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Die durch den Vulkanausbruch nahe Tonga ausgetretene Asche ist in die Atmosphäre aufgestiegen.

Foto: Reuters / NOAA/SSEC/CIMSS

Wien – Die stärkste Eruption weltweit seit 30 Jahren: So schätzen Experten den Ausbruch eines unterseeischen Vulkans in der Nähe des Inselreichs Tonga ein. Das Beben löste Tsunamis aus, die unter anderem in Japan und Neuseeland zu spüren waren. Asche des Vulkans ist in die Atmosphäre getragen worden. Auch in Österreich wurden Auswirkungen des Bebens gemessen. Geophysiker Wolfgang Lenhardt von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) sagt aber zu der Erschütterung: "Es ist ein ganz normaler Vorgang."

STANDARD: Aschewolken, Tsunamis, Druckwellen über zehntausende Kilometer: Warum war das Beben nahe der Tonga-Inseln so verheerend?

Lenhardt: Das lässt sich darauf zurückführen, dass dieser Vulkanausbruch untermeerisch war. Das heißt, er fand unter der Wasseroberfläche statt. Immer wenn so ein Vulkanausbruch im Meer stattfindet, kommt es zu einer plötzlichen Ausbildung einer Dampfgaswolke. Das hat auch zum Tsunami geführt.

Es ist ein ganz normaler Vorgang, kein Weltuntergangsszenario. Das hängt mit dem Abtauchen der pazifischen Platte zusammen. Zum Glück kommt das in diesem Ausmaß nur alle paar Jahrzehnte vor. Aber es gibt andere Orte auf der Welt, wo sich solche Dinge auch anbahnen.

STANDARD: Warum führt eine Dampfgaswolke zu Tsunamis?

Lenhardt: Das kommt durch die Druckwelle zustande. Wenn heißes Material ins Wasser gerät, dann verdampft das Wasser sofort. Der Dampf braucht mehr Volumen als Wasser. Durch diese plötzliche Volumsausdehnung kommt es zu einer Verdrängung des Wasserkörpers. Das führt zu diesen Hafen- und Küstenwellen, die wir beobachten.

STANDARD: Sie haben angesprochen, dass es Orte gibt, an denen sich solche Phänomene anbahnen. Welche Regionen sind das?

Lenhardt: Das ist der gesamte zirkumpazifische Bogen, auch der Feuerring genannt. Das zieht sich von Südamerika über Nordamerika hinüber, über die Beringstraße, bis nach Japan, die Philippinen und zu den Fidschi- und Tongainseln und Neuseeland. In Europa betrifft dieses Phänomen das Tyrrhenische Meer. Dort bildet sich seit tausenden Jahren ein Vulkan. Seine Oberfläche liegt in etwa 400 Meter Wassertiefe. Wenn der aktiv wird, dann kann man mit so etwas Ähnlichem rechnen.

STANDARD: Inwiefern hatte der Ausbruch in Tonga Auswirkungen für Österreich? Es ist ja auch Asche in die Atmosphäre gelangt.

Lenhardt: Die Druckwelle kam in Österreich am 15. Jänner etwa um 20.46 Uhr an. Aber das war im Millibar-Bereich und fällt innerhalb der Variationsbreite der täglichen Druckschwankungen. Es ist also nicht spürbar. Leute haben möglicherweise irgendwelche Phänomene beobachtet, aber das hat damit nichts zu tun.

Soweit ich das überblicken kann, hat das mediale Auswirkungen, aber in Österreich keine physischen. Der Eintrag der Asche in die Atmosphäre verläuft sich, bis es nach Europa kommt.

STANDARD: Gibt es heute in Österreichs Umgebung Vulkane, deren Ausbruch ähnliche Folgen für Österreich hätte wie für die Region um Tonga?

Lenhardt: Die nächsten Vulkane befinden sich in der Eifel. Und die sind seit vielen tausenden Jahren ruhig. Auf dem europäischen Festland gibt es noch die Gegend im französischen Zentralmassiv. Dieser Vulkanismus ist nicht so aktiv. Aber wenn ein Vulkan seit 5.000 Jahren nicht ausgebrochen ist, bedeutet das nicht, dass er nicht wieder aktiv wird. Es gibt Aktivitäten auf Lanzarote und La Palma. Aktiver Vulkanismus ist nach wie vor ein Thema in Europa.

Das österreichische Staatsgebiet selbst grenzt aber ja nicht mal mehr an die Adria. Insofern braucht man sich da wegen eines Tsunamis keine Gedanken zu machen. (Ana Grujić, 17.1.2022)