Wie weit die Grünen, vor allem deren Bundesspitze, in den letzten 20 Jahren oder so gekommen sind, lässt sich an der Episode um die ehemalige Grünen-Chefin Madeleine Petrovic ablesen.

Die ist komplett im Lager der Impfgegner gelandet und verbreitete letzten Samstag auf einer separaten Kundgebung vor der Wiener Votivkirche im Rahmen der üblichen Corona-Demo abenteuerliche Thesen über Pharmafirmen wie Pfizer und die Stiftung von Bill und Melinda Gates. Wer für Impfung sei, wäre wohl von denen gekauft.

Petrovic war von 1994 bis 1996 Bundessprecherin der Grünen und dann immerhin von 2002 bis 2015 Landessprecherin der Grünen in NÖ. In ihrer Zeit als Bundessprecherin vor einem Vierteljahrhundert ließ sie bereits mit ihrer Unterstützung für den "Wunderheiler" Ryke Geerd Hamer aufhorchen, der mit Unterstützung ihrer esoterischen Eltern eine Schülerin nach Spanien entführt hatte, um die Operation von deren riesigem Tumor zu verhindern (Gott sei Dank letztlich vergeblich).

Petrovic vereinte damals wie heute positive grüne Grundwerte wie "ökologisch", "solidarisch", "basisdemokratisch", "gewaltfrei" und "selbstbestimmt" mit einem schwer begreiflichen Hang zu esoterischem, wissenschafts- und medizinfeindlichem und auch gefährlichem Blödsinn. Das kleine Mädchen mit dem Tumor damals einem kriminellen Scharlatan wie Hamer mit seiner "germanischen Medizin" überlassen zu wollen, beweist ein verheerendes Urteilsvermögen. Auch heute sind die medizinischen Behauptungen von Petrovic schlicht falsch und irreführend.

Begleiterscheinungen

Selbstverständlich gibt es ethisch fragwürdige Verbindungen zwischen Pharmafirmen und der Wissenschaft beziehungsweise der Medizin, aber das sind manchmal negative Begleiterscheinungen eines an sich funktionierenden Systems. Pfizer hat die Arbeit des Forscherpaares, das die Biontech-Impfung entwickelte, seit langem unterstützt, wenn es auch ursprünglich um ein Krebsmittel ging (und noch immer geht). Dass es mit dem Impfstoff so schnell gegangen ist und vor allem dass eine Massenproduktion sehr rasch anlaufen konnte, hängt ursächlich mit diesem Verhältnis zusammen.

Bill Gates und seine Ex-Frau Melinda haben Abermilliarden in Gesundheitssysteme vor allem in der Dritten Welt gesteckt, und Gates selbst prophezeite auf einer Konferenz 2015, der nächste Ausbruch einer Seuche werde die Welt unvorbereitet treffen. Damals war gerade mit knapper Not das Überspringen des viel furchtbareren Ebolavirus von Westafrika auf den Rest der Welt verhindert worden. Das kann man nun verschwörungstheoretisch als Ankündigung eines diabolischen Plans verstehen oder schlicht als sehr vernünftige, sehr realistische Analyse eines sehr gut informierten, sehr reichen Mannes, der sich nun eben für die großen Probleme der Menschheit interessiert. Etwas, das die Regierungen nicht so gern tun.

Reich, wissenschaftsaffin, in technologischen Kategorien denkend – das ist für viele grüne Esoteriker pures Teufelszeug. Petrovic ist da keineswegs allein, wie die Reaktionen anderer Grünen-Politiker zeigen. Aber die jetzige Führung der Grünen, immerhin, ist großteils von dieser mystisch-irrationalen Denkweise doch offenbar seit längerem geheilt, und das ist gut so. (Hans Rauscher, 19.1.2022)