Der Kampf um Zentraljemen: Die von den Vereinigten Arabischen Emiraten gestellte "Riesen"-Brigade verdrängte zuletzt die Huthis aus Shabwah.

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Die Ausläufer des Jemen-Kriegs erreichen die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Abu Dhabi. Am Montag griffen die jemenitischen Huthi-Rebellen mit Drohnen drei Tanklastwagen in einem Industriegelände nahe dem staatlichen Ölkonzern Adnoc an, es kam zu einer Explosion, bei der mindestens drei Menschen – Arbeiter aus Indien und Pakistan – getötet wurden. Gleichzeitig brach auf einer Baustelle des Flughafens Abu Dhabi ein Brand aus, auch hier wurde ein Angriff vermutet. Ein Huthi-Sprecher reklamierte die Taten für die "Ansar Allah", wie die Gruppe offiziell heißt.

Seit Herbst 2014 kontrollieren die vom Iran unterstützten Huthis die jemenitische Hauptstadt Sanaa und den nordwestlichen Teil des Jemen. Ende März werden es sieben Jahre, dass eine saudisch-geführte Koalition im Namen der international anerkannten jemenitischen Regierung in den Krieg eingriff. Damals standen die Huthis auch vor der südlichen Hafenstadt Aden.

Ende der Diplomatie

Die seit Jahren laufenden Bemühungen der Uno um eine politische Lösung sind laut Uno-Sonderemissär Hans Grundberg, der vergangene Woche den Sicherheitsrat in New York briefte, zusammengebrochen.

Alle Parteien würden derzeit wieder auf die militärische Option setzen, sagte er: Die Eskalation des Kriegs im Jemen sei "die schlimmste seit Jahren". Im Zentrum des Landes, in der Provinz Marib, wird schwer gekämpft, in Sanaa und anderen von den Huthis kontrollieren Städten intensivieren sich die saudischen Luftangriffe.

Gekapertes Schiff

Die Huthis ihrerseits greifen mit Raketen und Drohnen saudisches – und nun auch emiratisches – Territorium an. Zu Jahresbeginn kaperten sie im Roten Meer vor Hodeidah ein unter VAE-Flagge fahrendes Schiff, das laut ihren Angaben Waffen – laut emiratischen Angaben zivile Hilfsgüter – transportierte.

Der Eskalation am Montag ging ein militärischer Erfolg für die jemenitische Regierung voran, der seit 2012 Abd Rabbo Mansur Hadi, eigentlich als Übergangslösung nach Langzeitherrscher Ali Abdullah Saleh eingesetzt, vorsteht. Die Huthis konnten aus der Provinz Shabwah, wo sie an der Grenze zu Marib Gebiete hielten, verdrängt werden. Damit intensivieren sich auch die Gefechte in Marib, wo die Huthis monatelang die militärische Überhand hatten. Es gibt Meldungen von hohen Opferzahlen auf beiden Seiten.

Konfessionelle Note

Die aktuellen Erfolge gegen die Huthis gehen auf das Konto der sogenannten "Amaliqa"-Brigaden, der "Riesen". Sie umfassen mindestens 15.000 Mann – andere Angaben sind höher – und gehören wie andere paramilitärische Einheiten dem "Jemenitischen Nationalen Widerstand" an. Die Amaliqa wurden bereits 2015 von den VAE aufgestellt, sie kämpften zu Beginn bei der Befreiung von Aden mit, später vor allem im Westen Jemens. Es handelt sich bei ihnen hauptsächlich um jemenitischen Stämmen zuzuordnende Kämpfer; viele von ihnen sollen jedoch gleichzeitig Salafisten sein, deren Kampf gegen die zaidisch-schiitische Ansar Allah auch eine konfessionelle Note hat.

Die Zaiditen, die bis 1962 den Nordjemen regierten, sind ein eigener Entwicklungsstrang der Schia: Erst durch die regionalpolitische Dimension des Konflikts zwischen Huthis und jemenitischer Regierung landeten die Zaiditen, auch Fünferschiiten genannt, quasi in der iranischen Domäne. Saudi-Arabien wirft ja Teheran vor, mit den Huthis eine schiitische "Hisbollah auf der Arabischen Halbinsel" etablieren zu wollen.

Zaiditische Extremisten

Die Huthis sind ein radikaler zaiditischer Clan. Ihr erster auf die nördliche Provinz Saada begrenzter Aufstand brach bereits 2004 aus. Im Windschatten des Umbruchs im Rahmen des Arabischen Frühlings gelangten sie bis nach Sanaa.

Die VAE, 2015 der wichtigste Verbündete Saudi-Arabiens bei seiner Jemen-Intervention, haben sich zuletzt militärisch aus dem Krieg, besonders im Norden, zurückgezogen. Sie unterstützen aber weiter ihre Klienten, im Süden auch separatistische Kräfte, vor allem den Southern Transitional Council (STC) in Aden – was weder der offiziellen jemenitischen Regierung noch Saudi-Arabien gefällt.

Humanitäres Desaster

Jemen ist weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden, obwohl die Uno von der größten humanitären Krise weltweit spricht. Im Herbst warnte das World Food Program (WFP) davor, dass bis zu 16 Millionen Jemeniten und Jemenitinnen von Hunger bedroht sind, zwei Drittel der Bevölkerung (20 Mio. von 30) sind von humanitärer Hilfe abhängig. Gleichzeitig musste das WFP bekanntgeben, dass es die Jemen-Hilfe wegen unzureichender Finanzierung reduzieren muss.

Der Jemen war bereits vor dem Krieg das Armenhaus der arabischen Welt. In den Huthi-Gebieten werden Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs aber auch künstlich verknappt und die Preise in die Höhe getrieben. Saudi-Arabien steht international wegen seiner Luftangriffe, die zu viele Zivilisten treffen, im Zentrum internationaler Kritik. Die Kriegsverbrechen und die Schreckensherrschaft der Huthis werden seltener thematisiert.(Gudrun Harrer, 18.1.2022)