Im Gastblog beschreibt die Rechtsanwältin Julia Andras einen Sonderfall beim Scheidungsunterhalt.

Der Oberste Gerichtshof sprach in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (OGH 4 Ob 109/21i vom 22.09.2021) aus, dass eine Frau ihrem Ex-Mann Unterhalt zahlen müsse, obwohl dieser während der Ehe mehrfach gewalttätig gegen sie geworden war – wiederholte körperliche Gewalt in Form von Ohrfeigen, An-den-Haaren-Reißen, Tritten und Ähnlichem.

Anspruch trotz Verschulden?

Die betroffene Ehe wurde nach 27 Ehejahren aus dem überwiegenden Verschulden des Mannes geschieden. Dieser hatte laut Vereinbarung mit seiner Frau während des gesamten Zeitraums der Ehe den gemeinsamen Haushalt verrichtet, während seine Frau arbeiten ging. Beim Mann liegen körperliche und psychische Probleme vor, sodass er von einem Erwachsenenvertreter vertreten wird und mittlerweile in einem Pflegeheim wohnt, wo er auch mit Essen versorgt wird. Er muss aber für weitere Aufwendungen wie Toilettenartikel, Tabak, Kleidung, Friseurbesuche, Bücher, Zeitschriften oder jegliche Einkäufe und Aktivitäten außerhalb des Heimes selbst aufkommen. Das könne er nur mithilfe des Unterhalts von seiner Ex-Frau schaffen, denn arbeiten könne er nicht.

Die Frau erzielte zuletzt ein monatliches Nettoeinkommen von rund 3.300 Euro. Sie äußerte, dass ihr Ex-Mann sich immer vor einer beruflichen Tätigkeit gedrückt habe. Im Übrigen liege zwischen ihnen auch keine Vereinbarung über die Führung des Haushalts vor. Ihr Ex-Mann habe von seiner Mutter einen Betrag von 23.000 Euro geschenkt bekommen, den er seit der Trennung für seinen Lebensunterhalt aufwende. Davon seien noch 12.000 Euro übrig. Er könne mit diesem Betrag jedenfalls seinen Lebensunterhalt bestreiten und sei im Pflegeheim wohn- und essensversorgt. Der Ex-Mann hingegen begehrte mit seiner Klage einen Billigkeitsunterhalt von monatlich 850 Euro.

Zuspruch von monatlichem Unterhalt

Dieser kann nach der Rechtsprechung beziehungsweise dem Gesetz zuerkannt werden, wenn ein Ehegatte nach der Scheidung aufgrund des Mangels an einer Erwerbsmöglichkeit oder der Dauer der ehelichen Gemeinschaft oder seines Alters oder seiner Gesundheit sich nicht selbst erhalten kann. In diesem Fall kann selbst jenem Ehegatten, aus dessen Verschulden die Scheidung erfolgt, ein Ehegattenunterhalt zugesprochen werden. Dieser bewegt sich zwischen 15 und 33 Prozent des monatlichen (Netto-)Einkommens des Unterhaltspflichtigen. Bestimmte Abschläge sind je nach Lage des Einzelfalls zu machen und sind vom Gericht einzelfallbezogen zu beurteilen. Die ersten zwei Instanzen sprachen dem Mann einen monatlichen Unterhalt von 500 Euro zu. Der Oberste Gerichtshof sah keinen Anlass, diese Entscheidungen zu korrigieren.

In seltenen Fällen kann auch der Verschulder oder die Verschulderin des Ehe-Aus Unterhaltsanspruch zugesagt bekommen.
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Der zugesprochene Betrag befindet sich an der untersten Grenze der zuvor genannten Bandbreite. Zum Barvermögen des Mannes wurde seitens des Gerichts festgehalten, dass dieses nicht für die Bestreitung seines Lebensunterhalts herangezogen werden kann. Insbesondere kam ihm zugute, dass auch die Sozialleistungen des Landes Niederösterreich die Unterhaltspflicht der Frau nicht mindern, weil sie nach erfolgter Scheidung nicht mehr Angehörige des Ex-Mannes sei. Der Sozialhilfeträger kann daher auf die Unterhaltsansprüche des Ex-Mannes zugreifen (Legalzession). Damit bekommt dieser trotz Scheidung aus seinem Verschulden und fast 30-jähriger beruflicher Untätigkeit von seiner Frau einen monatlichen Unterhalt in der Höhe von 500 Euro. Die wiederholten Gewalttaten des Ex-Mannes gegen seine Frau wirken sich unterhaltsmindernd aus. (Julia Andras, 21.1.2022)