Bei den Demos gegen Covid-Maßnahmen marschieren auch Gläubige mit. Viele kritisieren neben der Regierung auch die Kirche.

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Es ist ein mittlerweile ein vertrautes Bild bei Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen: Personen mit Kreuzen in der einen und Plakaten gegen die Impfpflicht in der anderen Hand, kleine bis mittelgroße Gruppen, die betend mitmarschieren. Immer wieder gibt es vor größeren Demonstrationen auch eigene Kundgebungen mit religiös-christlichem Bezug. Und auch abseits der Proteste gibt es innerhalb der katholischen Kirche Personen, die gegen die Corona-Schutzmaßnahmen und gegen die Impfung agitieren. Wer organisiert sich da?

An vorderster Front bei Demos engagiert sich eine Splittergruppe namens Katholischer Widerstand rund um den Radikalkatholiken Alexander Tschugguel. Der Wiener versammelt regelmäßig eine Gruppe vor der Karlskirche zum Beten. Er spricht dann meist im Anschluss bei den Kundgebungen auf dem Heldenplatz – zumeist zwei, drei Redner, bevor FP-Chef Kickl die Bühne betritt.

Ehe, Gender, Gates

Tschugguel engagiert sich nicht zum ersten Mal politisch; er trat etwa schon bei der Gründung der Reformkonservativen des Ex-BZÖ-Mannes Ewald Stadler öffentlich in Erscheinung. Er gründete zudem das St.-Boniface-Institut, das sich "für die Aufrechterhaltung der katholischen Tradition" einsetzt. Stöbert man auf der Website, wird klar, woher der politische Wind weht: "Egal, womit wir uns heutzutage beschäftigen, ob Abtreibung oder Euthanasie, Massenimmigration oder dem Überwachungsstaat, Gender-Ideologie oder der Zerstörung der Ehe, überall treffen wir auf die BMGF", steht dort geschrieben. BMGF steht für Bill and Melinda Gates Foundation, die immer wieder im Zentrum von Verschwörungstheorien steht.

Auch dass seit dem Sommer Impfungen im Stephansdom verabreicht werden, schmeckt nicht jedem Kirchgänger. Eine Initiative, die sich Katholiken Österreichs nennt, hat deshalb eine Petition gestartet. Darin wird Kardinal Christoph Schönborn aufgefordert, die Impfstraßen im Dom und anderen Gotteshäusern zu "unterbinden". Das höchste Gotteshaus Österreichs solle nicht als "Ort der Verabreichung von abtreibungsbefleckten, experimentellen und risikoreichen gentherapeutischen Impfungen, die nur eine Notfallzulassung erhalten haben", missbraucht werden. Die Petition wurde auf der einschlägigen Plattform Citizen Go veröffentlicht, knapp 12.000 Personen haben laut dieser bereits unterschrieben. Wer hinter den Katholiken Österreichs steckt, wird nicht klar.

Jedenfalls gibt es eine Gruppe, die sich öffentlich gegen die Impfungen im Dom starkmacht: die Piusbruderschaft. "Für uns stellt sich nun die Frage: Wie sollen wir, die Katholiken Österreichs, den obersten Hirten dieses Landes verstehen, der meint, die Impfung im Stephansdom wäre eine gute Sache?", heißt es auf ihrer Website. Es handelt sich um den österreichischen Ableger der erzkonservativen Bruderschaft, deren Gründer Marcel Lefebvre exkommuniziert wurde (die Strafe wurde von Papst Benedikt aufgehoben). Vielen ist die Bruderschaft auch deshalb ein Begriff, weil ein ehemaliger Pius-Bischof, Richard Williamson, wiederholt den Holocaust leugnete.

Die Bruderschaft macht auch Werbung für die "Initiative Österreich betet", die seit kurzem zu Rosenkranzgebeten aufruft, die Gläubige jeden Mittwoch öffentlich vollziehen sollen. Und zwar so lange, "bis (...) die Regierenden auf ihre Zwangspläne definitiv verzichtet haben". Treffpunkt in Wien ist meist die Minoritenkirche, die kürzlich von der Bruderschaft übernommen wurde.

Pfarrer auf Abwegen

Besonders sauer stößt christlichen Impfgegnern auf, dass der Impfstoff von Johnson & Johnson verwendet wird. Auch die US-Bischöfe rieten davon ab, diesen Impfstoff und den von Astra Zeneca zu verwenden. Der Grund: Bei der Herstellung werde auf Zelllinien abgetriebener Föten zurückgegriffen. Tatsächlich bedeutet der Begriff "Zelllinie", dass diese einmalig angelegt wurde, schreibt das deutsche Paul-Ehrlich-Institut. Es würden nicht immer neue Föten benötigt und auch keine Kinder zu diesem Zweck abgetrieben.

Auch einzelne Pfarrer agitieren mal mehr, mal weniger radikal gegen die Impfung oder die Corona-Schutzmaßnahmen. In Vorarlberg schrieb Bernhard Kaufmann in einem "Rundbrief" letzten Mai, Kinder würden zur Covid-Impfstoff-Gewinnung aus den Bäuchen der Mütter geschnitten. Sich impfen zu lassen sei deswegen eine schwere Sünde. Die Kirche kritisierte er, weil sie bei dem "fürchterlichen Impfspektakel" mitmache. Die Diözese Feldkirch distanzierte sich von Kaufmann. Dieser steht allerdings in gar keinem Dienstverhältnis zur Diözese, sondern ist Priester des Ordinariats der armenischen Gläubigen in Osteuropa und daher dem dortigen Erzbischof unterstellt. Dennoch habe die Diözese mit ihm vereinbart, sich weder schriftlich noch mündlich zu Corona oder der Impfung zu äußern.

Speerspitzen

Ein Tiroler Pfarrer wiederum gilt manchen in der Impfgegnerschaft beinahe als Säulenheiliger. Ignaz Steinwender aus Zell am Ziller veröffentlichte bereits vor Monaten einen Text, in dem im Zusammenhang mit Impfungen davon die Rede war, dass ein "erhöhtes Krebsrisiko nicht ausgeschlossen" werden könne oder dass Schäden "in unserem Zellkern verursacht werden können". Heute gibt er FPÖ-TV Interviews zur Causa prima.

Kaufmann und Steinwender dürften die radikale Spitze eines Eisbergs darstellen – Corona sorgt in den Kirchen für breite Debatten. Die Bischofskonferenz unterstützt die Maßnahmen der Regierung: "Freilich gibt es auch unter Katholiken Kritik an dieser Position der Kirchenleitung. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass unter Gläubigen die Kritik an der Corona-Impfung größer wäre als in der Gesamtgesellschaft", sagt Sprecher Paul Wuthe. Impfen polarisiere, das spüre auch die Kirche. "Die zahlreichen Anfragen zur Impfthematik werden von den Verantwortlichen in der Kirche so gut es geht im Inhalt klar und im Ton höflich beantwortet."

Von der Gruppe Katholischer Widerstand distanziert man sich: "Beschämende Verharmlosungen der NS-Verbrechen" dürften nicht geduldet werden. "Absolutes Unverständnis" gebe es auch dafür, "wenn Menschen, die in der medizinischen Versorgung und Pflege um das Leben von Menschen kämpfen, verhöhnt werden." Und auch eine "pauschale Verunglimpfung aller, die sich nicht impfen lassen wollen", sei abzulehnen.

Sprecher Wuthe hält fest, dass die "klare Haltung" der katholischen Kirche – vom Papst bis zur Bischofskonferenz – eine deutliche Unterstützung der Corona-Maßnahmen zeige. "‚Katholischer Widerstand‘ ist daher nicht geboten und kann sich nicht auf die offizielle Linie der Kirche stützen." (Vanessa Gaigg, Lara Hagen, 25.1.2022)