Die US-Polizei verhandelt in einer Synagoge nahe Dallas mit einem Geiselnehmer.

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Dallas – In einer Synagoge im US-Bundestaat Texas hat ein offenbar bewaffneter Mann am Samstagnachmittag (Ortszeit) offenbar mehrere Geiseln genommen. Wie lokale Medien berichteten, waren Kräfte der US-Bundespolizei FBI sowie Sonderpolizisten in der Synagoge der Kongregation Beth Israel in Colleyville, nahe Dallas-Forth Worth im Einsatz. Die Polizei habe Verhandlungen mit dem Mann aufgenommen, hieß es. Eine der Geiseln wurde nach Stunden unverletzt vom Angreifer freigelassen, weitere befanden sich vorerst aber noch in der Gewalt des Mannes.

CNN berichtete unter Berufung auf die Polizei, bisher gebe es keine Verletzten und es bestehe auch keine Gefahr für die allgemeine Öffentlichkeit außerhalb der Synagoge. Die örtliche Polizei teilte zunächst lediglich mit, dass Spezialeinsatzkräfte an der Adresse einer Synagoge im Einsatz seien. Häuser in der unmittelbaren Umgebung seien evakuiert worden, Bürger sollten die Gegend meiden.

Geiselnahme im Livestream

Wie US-Medien übereinstimmend berichteten, war der Beginn der Geiselnahme in einem Livestream des Gottesdienstes zu sehen. Darin war zwar der Täter nicht zu erkennen, wohl aber zu hören. Laut Angaben der Agentur Reuters sprach er unter anderem über Religion und über seine Schwester, offenbar war er dabei in ein Telefonat verwickelt. Zudem sagte er mehrfach, dass er zwar nicht wolle, dass es Verletzte gebe, er selbst aber mit seinem eigenen Tod rechne. Später riss die Liveübertragung ab.

Laut CNN gingen die Behörden vor der Freilassung einer der Geiseln davon aus, dass sich mindestens vier Menschen in der Gewalt des Mannes befanden.

Bezug zu Inhaftierter

Nach Angaben des TV-Senders ABC und von CNN, die sich beide auf Ermittlerkreise berufen, soll der Täter den Fall der in den USA inhaftierten pakistanischen Neurowissenschafterin Aafia Siddiqui angesprochen haben. Diese war 2010 wegen der versuchten Erschießung von Soldaten und FBI-Agenten in Afghanistan verurteilt worden und verbüßt in der Nähe von Fort Worth eine auf 86 Jahre angesetzte Gefängnisstrafe. Sie selbst beteuert ihre Unschuld. In ihrer Heimat Pakistan sorgte der Fall für erhebliches Aufsehen und Spannungen mit den USA. Sowohl die Taliban als auch der "Islamische Staat" (IS) wollten sie in der Vergangenheit für US-Gefangene eintauschen, was die amerikanische Regierung aber ablehnte.

Auf einen Zusammenhang würden demnach nicht nur die öffentlich bekannten Aussagen aus dem Livestream hindeuten, sondern auch Gespräche mit dem Täter. Offenbar behauptet er, ein Bruder Siddiquis zu sein. Seine Identität habe man aber noch nicht endgültig feststellen können, so die Meldungen. Ob seine Angaben stimmen, war zunächst also unsicher. Ebenso war unklar, ob der Mann damit ein familiäres oder ein ideelles Verhältnis ausdrücken wollte. Der Anwalt eines Bruders von Siddiqui sagte dem "Fort Worth Star-Telegram", sein Mandant sei nicht der Täter.

Zuletzt mehrere Angriffe

Zahlreiche Politiker habe sich zu der Situation zu Wort gemeldet. Eine Sprecherin von US-Präsident Joe Biden sagte, dieser sei über die Situation informiert worden und halte Kontakt zu den Sicherheitsbehörden. Ähnlich äußerte sich der Gouverneur von Texas, Greg Abbott. Israels Premier Naftali Bennett teilte mit, er bete für die Sicherheit der Geiseln. Rick Jacobs, Chef der amerikanischen "Union for Reform Judaism", in deren Zuständigkeit auch die Synagoge von Colleyville liegt, dankte den Sicherheitsbehörden. Auch die muslimisch-amerikanische Organisation CAIR verurteilte den Angriff als "eine Tat der reinen Bösartigkeit".

Die Geiselnahme steht in einer Reihe von anderen antisemitischen Angriffen in den USA in den vergangenen Jahren. Im April 2019 stürmte der 19-jährige John E. eine Synagoge in Poway in Kalifornien und erschoss dort eine Besucherin des Gottesdienstes. Die Polizei sprach danach von einem Hassverbrechen. Rund sechs Monate davor, im Oktober 2018, ermordete ein weiterer Angreifer, Robert D. B., in einer Synagoge in Pittsburgh elf Menschen. (APA, red, 15.1.2022)