In absoluten Zahlen gibt es in Israel derzeit zwar deutlich weniger schwere Corona-Fälle als in früheren Wellen. In den Krankenhäusern kommt man trotzdem ins Strudeln, weil zahlreiche Spitalsangestellte in Quarantäne sind.

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Wer mit der Bahn zur Arbeit pendelt, sollte in Israel derzeit lieber zweimal auf den Routenplaner schauen. Da sich zahlreiche Bahnangestellte in Quarantäne befinden, streicht die israelische Eisenbahngesellschaft immer wieder Zugverbindungen. Auch private Unternehmen müssen regelmäßig Ersatz organisieren oder tageweise zusperren. Manche mögen sich dann an die Lockdowns der Prä-Impfung-Ära erinnert fühlen. Nur dass es diesmal keine Regierung ist, die Sperren verordnet. Es ist die Pandemie selbst, die das Land in den partiellen Lockdown versetzt.

Israel hat so viele Einwohnerinnen und Einwohner wie Österreich, doch laut Schätzungen des Weizmann-Instituts infiziert sich hier jeden Tag die gesamte Stadtbevölkerung von Salzburg. Überprüfbar ist das nicht, da das Gesundheitsministerium die Kontrolle über die Inzidenzen verloren hat, weil die Labore mit den Tests überfordert sind und PCR-Tests nur noch an Ältere vergeben werden.

Fest steht nur: Es werden immer mehr. Zwar schätzen manche Fachleute, dass der Gipfel der aktuellen Welle in Israel bald erreicht ist. Bis das auch in den Spitälern spürbar wird, dürfte es aber noch einige Zeit dauern. In den Corona-Abteilungen verdoppelt sich derzeit die Zahl der schweren Fälle im Wochenrhythmus, in diesen Tagen dürfte sie sogar noch schneller ansteigen – doch auch hier fehlen genaue Zahlen. Die Statistikwebsite des Gesundheitsministeriums, das bisher verlässlich dreimal am Tag aktualisiert wurde und einen Überblick über Inzidenzen, Sterberate, Impfrate und weitere Indikatoren bot, wurde seit Sonntag nicht upgedatet. Die IT-Systeme kämen mit dem Datenwust nicht mehr mit, heißt es im Ministerium.

Auch schwere Influenzafälle

Derzeit sind fast 500 Patienten als schwere Corona-Fälle registriert. Das ist in absoluten Zahlen zwar deutlich weniger als in früheren Wellen, in den Krankenhäusern kommt man trotzdem ins Strudeln. Das liegt daran, dass über 7.000 Spitalsangestellte in Quarantäne sind, aber auch an der höheren Zahl an schweren Influenzafällen.

Im Sheba-Spital nahe Tel Aviv hat man deshalb damit aufgehört, jene Patientinnen und Patienten, die während ihres Spitalsaufenthalts an Covid erkranken, in die Corona-Abteilungen zu verlegen. Die hochansteckende Omikron-Variante erlaube das nicht mehr, heißt es – die Zahl der in Spitälern neu Infizierten sei einfach viel zu hoch.

Um den totalen De-facto-Lockdown zu verhindern, hat die Regierung nun schon zum zweiten Mal binnen einer Woche eine Verkürzung der Quarantäne beschlossen. Ursprünglich mussten Covid-Positive zehn Tage lang in Selbstisolation, seit letzter Woche sind es sieben Tage, ab Mittwoch nur noch fünf Tage. Allerdings gilt das nur dann, wenn man symptomfrei und mit einem Antigentest negativ getestet ist.

Zweiter Booster

Die vierte Impfung, die in Israel seit Anfang Jänner allen über 60-Jährigen und Personen mit geschwächter Immunabwehr offensteht, wird indes gern genutzt. Über eine halbe Million Israelis hat sich bereits zum zweiten Mal boostern lassen.

Der vierte Stich auch für Jüngere ist derzeit aber nicht geplant. Eine aktuelle Studie des Sheba-Krankenhauses bescheinigt dem Pfizer-Vakzin zudem nur eingeschränkte Schutzwirkung gegen eine Ansteckung mit der Omikron-Variante. Zwar vermehre der Stich die Antikörper, allerdings nicht in dem Maß, das man sich von einem vierten Stich erwartet hatte, sagt Studienleiterin Gili Yochay. Gegen die ebenfalls noch im Umlauf befindliche Delta-Variante schütze der Booster allerdings unverändert gut.

Inwieweit die vierte Impfung vor schweren Verläufen schützt, kann man im Sheba-Spital noch nicht sagen. Dafür brauche man noch mehr Daten, heißt es. Und an denen fehlt es zurzeit. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 18.1.2022)