Der Typ mit der Leberkässemmel, der schmatzend am Telefon über seine Freundin herzieht. Oder bei gefühlten minus 30 Grad und orkanartigen Winden auf dem offenen Bahnsteig auf den Anschlusszug warten. Und dass es manchmal schier ewig zu dauern scheint, bis man am Ziel ist. Das sind wohl die drei nervigsten Sachen am Zugfahren. Obwohl, bei Letzterem muss man sagen: lieber ein Buch im Zug lesen als stundenlang auf eine schnürlgrade Autobahn schauen. Und wenn es einem bei der Kombination aus langwierigem Security-Check und darauffolgender Massenmenschhaltung auf Flugreisen die Haare aufstellt, dann muss man deswegen nicht zwingend Klaustrophobiker sein, der Privatsphäre schätzt.
Direktverbindungen
Gegen das Umsteigen auf offenen Bahnsteigen helfen Direktverbindungen. Darum habe man in den vergangenen Jahren den Tagesverkehr ausgebaut und sowohl bestehende Verbindungen verstärkt wie auch neue hinzugenommen, heißt es bei den ÖBB. Etwa jene von Graz über Prag nach Berlin oder die von Wien über Nürnberg nach Berlin oder über Berlin nach Rostock, aber auch über Krakau nach Przemyśl und nach Cluj-Napoca oder Baia Mare in Rumänien.
In Richtung Süden gibt es inzwischen Tagesdirektverbindungen von Wien nach Bozen oder Triest. Verführerisch ist in diese Richtung aber auch der Nachtzug, auf der Direttissima in die Serenissima.
Über den Westen
Täglich um kurz vor halb zehn Uhr abends verlässt der Nightjet in Wien den Hauptbahnhof. Er fährt aber nicht direkt gen Süden – sein Weg führt über Salzburg nach Villach, weiter nach Udine und über Treviso nach Venedig Santa Lucia. Dort kommt er kurz nach halb neun Uhr in der Früh an – also grad rechtzeitig für einen Espresso.
"Gerade rechtzeitig" ist überhaupt bezeichnend für das Thema der Nachtzüge. Die ÖBB habe 2016 die richtige Entscheidung getroffen, die Nightjets einzuführen, "als andere das Nachtzuggeschäft aufgaben", sagt ein ÖBB-Sprecher. Mit dem neuen Fahrplan bietet die ÖBB 20 eigene Nightjet-Linien an, zusätzlich gibt es neun Euronight-Linien, die mit internationalen Partnern betrieben werden.
Seit 2019 ist Berlin mit dem Nightjet von Wien aus direkt erreichbar, seit 2020 Brüssel. Im vergangenen Jahr kam Amsterdam dazu.
Seit 13. Dezember fährt zudem jeden Montag, Donnerstag und Samstag ein Nightjet um 19.40 Uhr von Wien nach Paris – und am jeweils folgenden Tag zurück nach Wien.
Etwas mehr als 14 Stunden dauert die Reise und kostet im Idealfall, mit der Sparschiene, 29,90 Euro – im anderen Extrem der Schlafwagen allein 199,90 Euro. In beiden Fällen muss man schon sehr weit im Voraus buchen. Und selbst dann ist nicht sicher, dass es noch freie Plätze im Schlafwagen gibt.
Überhaupt ist diese Verbindung für einen schnellen Wochenendtrip nach Paris mehr als unglücklich. Sitzt man doch für zehn Stunden Aufenthalt in Paris ganze 28 Stunden im Zug – und kommt am Montag auch noch zu spät in die Arbeit, weil der Zug erst um kurz nach zehn Uhr in Wien ankommt. Das geht mit dem Flieger schneller und meist auch billiger, wenn man die Zugreise im Schlafwagen andenkt.
Minikabinen
Noch sind die Schlafwagen zudem die bekannten, erst im Frühjahr 2023 sollen die neuen Garnituren ihren Betrieb aufnehmen. Insgesamt kosten diese und der Umbau der bestehenden Wagen 790 Millionen Euro. Die neuen Schlafwagen haben dann sowohl in der Standard- als auch in der Deluxe-Version Dusche und WC in der Kabine. Für Alleinreisende wird es neue Minikabinen geben. Die kann man wie einen Büroschrank einfach zuziehen, und man hat eine Ruh’. Wenn man halt nicht Klaustrophobiker ist. (Guido Gluschitsch, 20.1.2022)