Will man das Kulturerbe retten, muss ein rasches Umdenken stattfinden, sagt die Kulturwissenschafterin Friederike Bubenheimer-Erhart im Gastkommentar.

Lipizzaner auf dem Weg zum Training. Im Oktober kritisierte der Rechnungshof, dass die Bewegungsmöglichkeiten der Hengste nicht ausreichen.
Foto: Vadim Ghirda

Der im Oktober veröffentlichte Rechnungshofbericht zur Hofreitschule und dem Lipizzanergestu¨t Piber war ein Paukenschlag für die Republik und eine krachende Niederlage für Elisabeth Gürtler, die ehemalige Geschäftsführerin, und den – gemeinsam mit Sonja Klima – noch amtierenden Geschäftsführer Erwin Klissenbauer. Doch nicht nur damit geriet die Hofreitschule in die Schlagzeilen. Erst Anfang Jänner hat die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen wegen Untreue gegen den früheren Agrana-Chef Johann Marihart und zwei weitere Personen eingeleitet. Der Grund der Affäre: Maestoso Fantasca 67, ein Hengst in Privatbesitz, der offenbar auf Kosten des Steuerzahlers ausgebildet wurde.

Doch zurück zum Rechnungshofbericht. Allein seine Kritik an den Finanzen lässt aufhorchen: Durch die Berufung einer Unternehmerin und eines Juristen, zweier fachfremder Personen, in die Geschäftsführung der historischen Reitakademie und des Gestüts, flankiert von Wirtschaftsvertretern wie Marihart als Aufsichtsräten, hatte man sich vor allem wohl eines erhofft: wirtschaftlichen Erfolg. Das Gegenteil davon ist eingetreten. Die Schulden beliefen sich Ende 2018 auf mehr als 26 Millionen Euro. Fairerweise muss man dazusagen, dass Gürtler und Klissenbauer das Amt Ende 2007 bereits mit Schulden übernommen hatten. Dass sie in elf gemeinsamen Jahren wesentlich erfolgreicher als ihre Vorgänger agierten, lässt sich jedoch bezweifeln.

Tierwohl leidet

Schwerer als der finanzielle Schaden wiegt der Verlust des Tierwohls. Gewiss ist die Haltung von Pferden in Innenstädten kein leichtes Unterfangen; gleichwohl könnte es durch die Möglichkeiten, die den Hengsten zur Verfügung stehen, gelingen.

Dass diese Möglichkeiten nicht ausreichend genutzt wurden, ist ebenso inakzeptabel wie die Tatsache, dass die Hengste um immer höherer Erträge willen immer häufiger eingesetzt wurden. Kritiker beklagen seit langem, dass die Schulpferde zunehmend unter Zeitdruck ausgebildet werden. Mit dem Verlust des Tierwohls, den der Rechnungshof aufzeigte, ist auch der Verlust des hohen Niveaus der Reitkunst verbunden, den der Rechnungshof freilich nicht prüfen konnte. Auch darauf wurde in der Ära von Gürtler und Klissenbauer wenig Wert gelegt. "Masse statt Klasse" lautete die Devise. Das hatte einen massiven, bis heute nicht behobenen Imageschaden zur Folge.

Skandal als Nebenaspekt

Nicht alles wurde in dem unterm Strich dennoch wohlwollenden Bericht mit seinen 42 Schlussempfehlungen behandelt. Nur für fortgesetzte Aktivitäten wurden Ratschläge gegeben. So wurden für die Versorgung und Ausbildung des Privatpferdes, das der Tochter des mittlerweile zurückgetretenen Aufsichtsratsvorsitzenden gehört, sowie dessen Nutzung bei Vorführungen schriftliche Verträge empfohlen. In der Causa gab es Strafanzeigen, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Selbstverständlich müssen solche Vorfälle im Interesse des Steuerzahlers aufgeklärt, die Verantwortlichen gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen werden. Dennoch ist dieser Skandal, auch wenn er der Republik zum Nachteil gereicht haben sollte, ein Nebenaspekt.

Ein Kulturauftrag

Die wichtigste Empfehlung des Rechnungshofs betrifft die seit der Ausgliederung 2001 fehlende angemessene Finanzierung von Hofreitschule und Gestüt. Sie sieht eine mehrjährige Basisabgeltung seitens des Bundes nach dem Vorbild anderer Kultureinrichtungen vor, was nichts anderes bedeutet, als dass die Gesellschaft auch wie eine Kulturinstitution geführt werden sollte. Dass eine solche keine Gewinne im betriebswirtschaftlichen Sinne erzielen muss, sondern einen gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Nutzen hat, haben bisher weder das Landwirtschaftsressort als Eigentümervertreter noch die in den letzten 20 Jahren amtierenden Geschäftsführer einschließlich der 2019 auf Gürtler gefolgten Klima verstanden.

Wer aber soll die Empfehlungen umsetzen, Reitern und Pferden nach den niederschmetternden Jahren unter Gürtler und Klissenbauer endlich wieder auf die Sprünge helfen und dafür sorgen, dass sie ihren gesetzlichen Kulturauftrag erfüllen können?

"Die triste Lage der Equipe hat sich weiter verschärft."

Klima bemüht sich wohl redlich. Von ihrem anfänglichen Vorhaben, den erfahrenen Oberbereiter Johann Riegler an die Hofreitschule zurückzuholen und mit dem Wiederaufbau der Equipe zu beauftragen, kam sie jedoch bald wieder ab. Die monatelange Aussetzung der Vorführungen, die eine Folge der Corona-Krise war und eine Chance zum Aufarbeiten der gravierenden Defizite bot, hätte unter Einbeziehung der im Ruhestand befindlichen Kollegen – neben Riegler auch des früheren Ersten Oberbereiters Klaus Krzisch – weitaus besser genutzt werden können.

Die triste Lage der Equipe, der seit Jahren schon Unterstützung und Zeit für die reiterliche Entwicklung fehlen, hat sich sogar weiter verschärft. Denn der letzte aktive Mitarbeiter, der die Hohe Schule der klassischen Reitkunst noch in ihrer gesamten Breite vertreten konnte, der Erste Oberbereiter Wolfgang Eder, ist Ende 2020 in den Ruhestand gegangen. Wie kläglich die Schulquadrille mittlerweile daherkommt, hat die Präsentation beim Neujahrskonzert gerade gezeigt: Nicht einmal ein Galopp wurde gewagt.

Amtszeit endet

Als Pädagogin ist auch Klima wiederum eine fachfremde Person und bietet – das haben ihre bisherigen Handlungen bestätigt – keinerlei Hoffnung auf Verbesserung. Ihre und Klissenbauers Amtszeit geht mit November 2022 zu Ende. Spätestens dann müssten die Weichen zur Sanierung der arg heruntergewirtschafteten Spanischen Hofreitschule, jenes Wahrzeichens der Republik, das das Österreichbild zu einem guten Teil prägt und vor der Pandemie jährlich mehrere Hunderttausend Besucher anzog, in die richtige Richtung gestellt werden.

Reiterliche und züchterische Kompetenz müssten wieder Einzug halten und Vorrang haben; eine mit Kulturinstitutionen erfahrene Person müsste den Rahmen schaffen. Sonst geht die mehr als 450 Jahre alte Tradition unwiederbringlich verloren. Dafür, dass das nicht geschieht, sollte das Parlament, wenn es den Bericht des Rechnungshofs diskutiert, sorgen. Denn Wertschöpfung kann es nur geben, wenn Werte erhalten bleiben. (Friederike Bubenheimer-Erhart, 18.1.2022)