Die Streif wird für die bevorstehenden Rennen herausgeputzt.

Foto: Hirner

Die Szenelokale werden großteils frühestens Mitte der Woche für jeweils ein paar Stunden aufgesperrt.

Hirner

Kitzbühel zeigt sich ungewöhnlich ruhig. Viele Lokale sind (noch oder wieder) geschlossen. Die wenigen, die geöffnet sind, werden nur von ein paar Gästen frequentiert. Der Stadtplatz ist mehr oder weniger verwaist. Dort, wo vor Corona Punschstände, Verpflegungsstationen, Werbesäulen und DJ-Pulte in der Rennwoche dicht aneinandergereiht waren, dominieren nun mitunter gespenstische Leere und wohlige Stille.

Ganz anders im Tourismusbüro der Stadt, wo die Telefone Sturm läuten. Man möchte dieser Tage eher nicht Kitzbühels Tourismusobmann Christian Harisch sein. Das in den sozialen Medien verbreitete Après-Ski-Video von Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner hatte viele durch die Corona-Tristesse ohnehin schon erregte Gemüter noch weiter erhitzt, einige sahen gar schon die Sündenpfuhl-Monopolstellung des Ischgler Kitzlochs wackeln.

Nur wenige Tage liegt diese Aufregung zurück, doch nun ist es ruhig geworden in Kitzbühel – Jännerloch statt Kitzloch! Der nächste, zumindest mediale Höhepunkt steht freilich vor der Tür, schon am Wochenende soll es mit zwei Abfahrten (Freitag und Samstag) auf der Streif sowie im Slalom am Ganslernhang (Sonntag) zur Sache gehen. Sofern das Wetter mitspielt.

Déjà-vu im Après-Ski

"Das Video ist zu verurteilen, da gibt es nichts zu beschönigen, wenn das so gelaufen ist. Aber wir reden hier von einer Schirmbar mit 25 bis 30 Sitzplätzen. Daraus eine Tourismuskrise zu machen, halte ich für unverhältnismäßig", sagt Harisch dem STANDARD. Der Hotelier fühlt sich an die Netflix-Serie Kitz erinnert: "Die Fiktion wurde für einen Tag von der Realität eingeholt."

Gab es 2021 Aufregung um den Corona-Cluster von feiernden Skilehreranwärtern in Jochberg bei Kitzbühel, der letztlich zur Absage zweier Slaloms führte, so polarisiert die Stadt auch 2022. Schuld daran ist diesmal das Video des Start-up-Millionärs, das im Après-Ski-Pavillon bei der Talstation der Hahnenkammbahn aufgenommen wurde und ausgelassen feiernde Personen zeigt, als wäre die Pandemie abgeschafft. Es hagelte Kritik, nicht zuletzt auch von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).

Nur wenige Skitouristen sind in der Stadt unterwegs.
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Harisch bezeichnet sich zwar grundsätzlich als Befürworter des Corona-Maßnahmenpakets der Bundesregierung, die Verordnung der Sperrstunde um 22 Uhr allerdings sei ein gravierender Fehler gewesen. "Die Leute gehen dann nach Hause und feiern weiter. Das ist nicht klug. Après-Ski gehört einfach verboten. Das geht halt jetzt nicht."

Es werde immer Menschen geben, die sich nicht an die Regeln halten. So wie etwa manche zu schnell mit dem Auto oder gar betrunken fahren. "Leute, die gegen Verbote verstoßen, gehören bestraft", sagt Harisch.

Frage der Inzidenz

Neben dem am Wochenende aufgepoppten Ärger ist Kitzbühel noch mit dem Verarbeiten der Feiertage beschäftigt. Der Touristenansturm über Weihnachten ließ die Sieben-Tage-Inzidenz im Bezirk auf mittlerweile 3.638 in die Höhe schnalzen. Ein Wert, der in Österreich nur von Landeck (3.707) und St. Johann im Pongau (3.746) übertroffen wird.

Freilich gilt es die Kirche im Dorf zu lassen. Die 9.000-Einwohner-Stadt Kitzbühel hatte während der Feiertage etwa 30.000 Gäste. Die Inzidenz bezieht sich jedoch auf die Einwohner. "Im Übrigen testen wir bis zu dreimal so häufig wie der österreichische Durchschnitt", sagt Harisch und relativiert weiter: "Im Verhältnis ist bei uns die Steigerung wesentlich geringer als in vielen anderen Bezirken. Wir sind allerdings auf einem hohen Niveau geblieben, wobei sich nur ein Patient wegen Covid im Bezirkskrankenhaus befand."

In den Kitzbüheler Institutionen des Nachtlebens wird auch heuer nicht der Bär steppen.

Verschärfte Maßnahmen

In Flachau (Salzburg), das zu St. Johann im Pongau gehört, ist der Flutlichtslalom der Frauen aufgrund der starken Zunahme positiver Fälle abgesagt und nach Schladming verlegt worden. In Tirol ticken die Uhren etwas anders, in Kitzbühel hält man an den Rennen fest. Außerdem sind auch Zuschauer zugelassen, 1.000 an der Zahl sollen großzügig auf die wesentlich mehr Personen fassenden Tribünen verteilt werden. Für sie gilt 2G plus. "Jede U-Bahn, jeder Bus, jedes Flugzeug ist viel gefährlicher", sagt Harisch.

Staub aufgewirbelt hat auch ein Wiener Infektiologe, der den laschen Umgang des Personals in Kitzbüheler Betrieben mit 2G-Zutrittskontrollen und Maskentragen kritisiert hat. Gut möglich, dass man nun wieder verstärkt darauf achtet.

Sowohl beim Einchecken im Hotel als auch beim Betreten von Bars und Restaurants wird man wie etwa in Wien auch mehr oder weniger prompt um einen 2G-Nachweis gebeten. Aufgrund der hohen Inzidenzen hat man – wie in St. Anton und Ischgl – eine FFP-2-Masken-Pflicht im Freien eingeführt. Sie gilt allerdings nur in der Innenstadt. Als Reaktion auf das Skandalvideo wird die Außengastronomie von Mittwoch bis Sonntag geschlossen.

Als Folge des öffentlichen Drucks nach dem Partyvideo wird in der Rennwoche ab Mittwoch gänzlich auf Außengastronomie verzichtet.

Da auch heuer wieder sämtliche Events wie etwa die Weißwurstparty in Going oder die KitzRaceParty in Harti Weirathers VIP-Tempel flachfallen, ist davon auszugehen, dass die besseren Partys bereits vergangenes Wochenende stattgefunden haben. In Kitzbühel und in der Schweiz.

Bei den zwei Rennen in Adelboden wurden insgesamt rund 25.000 Zuseher gezählt, bei den vier Bewerben in Wengen 40.000. Wobei die Maskenpflicht mitunter grob vernachlässigt wurde. Harisch: "Ich bin froh, dass die Betriebe offen sind und dass es Rennen gibt, und ich bin enttäuscht und traurig, dass ein kleines Lokal so einen Wirbel ausgelöst hat." (Thomas Hirner aus Kitzbühel, 18.1.2022)