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Gerade richtig: Österreichische Lösung

Kritiker des Impfpflichtgesetzes haben recht, wenn sie von einer "österreichischen Lösung", gar einem "Gesetzerl" sprechen.

Man kennt das gut, es passiert ja nicht zum ersten Mal in diesem Land: Eine Maßnahme wird hoch angetragen, beim Kontrollieren wird stark nachgelassen – und am Ende bleibt wenig übrig. Man hat das im Lauf der Corona-Pandemie vielerorts feststellen können. Theoretisch scharfe Verordnungen wie Maskenpflicht oder Quarantänen für Hochinfektionsregionen wurden nur punktuell durchgesetzt, weil die Behörden dann leider doch nicht flächendeckend kontrollieren konnten.

Das neue Impfpflichtgesetz gießt diese Art quasi in legistische Textform. Es wird ein wohltemperierter Aufreger, kein messerscharfer Einschnitt in Grund- und Freiheitsrechte.

Das allein ist nicht grundfalsch, zumal wenn man bedenkt, wie schlampig die Vorarbeiten waren. Wie soll man ein Gesetz durchsetzen, wenn man vergessen hat, beizeiten mit den damit befassten Stellen zu sprechen, ob die das auch schaffen? Dann doch gleich lieber einen "Stufenplan" für die Sanktionen integrieren. Und den Kritikern kann man sagen, man habe ihre Bedenken beachtet und sei auf sie zugegangen. Es besteht ja immerhin die Hoffnung, dass dieses Argument die aufgeheizte Stimmung ein wenig abkühlt – und die letzte Stufe der Eskalation womöglich gar nicht mehr notwendig ist.

Ja, dieses Gesetz ist eine österreichische Lösung. Das ist in diesem Fall nicht einmal schlecht. (Petra Stuiber, 17.1.2022)

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Zu hart: Viel Risiko, fraglicher Nutzen

Eine Impfung ist eine medizinische Entscheidung, die jeder für sich treffen sollte. Nun ist es in einem Rechtsstaat erlaubt, Grundrechte einzuschränken. In einer Pandemie kann das sogar geboten sein. Die Einschränkung muss aber das gelindeste Mittel, die Maßnahme unbedingt nötig und effektiv sein. Und genau daran hapert es beim Impfpflichtgesetz.

Kein Experte kann sicher sagen, ob die Impfpflicht die Impfquote nennenswert erhöhen wird. Selbst wenn, bleibt unklar, welches Ziel die Regierung damit verfolgt. Auch in Ländern mit einer Impfquote von 9o Prozent wie Portugal ist die Zahl der Infektionen derzeit enorm, ausrotten oder stoppen lässt sich das Virus auch durch die Impfung nicht.

Geht es nur darum, schwere Verläufe zu verhindern, dann ist die Impfpflicht nicht das gelindeste Mittel. Mehr als 80 Prozent der Corona-Patienten auf Intensivstationen sind über 50 – also sollte die Impfpflicht, wie in Griechenland und Italien, nur für Ältere gelten. Dazu kommt, dass viele wissenschaftliche Fragen ungeklärt bleiben, etwa jene, wie häufig wir impfen werden müssen.

Dem gegenüber stehen viele Risiken. Die Polizei soll Gesundheitsdaten überprüfen. Bis zu viermal im Jahr können Strafen verhängt werden. Bei einem Einspruch gegen eine Strafverfügung, den jeder einlegen wird, drohen bis zu 3600 Euro Bußgeld. Das wird Betroffene weiter vom Staat entfremden. Große Kollateralschäden bei zweifelhaften Erfolgsaussichten. (András Szigetvari, 17.1.2022)

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Zu weich: Zahnloses Instrument

Wann wurden das letzte Mal Ihre Personalien von der Polizei aufgenommen? Vor Jahren? Noch nie? Dann stellen Sie sich nun bitte vor, Sie sind ungeimpft und möchten das bleiben. Würden Sie es darauf ankommen lassen, dass Sie zufällig erwischt werden, oder würden Sie sich vorsorglich impfen lassen – zumal Sie ja immer noch, sollte es so weit kommen, zwei Wochen Zeit hätten, Ihre Impfung straffrei nachzuholen?

Überlegungen wie diese stellen momentan wohl viele Menschen an – und kommen zu dem Schluss, dass es sich vermutlich lohnt, noch ein wenig mit dem Impfen zu warten, nachdem die flächendeckende Kontrolle der Impfpflicht auf unbestimmte Zeit verschoben worden ist. Das macht die Phase zwei der Impfpflicht, die von der Regierung großspurig verkündet wurde, zu einem recht zahnlosen Instrument.

Freilich sind die Überlegungen dahinter nachvollziehbar: Mit dieser Lösung kann die Regierung ihr Gesicht wahren und das neue Gesetz trotz technischer Probleme pünktlich in Kraft treten lassen. Aber damit es wirklich schlagkräftig ist, wäre es wohl geschickter gewesen, noch zwei, drei Wochen zu warten, um dann ein Gesetz zu haben, das auch tatsächlich wirkt.

Umso wichtiger ist es nun, dass die Phase drei mit ihren automatischen Strafverfügungen – also das, was eigentlich als Impfpflicht geplant und angekündigt war – nicht in der Versenkung verschwindet – und in der Sekunde in Kraft tritt, in der klar wird, dass Phase zwei nicht greift. (Gabriele Scherndl, 17.1.2022)