Ob Höllenfürst Diablo künftig mit Anzug und Aktenkoffer unterwegs ist?

Foto: Blizzard

Nachdem man sich 2020 bereits Zenimax und damit auch die zugehörige Spieleschmiede Bethesda ("Fallout", "The Elder Scrolls", "Doom") geschnappt hat, folgt nun der nächste große Streich von Microsoft. Für knapp 69 Milliarden Dollar will Microsoft den Publisher Activision Blizzard schlucken. Zwischen den Unternehmen ist der Deal bereits vereinbart, nun sind die Kartellbehörden am Zug.

Activision Blizzard (eigentlich Activision Blizzard King) gehört zu den Riesen der Branche. An populären Games-Marken mangelt es wahrlich nicht. Da wären etwa das Hack-and-Slash-Actionrollenspiel "Diablo", die Strategiespiele "Warcraft" und "Starcraft", das populäre Onlinerollenspiel "World of Warcraft", die Shooter-Cashcow "Call of Duty" wie auch eine Reihe beliebter und gewinnträchtiger Mobile Games wie "Candy Crush". Dementsprechend kommt die Übernahme einem Erdbeben in der Branche gleich und unterstreicht Microsofts Ambitionen, mit seinen Konsolen und dem Gamepass zu einer Art "Netflix der Spiele" zu werden.

Bill Gates und der Aktenkofferteufel

Eine Entwicklung dieser Größenordnung bleibt freilich nicht unkommentiert. Gamer sind bekanntlich ein recht meinungsstarkes Publikum und große Publisher wie Microsoft oder Activision beliebte Ziele, an denen man sich abarbeiten kann. Auch im STANDARD-Forum war man fleißig dabei, Microsofts nächsten Zukauf zu kommentieren.

Was bei solchen Deals eher unüblich ist: Microsoft wird die Übernahme nicht mit Wertpapieren bezahlen, sondern cash. Die Kriegskasse ist gut gefüllt. Eine zeitgeistige Antwort darauf, woher das ganze Geld eigentlich kommt, liefert User "Eine große Auswahl für den kleinen Liebling".

Doch wie geht es weiter mit den ganzen Titeln von Activision Blizzard? Microsoft selbst ist ja eigentlich mehr für Software bekannt, die im Firmenumfeld zum Einsatz kommt. Und nicht jede Übernahme führte zu Änderungen, die von den Nutzern gutgeheißen wurden – man erinnere sich etwa an das Schicksal von Skype.

Glaubt man der Prophezeiung von "Connection Refused", dann muss bald auch der Herr der Finsternis um seine Identität fürchten und wird wohl mit Anzug und Aktenkoffer auftreten. Logisch weitergedacht ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis es ein "Teams Call of Duty" mit integrierten Videokonferenzen gibt, bei denen man Waffen, Panzer und Flugzeuge gegen langweilige Powerpoint-Präsentationen tauscht.

Kartellfragen

Eine durchaus ernste Frage wirft hingegen "mhjgfhfhjfdjh" auf. Während sich Microsoft und Activision Blizzard bereits einig sind, fehlt noch der Sanctus der Kartellbehörden, bevor die Übernahme tatsächlich erfolgen kann. Mit Nachfragen ist zu rechnen, mit einem Einspruch aber eher nicht.

Gemäß den Jahresumsätzen für 2020 im Spielebereich ist Sony der größte Games-Publisher der Welt. Der japanische Konzern kam in diesem Zeitraum auf stolze 25 Milliarden Dollar an Einnahmen. Dahinter folgt der chinesische Tencent-Konzern, der in diesem Segment 13,9 Milliarden Dollar erwirtschaften konnte. Nummer drei ist Nintendo mit 12,1 Milliarden Dollar. Dahinter liegt Microsoft selbst mit 11,6 Milliarden, gefolgt von Activision Blizzard mit 8,1 Milliarden.

Das ist freilich nicht das einzige Kriterium für die Kartellbehörden. Letztlich wird es auch darauf ankommen, ob die Marktwächter in den USA und der EU hier einen Tech-Deal sehen oder ausschließlich den Entertainment-Bereich betroffen sehen, schreibt etwa "Polygon". In ersterem Falle könnte es für Microsoft schwieriger werden als gedacht, den Deal durchzubringen, zumal die Regulatoren gegenüber "Big Tech" immer argwöhnischer werden.

Immer wieder Clippy

Unterhaltsame Reaktionen sind auch auf Twitter zu finden. Eine Reihe von Nutzern schickte scherzhafte Nachrichten an Bill Gates, um ihn nach neuen Features oder Patch-Terminen für diverse Spiele zu fragen. Gates hat schon länger nichts mehr mit dem operativen Geschäft des von Satya Nadella geführten Konzerns zu tun und verließ 2020 auch den Vorstand. Große Freude hatte man sichtlich auch an Fotomontagen mit der berühmt-berüchtigten, virtuellen Büroklammer Clippy (vulgo "Karl Klammer" auf Deutsch).

Arbeitskampf geht weiter

Ungemach droht aber nicht nur von den Kartellbehörden. Der Arbeitskampf bei Activision Blizzard soll ungeachtet des Übernahmevorhabens weitergeführt werden, richtete die ABK Worker's Alliance bereits in mehreren Twitter-Statements aus.

Zum einen möchte man eine Gewerkschaft gründen und sich betriebliche Mitsprache sichern. Zum anderen strebt man weiter nach Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Activision Blizzard wird seit Juni von einem Sexismus-Skandal erschüttert und behördlich untersucht. Jahrelang sollen Frauen nicht nur systematisch schlechter behandelt und entlohnt worden sein, sondern in vielen Fällen auch Meldungen über Übergriffe verschwiegen und die Täter geschützt worden sein. Unterstützt wird die Initiative von den Communication Workers of America, einer der größten und einflussreichsten Gewerkschaften des Landes.

Für zusätzlichen Unmut sorgt dabei auch, dass Langzeit-CEO Robert "Bobby" Kotick zumindest vorerst weiter im Amt bleiben soll. Nicht nur soll er, entgegen eigenen Behauptungen, von vielen Fällen gewusst haben, sondern es gibt auch Vorwürfe wegen problematischen Verhaltens gegen ihn selbst, wenngleich die Vorfälle schon länger zurückliegen. Viele Mitarbeiter trauen daher seinen Versprechungen, alles für eine Verbesserung der Firmenkultur unternehmen zu wollen, nicht.

In den vergangenen Monaten warf das Unternehmen allerdings mehrere Dutzend Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Causa hinaus. Immerhin: Laut Insidern soll Kotick abtreten, sobald der Deal genehmigt und abgewickelt ist und Activision Blizzard dann formell Xbox-Chef Phil Spencer untersteht. Dementsprechend zeigen sich manche Mitarbeiter hoffnungsvoll.

Vom "Nerdhobby" zur Mainstream-Unterhaltung

Einen positiven Aspekt findet auch der Streamer Wood Hawker. Egal wie man zu Microsofts Ambitionen steht, zeigt die Übernahme, welche Bedeutung die Spielebranche mittlerweile erlangt hat. Sie ist zur größten Unterhaltungsbranche der Welt geworden, schreibt er.

Ein Blick auf die Zahlen gibt ihm recht. Wie Statista (Stand: 2019) zusammenfasst, stellt die Games-Industrie die Film- und Musikbranche mittlerweile klar in den Schatten. PC-, Konsolen- und Mobile Gaming sorgen für mehr als doppelt so viel Umsatz, wie die beiden anderen Sparten zusammen erwirtschaften. (gpi, 19.1.2022)