Ein Arbeitssuchender bei einem Schweißerkurs im Auftrag des AMS in Wiener Neustadt.

Foto: Andi Urban

Ausbildungen als Tischler, Schweißer, Elektrotechniker, daneben EDV- und Staplerkurse sowie Bewerbungstrainings. Das Arbeitsmarktservice (AMS) zählt zu den größten Bildungsdrehscheiben für Erwachsene im Land. Allein im vergangenen Jahr haben 233.000 Personen eine Qualifizierung via AMS in Anspruch genommen.

Wer mit Arbeitssuchenden spricht, bekommt ein gemischtes Bild davon, wie gut diese Programme funktionieren. Manche erzählen, dass sie schon so viele Bewerbungstrainings absolviert haben, dass sie gar nicht mehr alle aufzählen können. Andere berichten zufrieden von vollwertigen Lehrausbildungen, die ihnen vom AMS finanziert wurden. Viel hängt dort vom Betreuer ab: Freiwilligkeit beim AMS ist so eine Sache.

Es ist heute zwar nicht mehr so wie früher, als die Kurse für Arbeitslose eine Strafe waren, wenn nicht schnell genug ein Job angenommen wurde. Aber Arbeitssuchende sind laut Gesetz verpflichtet, zumutbare Stellen anzunehmen oder Weiterqualifizierungen zu absolvieren. Im Regelfall sind es also die Betreuer, die Jobsuchende für Kurse und Trainings einteilen. Dazu kommt, dass das AMS primär in Arbeit vermitteln soll. Ein Koch, der Tischler werden will und eine Ausbildung machen möchte, hat schlechte Karten: Denn Köche werden massiv nachgefragt.

15.000 Euro für die Ausbildung

Gibt es Wege, Arbeitssuchende darin zu bestärken, selbstständig Qualifizierungsprogramme auszuwählen? Kann die Autonomie der Arbeitslosen gestärkt werden? Diese Fragen standen im Zentrum eines Experiments, das vom AMS Niederösterreich mit Forschern der Universitäten Oxford und Wien durchgeführt wurde.

Die Idee war simpel: Was geschieht, wenn Arbeitslose nicht nur von ihren Betreuern über die Kurse informiert werden, sondern spezielle Angebote per E-Mail erhalten? Zur Beantwortung der Frage wurden 11.000 Arbeitssuchende in Niederösterreich per Zufallsprinzip in vier Gruppen unterteilt. Eine davon erhielt einen Newsletter mit Infos über Ausbildungsmöglichkeiten.

In der zweiten Gruppe erhielten Arbeitssuchende den Newsletter und wurden zusätzlich per E-Mail informiert, dass sie einen Gutschein im Wert von 15.000 Euro erhalten haben, um AMS-Qualifizierungsmaßnahmen zu absolvieren. Dazu gab es einen 3000-Euro-Gutschein für Fortbildungen am freien Markt.

Die dritte Gruppe erhielt neben dem Gutschein noch Informationen über offene Jobs im Land. Als Kontrollgruppe dienten Arbeitslose, die solche Infos nicht erhielten.

Ein Berater auf 250 Arbeitslose

Lukas Lehner (Oxford) und Anna Schwarz (Uni Wien) haben das Ergebnis des Experiments in einem Zwischenbericht präsentiert. Arbeitssuchende, die den Gutschein erhielten, nehmen öfter an Qualifizierungsprogrammen teil. Der Unterschied ist nicht riesig. Auf 10.000 Jobsuchende gerechnet, starten in der Gruppe, die einen Gutschein bekommt, 200 Menschen mehr mit einer Ausbildung. Nach sieben Monaten sind immer noch 110 Menschen zusätzlich dabei. Der Unterschied ist aber laut Lukas Lehner sehr wohl signifikant, das Ganze ist also keine zufällige Entwicklung. "Das Experiment zeigt, dass es ein großes Potenzial hat, wenn die Stellung der Arbeitssuchenden gestärkt wird", sagt Lehner.

Aus Sicht von Sven Hergovich, dem Leiter des AMS Niederösterreich, sind die Ergebnisse so beachtlich, dass er das Gutscheinmodell ab März in den Regelbetrieb übernehmen will. Alle Arbeitssuchenden werden dann mit Angeboten angeschrieben. Der Clou: Der Gutschein bedeutet keine Zusatzausgaben. Jobsuchende, für die das gut passt, sollen ja Ausbildungen absolvieren. Der Gutschein soll den Wert der Angebote verdeutlichen. Die Arbeitssuchenden müssen dann zu ihrem Betreuer gehen und dort besprechen, wie sie den Voucher einsetzen wollen.

Der Voucher soll Arbeitssuchende außerdem dazu animieren, sich selbst vorher Gedanken zu machen, was sie möchten, so Hergovich. Ein AMS-Berater betreue im Schnitt 250 Jobsuchende, da bleibe für tiefgehende Beratung und Vorgespräche oft nicht viel Zeit.

Wobei versucht wird, zielgruppenorientierter zu informieren. So konnte bei Menschen, die nur einen Pflichtschulabschluss vorweisen können, die Zahl jener, die eine Qualifizierung begannen, etwas gesteigert werden. Dafür sind nicht alle Fragen geklärt. In der Gruppe, die Gutschein und Infos über offene Stellen erhielt, ließen sich nicht mehr Leute qualifizieren. Und: Die Gutscheine werden beim Start eines Kurses bisher nicht eingereicht, die Kosten der Ausbildung beim AMS sind also nicht sichtbar. (András Szigetvari, 20.1.2022)