drittel vorbei. "Wir sind immer noch auf einer Aufholjagd."

Der Jänner sorge weniger für ein Umsatzloch als für einen Umsatzkrater. Entscheidend seien Februar und März. "Ein weiterer Lockdown in dieser Zeit wäre der Todesstoß für den Handel", sagt Bründl, der den Sporthandel als Obmann der Wirtschaftskammer Salzburg vertritt.

Flucht aus dem Handel

Und er warnt vor einer Fluchtbewegung der Beschäftigten aus dem Tourismus. Die Nervosität auf dem Markt färbe auf sie ab. Kurzarbeit sei für viele nicht länger zumutbar.

Gernot Kellermayr, ehemaliger Zehnkämpfer, nunmehr Präsident des Verbands der Sportartikelerzeuger, schlägt in dieselbe Kerbe: Zwinge Corona Österreich im Februar in einen neuerlichen Stillstand, verliere die Branche in den Tourismusgebieten zwei Drittel ihres Jahresumsatzes. "Ich weiß nicht, ob der Rest noch zum Überleben reicht."

Es sind vor allem alteingesessene Familienunternehmen, die dort den Sporthandel am Laufen halten, sagt Holger Schwarting, Chef der Genossenschaft Sport 2000 mit 240 Händlern. Die Bedeutung des Tourismus für die Branche sei enorm. 44 Prozent ihres Umsatzes in Österreich werden in Urlaubsregionen lukriert. Ein Jahr ohne internationale Gäste sei für diese Betriebe "ein Horror".

Während bei Einzelhändlern wie Bründl die Lager übervoll sind, erleben Kollegen in Ostösterreich Engpässe. Der frühe Wintereinbruch in Wien ließ Tourenskier ebenso knapp werden wie Schneeschuhe. Denn Outdoorsport erlebt seit Corona Höhenflüge. E-Bikes etwa wurden abseits der Radsaison fast schon zu einem Ganzjahresgeschäft.

Steigende Preise

Das sorgt für Hürden an anderer Front. Im Sportartikelhandel waren die Lieferketten schon 2021 bis zum Zerreißen angespannt. Heuer wird sich die Lage weiter zuspitzen, ist Schwarting überzeugt. Er geht davon aus, dass sich Sportgeräte und Sportausrüstung für Konsumenten dieses Jahres um sieben bis acht Prozent verteuern.

Sechs Dollar. So viel kostete der Transport eines Paars Schuhe aus einer Fabrik in Asien nach Österreich. Das war vor 18 Monaten. Mittlerweile planen Händler dafür 20 Dollar ein. Internationale Logistikmärkte gerieten aus der Balance. Tausende Container stapeln sich unausgeladen in US-Häfen, während sie in China zu Mangelware werden. Die Autoindustrie ist bereit, dafür Höchstpreise zu bezahlen, gilt es für sie doch, wertvolle Chips nach Europa zu holen. Branchen mit sperrigerer und vergleichsweise günstigerer Ware gehen leer aus.

Starken Einfluss hätten kostspieligere Transportwege vor allem auf Produkte im Preiseinstieg, erläutert Schwarting. Darüber hinaus werde sich nicht alles produzieren lassen, was nachgefragt sei. Denn der Verkauf von Fahrrädern boome nicht nur hierzulande, sondern weltweit.

Bestseller statt Spezialisten

Während sich die Kapazitäten für Standardisiertes wie Textilien und Schuhe relativ rasch hochfahren lassen, steckt bei komplexeren Teilen wie Rädern der Teufel im Detail, das vielerorts schlichtweg fehlt.

Etliche Fabriken in Vietnam, die für ein Drittel der Ware großer Markenkonzerne sorgen, hielten im Oktober und November infolge der Corona-Krise geschlossen. Nicht wenigen droht der Zusammenbruch, was ihre Abnehmer dazu zwingt, ganze Produktionslinien für die kommenden Jahre vorzufinanzieren.

Ins Schwitzen geraten auch österreichische Industrielle, die in Osteuropa neue Maschinenparks aufbauen – was sich durch den Mangel an Chips und Halbleitern jedoch verzögert, erzählen Branchenkenner.

Schwarting rechnet aufgrund anhaltender Engpässe mit einer Konsolidierung seiner Branche. Große Marken seien eher in der Lage, sich Produktionskapazität zu sichern als kleine Newcomer. Vorrang erhielten Bestseller, spezielles Sortiment mit kleinen Stückzahlen habe das Nachsehen. Nie da gewesen sei, dass man sich bei Zulieferern bis ins Jahr 2025 festlegen müsse, dabei sei selbst die nächste Saison kaum planbar. (Verena Kainrath, 15.1.2022)