2G dominiert den Alltag der Österreicher. Es ist ein Reizthema. Das bekommen jene zu spüren, die kontrollieren.

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Wien – Sie stehen vor Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behörden. Sie kontrollieren Flughäfen, bewachen Botschaften und überwachen Parkplätze. Sie regeln den Zutritt zu Veranstaltungen, halten in Fußballstadien Fans in Schach oder an Rezeptionen die Stellung. Seit die Regierung die Corona-Regeln verschärft hat, gibt es auch in vielen Geschäften des Handels kein Vorbei an ihnen. Sicherheitskräfte werden derzeit wie Kanonenfutter auf die Österreicher losgelassen, klagt Ursula Woditschka von der Gewerkschaft Vida. Sie würden angepöbelt und angespuckt, riskierten verbale Attacken und tätliche Übergriffe.

Allein in Wien suchen Security-Dienstleister 500 zusätzliche Mitarbeiter. Bundesweit sind trotz enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice an die 1500 Stellen offen. Die Eintrittsbarrieren sind niedrig: Um sich für den Job zu qualifizieren, reicht meist ein Leumundszeugnis und ein Alter von über 18 Jahren.

"Man findet auf der Kärntner Straße bewaffnete Menschen, die nie geschult wurden. Es ist furchtbar", stellt Martin Wiesinger klar. Der Chef der Securitas Austria hat seine 2300 Mitarbeiter in Spitälern ebenso im Einsatz wie in Impfstraßen.

400 private Sicherheitsdienste beschäftigen rund 17.000 Österreicher. Vereinzelt sorgten schwarze Schafe in der Branche für Aufregung. Ansonsten blieb sie weit abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Nun holt die Pandemie sie aus dem Schatten.

Stoß ins kalte Wasser

Woditschka wundert der massive Mangel an Personal nicht. Sie sieht für den Job keine Anreize – noch weniger in Zeiten, in denen die Bevölkerung Leute als persönliche Gegner behandle, die nur ihren Job erledigten, also für die Einhaltung der Hausordnung sorgten. Die Löhne seien niedrig, die Arbeitszeiten widrig. Mitarbeiter würden ins kalte Wasser gestoßen, ohne je gelernt zu haben, in heiklen Situationen zu deeskalieren. "Sie bekommen alles ab und sind teils völlig überlastet."

Das Klischee des Nachtwächters, der im Kammerl mit seinem Doppler sitze, sei seit Jahrzehnten Geschichte, resümiert Ernst Kreissler, in der Vida als Bundesausschussvorsitzender für Bewachung zuständig, trocken.

Kein finanzieller Spielraum

Sicherheitskräfte werden in der Regel für Zwölfstundenschichten engagiert. Für ihre Auftraggeber zählt beim Auslagern ungeliebter Pflichten vor allem der Preis. Das gilt für Reinigungsdienste ebenso wie für Einlasskontrollen. Für Security-Anbieter selbst ist der finanzielle Spielraum gering: 80 Prozent der Kosten gehen aufs Konto des Personals. Gewinnmargen in der Branche liegen zwischen ein und drei Prozent. Für Kreissler verkauft sich diese seit langem unter ihrem Wert.

Dabei habe man die Löhne zuletzt aufgrund längst überfälliger Nachzieheffekte deutlich erhöht, gibt Wiesinger zu bedenken. Wer viermal die Woche für jeweils zwölf Stunden arbeite, verdiene mindestens 2045 Euro brutto, rechnet er vor. Nachts gibt es 40 Cent pro Stunde mehr. Wiesinger sucht derzeit mehr als 100 zusätzliche Mitarbeiter. Langfristig, wie er betont, denn der hohe Personalbedarf bleibe über Corona hinaus bestehen. Es gehe also nicht nur um Lückenfüller.

Hohe Fluktuation

Ähnlich viele offene Stellen bietet G4S-Chef Alexander Kraus – er lässt keine Zweifel daran, dass sein Gewerbe starke Fluktuation bremsen müsse. Die Arbeitsbelastung sei hoch und finanziell oft nicht das drin, was sich viele wünschten. "Wir brauchen höhere Qualifikationen. Und wir müssen aufzeigen, dass es Karrierewege über Zutrittskontrollen hinaus gibt."

Der Verband der Sicherheitsunternehmen, der das Gros der Anbieter in sich vereint, pocht seit Jahren auf einheitliche AusbildungsStandards. In 16 Stunden sollen etwa rechtliche Normen vermittelt werden. Wiesinger ist zuversichtlich, dass dies 2023 als erster Schritt auf den Boden gebracht wird.

Bisher verpflichten sich Sicherheitsdienstleister nur freiwillig zur Schulung der Mitarbeiter. Kosten, die wenige Kunden honorierten, bedauert Woditschka. Von einer Lehre hält sie wenig. Vielen Jungen fehle es dafür an Lebenserfahrung. Manch einer sehe sich womöglich als verhinderter Polizist. (Verena Kainrath, 19.1.2022)