Voraussetzung für die Impfpflicht ist ein Impfschutz. Der hat wegen Omikron zum Teil stark abgenommen.

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Wie wirksam sind die Impfungen gegen Covid-19 eigentlich noch? Das ist eine Frage, die sich angesichts des Impfpflichtgesetzes nicht nur Impfskeptiker stellen. Denn selbst im Gesetzesentwurf werden hinsichtlich der Effektivität der Impfungen vor allem Vermutungen geäußert. Das liegt auch daran, dass gesamtösterreichische Zahlen zur Schutzwirkung der Impfung im internationalen Vergleich meist hinterherhinken.

Immerhin gibt es Zahlen etwa aus den Wiener Intensivstationen: In Kalenderwoche 1 des neuen Jahres (also bis 9. Jänner) betrug in der Altersgruppe 60 plus die Inzidenz bei den Ungeimpften 44 pro 100.000, bei den Geimpften 1 pro 100.000. In der Altersgruppe von über 30 bis 59 war das Verhältnis bei den Inzidenzen 18 (ungeimpft) zu eins (geimpft):

Inzidenz (pro 100.000) der CoV- Patienten auf Wiener Intensivstationen nach Impfstatus
Grafik: Stadt Wien

Für umfassendere Informationen ist freilich ein Blick in jene Länder nötig, wo Omikron erstens schon länger dominiert, wo aber zweitens auch die Datenlage deutlich besser ist als in Österreich. Beginnen wir erstens mit dem Schutz vor einer Ansteckung. Zu dieser Frage gibt es neue Untersuchungen aus Nordamerika, die nahelegen, dass Impfungen nur mehr sehr schlecht vor Omikron-Ansteckungen bewahren. Von einer wie auch immer gearteten sterilen Immunität kann also keine Rede mehr sein.

Wenig Ansteckungsschutz

Laut einer kanadischen Untersuchung, die nur als Preprint vorliegt und also noch nicht vollständig begutachtet ist, geht der Schutz vor einer Ansteckung nach nur zwei Stichen gegen null. Die Impfeffektivität steigt beim Booster auf 37 Prozent an. (Zum Vergleich: Bei Delta lag sie bei 93 Prozent ab sieben Tagen nach der dritten Impfung.) Firmeneigene US-Daten zu Spikevax, dem Impfstoff von Moderna, sind etwas besser und zeigen in einem Preprint rund 30 Prozent Schutz nach zwei Impfungen, rund 60 Prozent nach dem Booster.

Mittlerweile kennen wohl die meisten von uns Personen, die trotz Boosters nach einer Infektion mit Omikron Symptome zeigten – die im Vergleich zu Delta etwas anders ausfallen: Geruchs- und Geschmacksverlust treten kaum mehr auf, dafür aber sind vor allem Halsschmerzen, aber auch Fieber und Husten deutlich häufiger.

Wie gut ist also zweitens der Schutz vor symptomatischen Infektionen? Vorbildlich bei den Impf- und Infektionsdaten ist Großbritannien, wo am Freitag der jüngste Bericht zu den Impfdaten online gestellt wurde. Laut diesen Daten ist der Impfschutz vor symptomatischen Omikron-Infektionen im Vergleich zum Schutz vor Ansteckungen nur mäßig besser: Kurz nach der zweiten Impfdosis beträgt die Effektivität noch rund 50 Prozent bei den drei in Großbritannien zugelassenen Impfstoffen.

Abfall nach vier Monaten

Ab etwa 15 Wochen nach der zweiten Impfung drückt Omikron die Impfeffektivität in Sachen Infektion plus Symptome auf unter 20 Prozent (im Vergleich zu den Ungeimpften), und zwar sowohl bei Vaxzevria (Astra Zeneca) als auch bei Comirnaty, dem Impfstoff von Biontech/Pfizer.

Die nachlassende Wirksamkeit des Impfschutzes vor symptomatischen Infektionen mit Omikron. Linke Spalte: nach zwei Impfungen mit Biontech/Pfizer. Mittlere Spalte: mit einem Biontech/Pfizer-Booster. Rechte Spalte: mit einem Moderna-Booster.
Grafik: UK Health and Security Agency

Ein Booster mit einem mRNA-Impfstoff treibt die Effektivität aber wieder nach oben: auf rund 70 Prozent zwei bis vier Wochen nach der Auffrischungsimpfung. Mehr als zehn Wochen nach dem Booster sinkt die Effektivität wieder auf unter 60 Prozent. Etwas höher ist sie durchgehend bei Spikevax, dem Impfstoff von Moderna.

Deutlich besser ist drittens der Schutz durch Impfungen vor einer Spitalsbehandlung wegen Covid-19: Hier beträgt die Impfeffektivität laut den jüngsten britischen Auswertungen bei Omikron zwei bis vier Wochen nach dem Booster rund 92 Prozent, zehn Wochen danach noch rund 83 Prozent.

Die unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten, nach ein bis drei Impfungen schwer an Covid-19 zu erkranken.
Tabelle: Grafik: UK Health and Security Agency

Neue Zahlen gibt es auch aus Italien, und zwar für den Zeitraum 1. November bis 9. Jänner. Das bedeutet, dass hier auch noch Delta-Fälle mit dabei sind. Laut diesen Daten beträgt die Impfeffektivität bei den 60- bis 79-Jährigen 95 Prozent, bei den Personen über 80 Jahren fast 99 Prozent (rechte Spalte unten):

Die Impfwirksamkeit in Italien (Omikron und Delta gemeinsam).

Für die Personen unter 60 Jahren (die Impfpflicht in Italien gilt für alle Personen ab 50) liegen noch keine Daten vor. (Klaus Taschwer, 18.1.2022)

Anm. der Redaktion: Die Angaben zu den CoV-Patienten auf Wiener Intensivstationen wurden irrtümlich in Absolutzahlen angegeben und wurden auf Inzidenzen korrigiert.