Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, Bundeskanzler Karl Nehammer und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler präsentierten Sonntagmittag den Gesetzesentwurf zur Impfpflicht.

Foto: Robert Newald

Da müssen wir jetzt durch. Die Geimpften und die Politiker, die sich vielleicht noch besser erklären müssen. Und natürlich die Ungeimpften, sie sind die Betroffenen des neuen Gesetzes. Im Idealfall treten sie nicht noch einen weiteren Schritt aus der Gemeinschaft heraus, sondern lassen sich überzeugen oder auch nur überreden, dass eine Impfung nicht nur ihnen als Individuum, sondern uns allen als Gemeinschaft hilft, möglichst rasch aus dieser verfluchten Pandemie herauszukommen, die unser Leben seit zwei Jahren schon bestimmt.

Schwerwiegender Eingriff

Eine Impfpflicht ist ein schwerwiegender Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte, das stimmt, erst recht für jene Menschen, die ernsthaft glauben, hier werde ihre Genetik so verändert, dass sie keine Kinder mehr gebären oder zeugen können und noch Schlimmeres. Aufklärung kann helfen. Wo diese nicht hilft, soll sanfter Druck etwas bewirken, das ist die Absicht des Gesetzes. Es wird gestraft. Nicht gleich und vielleicht auch nicht jeder. Da lässt das Gesetz einen Spielraum, der später nach einer neuerlichen Beurteilung abgeschafft oder auch genutzt werden kann. Die Maßnahmen sind erst einmal so gesetzt, dass niemand in Panik verfallen muss.

Offensichtlich will die Regierung auf die ungeimpften Menschen noch zugehen, ihnen Zeit einräumen und sie nicht gleich mit radikalen Konsequenzen konfrontieren. Erst in einer letzten Phase, die terminlich noch nicht festgesetzt ist, könnte es zu automatisierten, flächendeckenden Strafen für ungeimpfte Personen kommen.

Die Strafen beginnen mit 600 Euro, das ist unangenehm, soll es auch sein, aber nicht existenzbedrohend. Personen unter 18 Jahren sind ausgenommen, damit kommt man vielen Skeptikern entgegen, auch Schwangere sind ausgenommen. Eingeschworene und festgefahrene Impfgegner wird man nicht überzeugen, aber die Strafandrohung wird doch dazu führen, noch ein paar mehr zur Impfung zu bewegen.

Zweifel ernst nehmen

Die Maßnahme lässt sich rechtfertigen, politisch, wissenschaftlich und juristisch. Dennoch muss man die Zweifel, die bestehen, ernst nehmen und die Skeptiker nicht alle in die Arme der FPÖ treiben, die hier bewusst auf eine Radikalisierung und Spaltung setzt. Daher ist es wichtig, dass die Regierung die Impfpflicht einer Evaluierung unterzieht, im Frühjahr und im Sommer noch einmal die Zahlen und die Lage prüft.

Wir wollen eine liberale, offene Gesellschaft mit höchstmöglicher Eigenverantwortung der Menschen bleiben und Zwang nur dort einsetzen, wo er unbedingt notwendig erscheint. Wenn sich die Parameter verändern, und das tun sie bei dieser Pandemie ständig, müssen auch die gesetzten Maßnahmen immer wieder neu bewertet werden. So streng die Regierung jetzt vorgeht, sie muss bereit sein, die von ihr gesetzten Maßnahmen auch infrage zu stellen und gegebenenfalls zurückzunehmen. Dann nämlich, wenn sich die Lage normalisiert, das scheint möglich, und darauf hoffen wir alle doch schon recht dringlich.

Durchbeißen

Bis dahin: durchbeißen. Das heißt auch, gesetzliche Maßnahmen, die uns Bauchweh bereiten, aber notwendig erscheinen, mitzutragen, aber nicht gedankenlos hinzunehmen. Die Diskussion darüber muss ständig geführt werden, auch wenn das sehr mühsam ist und damit Leuten Aufmerksamkeit beschert, die sie in diesem Ausmaß nicht bekommen sollten. (Michael Völker, 16.1.2022)