Mit Fokus auf Künstlerinnen und die eigenen Sammlungen startet Lilli Hollein mit ihrem Programm.
Foto: Mak / Katharina Gossow

Nach turbulenten Zeiten unter Peter Noever kam das Museum für angewandte Kunst in Wien in den zehn Jahren unter Christoph Thun-Hohenstein zur Ruhe. Der Diplomat setzte auf Klimathemen, die zwar oft theoretisch gerieten, konnte aber die Publikumszahlen auf einen Höchststand bringen. Die Zeiten haben sich geändert – die Designexpertin Lilli Hollein möchte die Institution am Ring aktueller ausrichten. Als erste Frau steht sie dem 1863 als "k. k. Österreichischem Museum für Kunst und Industrie" gegründeten Mak vor.

STANDARD: Sie sind die erste Direktorin des Mak. Macht das einen Unterschied?

Hollein: Ich glaube eigentlich nicht an solche Geschlechterstereotype. Aber inhaltlich macht es sicher etwas aus. Und funktioniert als Vorbildfunktion. Eigentlich ist es ja eine unglaubliche Vorstellung, dass in 150 Jahren Mak nie eine Frau die Verantwortung getragen hat. Es war an der Zeit, einen ausgewogenen Zustand herzustellen. Dass ich auch einen Hintergrund in der freieren Szene habe, sendet sicher ein gutes Signal.

STANDARD: Wie viele Institutionen soll auch das Mak einen kritischen Blick auf die eigene Sammlung richten. Sie planen Neuaufstellungen einzelner Bereiche der Schausammlung. Was stimmt dort nicht?

Hollein: Es geht nicht darum, was dort nicht stimmt. Aber Wien 1900 wird seit etwa zehn Jahren auf diese Art präsentiert. In dieser Zeit hat sich gesellschaftlich einiges getan, da sind Perspektivenwechsel und Wokeness gefragt. In Zukunft wollen wir verstärkt Biografien von Künstlerinnen erzählen. Man muss Bereiche immer wieder neu bewerten und anders vermitteln. Die Sammlung des Mak ist so umfassend. Hier etwas zu verändern ist sehr verlockend.

STANDARD: Welchen aktuellen Debatten neben der Gleichberechtigung muss das Mak sich noch stellen?

Hollein: Abgesehen von Diversity muss sich das Mak auch zu Rassismus in den Sammlungen positionieren. Ob das Josef Binder mit dem "Meinl-Mohr" oder die "Mohrenköpfe" auf einer Teekanne sind. Vieles wird heute anders gesehen und muss demnach neu kontextualisiert und kommentiert werden.

STANDARD: Wie würden Sie mit solchen problematischen Begriffen innerhalb einer Ausstellung umgehen?

Hollein: Das ist eine interessante Diskussion, die hier gerade angefangen hat. Es geht dabei nicht nur um das Label, das bei so einem Objekt hängt, sondern auch um die Beschlagwortung in einer Datenbank.

STANDARD: Viele der für 2022 geplanten Ausstellungen speisen sich großteils aus den Sammlungen. Wie sehen Sie die verstärkte Besinnung auf eigene Bestände?

Hollein: Viele große Museen können aus ihren tollen Sammlungen schöpfen. Ein Haus mit einer Themenvielfalt wie das Mak hat hier besondere Möglichkeiten. Bei der Großausstellung Das Fest. Zwischen Repräsentation und Aufruhr Ende des Jahres werden Objekte aus allen Mak-Sammlungen vereint. So ein Thema bietet die Möglichkeit, vom barocken Tafelaufsatz bis in die Clubkultur der Gegenwart zu gehen.

STANDARD: Sie planen, vermehrt Popkultur ins Haus zu holen. Wie?

Hollein: Wir werden Themen finden, die einen popkulturellen Anspruch haben. Ich finde beispielsweise Phänomene wie K-Pop, das demnächst im Victoria and Albert Museum in London in einer Ausstellung gezeigt wird, super für ein Haus, das sich Aspekten der Gestaltung annimmt.

STANDARD: Was halten Sie von Blockbuster-Shows wie beispielsweise David Bowie Is, die auch im Victoria and Albert Museum zu sehen war?

Hollein: Wenn man auf die richtigen Phänomene setzt – und das war bei David Bowie als epochalem Gestalter der Fall –, dann können daraus sehr spannende Ausstellungen entstehen, die auch eine breite Öffentlichkeit erreichen. Das sehe ich nur als Vorteil.

STANDARD: Das ist Ihrem Vorgänger Christoph Thun-Hohenstein mit seiner Vienna Biennale for Change nicht unbedingt immer gelungen. Möchten Sie das Projekt fortführen?

Hollein: In ihrer bisherigen Form wird es sie im Mak nicht mehr geben. Umwelt und Nachhaltigkeit bleiben aber wichtige Themen im Haus, weil sie zentrale Fragestellungen der Gegenwart behandeln.

STANDARD: Wie alle Museen möchte auch das Mak ein vielfältiges Publikum ins Haus holen. Welche niederschwelligen Aktionen sind geplant?

Hollein: Neben neuen Vermittlungsprogrammen wollen wir mittels "Outreach" Menschen erreichen, die sich noch nicht überlegt haben, das Mak zu besuchen. Zum Beispiel planen wir, wieder die Stubenbrücke in Kooperation mit der Initiative KÖR Wien – Kunst im öffentlichen Raum zu bespielen. Mein Wunschtraum wäre, den Mak-Garten zu den Öffnungszeiten des Museums öffentlich begehbar zu machen. Und auch die zentrale Säulenhalle zugänglicher zu gestalten, damit Besucher und Besucherinnen erst ankommen und dann entscheiden können, ob sie eine Ausstellung besuchen. Ich glaube an die Magie so eines Hauses!

STANDARD: Ihr Bruder Max Hollein, Direktor des Metropolitan Museums in New York, sprach kürzlich von der Notwendigkeit, Kunsteinrichtungen intern diverser zu gestalten. Welche Pläne gibt es diesbezüglich im Mak?

Hollein: Ich möchte darauf achten, dass die Vielfalt einer Gesellschaft auch in einem Museum repräsentiert ist. Beispielsweise bei Personalbesetzungen. Wenn wir ein diverses Publikum wollen, müssen wir im Haus damit beginnen. Das ist ein wesentliches Anliegen.

STANDARD: Sie wollen auch die WC-Anlagen umbauen. Wird es Unisextoiletten im Mak geben?

Hollein: Ja. Eine der ersten Änderungen war es, die Newsletter-Anrede von "Herr" und "Frau" auf keine Anrede umzustellen. Es gibt genug Menschen, die das nicht für wesentlich halten, ich hingegen schon.

STANDARD: In den letzten Jahren schaffte es das Mak selten, über die eigene Branche hinaus sichtbar zu sein. Sie meinten, dass viele nicht wüssten, wofür das Mak genau steht. Wofür steht es?

Hollein: Das Mak hat sehr viel zu bieten. Die Bandbreite ist auch seine kommunikative Herausforderung. Was ist denn angewandte Kunst? Das Mak steht für die Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und für die Exzellenz in Gestaltung. Mir geht es wirklich darum, das Mak stärker in die Wahrnehmung der Menschen zu rücken. (Katharina Rustler, 19.1.2022)