Der als "Plagiatsjäger" bekannte Sachverständige Stefan Weber hat die Dissertation der Justizministerin wegen angeblicher Qualitätsmängel kritisiert. Er würde die Vorgehensweise Alma Zadićs "nicht als Plagiat werten, sondern als schlechte Wissenschaft bzw. eher sinnbefreites Arbeiten", erklärte er auf seinem Weblog. Das Büro der Justizministerin weist die Vorwürfe als "absolut unseriös und falsch" zurück.
Dort heißt es, die Dissertation sei als englischsprachiges Werk streng nach den Zitierregeln des Harvard-Bluebook, "der führenden US-amerikanischen Autorität für juristische Publikationen", verfasst worden. Das entspreche dem in den Rechtswissenschaften international anerkannten wissenschaftlichen Standard.
Kein Plagiat, aber "systematisch falsches Zitieren"
Das ÖVP-nahe Onlinemedium "Exxpress" zitiert den ehemaligen Dekan der Fakultät für Betriebswirtschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München, Manuel Theisen, der Verfasser des Buches "Wissenschaftliches Arbeiten" ist. Demnach sprach Theisen von "Textplagiaten" in Zadićs Arbeit. Weber erklärte, er erhebe keinen Plagiatsvorwurf gegenüber Zadić , sprach aber von "systematisch falschem Zitieren". Bei Zadićs Dissertation handle es sich "werkprägend um ein Satzteile- bzw. Wortkettensampling aus fremder Literatur, wobei fast immer wörtlich übernommene Satzteile nicht unter Anführungszeichen gesetzt wurden". Die Arbeit sei, so Weber, "sicher wissenschaftlich nicht korrekt".
Dem trat die stellvertretende Vorständin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie (an dem Zadić im Jahr 2017 ihre Dissertation eingereicht hatte), Ingeborg Zerbes, entgegen. Soweit sie die Arbeit gesehen habe, sei diese "völlig in Ordnung", betonte Zerbes. Die von Zadić verwendeten Zitierregeln des Harvard-Bluebook seien bei englischsprachigen Juristinnen und Juristen "lege artis", sagte Zerbes, die einer breiteren Öffentlichkeit als Leiterin der Untersuchungskommission zur Klärung allfälligen Behördenversagens im Vorfeld des Terroranschlags von Wien bekannt geworden ist.
Arbeiten im Visier
Weber war schon in der Vergangenheit mit Kritik an den wissenschaftlichen Arbeiten einzelner Politikerinnen und Politiker hervorgetreten. 2017 entzog die Uni Graz nach derartigen Vorwürfen dem damaligen steirischen Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann (ÖVP) seinen Doktortitel, Buchmann trat in weiterer Folge zurück. Im Jänner 2021 erklärte die damalige Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) ihren Rücktritt. Grund waren auch hier Vorwürfe Webers.
Auch die Diplomarbeit von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) geriet ins Webers Visier. Er habe darin "zahlreiche Plagiate und Quatsch" gefunden, schrieb er in seinem Internetblog. Im Büro der Frauenministerin sprach man von an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen. (APA, red, 17.1.2022)