Im Vorfeld des am Donnerstag erwarteten Beschlusses zum Impfpflichtgesetz kündigten Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ein "Anreiz- und Belohnungssystem" an, um die Impfquote zu steigern.

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Die Impfpflicht gilt für über 18 -Jährige ab Februar. Viele Gegenstimmen aus der FPÖ. Auszüge aus einer heftigen Debatte

DER STANDARD

Die türkis-grüne Bundesregierung hat sich mit der größten Oppositionspartei SPÖ auf eine große Impflotterie verständigt. Im Vorfeld des am Donnerstag erwarteten Beschlusses zum Impfpflichtgesetz kündigten Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ein "Anreiz- und Belohnungssystem" an, um die Impfquote zu steigern.

Kernpunkt ist eine Impflotterie, bei der individuelle Gutscheine im Wert von 500 Euro ausgeschüttet werden. Dabei soll jede Impfung eine Gewinnchance bieten, für Geboosterte ist diese – als Belohnung – demnach dreimal höher als für einmal Geimpfte. SPÖ-Chefin Rendi-Wagner hatte Gutscheine für Geimpfte zuvor schon regelmäßig gefordert: Beim SPÖ-Modell hätten allerdings nur Geboosterte einen 500-Euro-Gutschein erhalten – dafür aber alle, ganz ohne Verlosung.

Gestartet wird die Impflotterie am 15. März – damit soll auch ein Anreizsystem für Unentschlossene geschaffen werden. Die Laufzeit dieser Maßnahmen ist laut Regierung mit Ende Dezember 2022 begrenzt.

Noch keine Vereinbarung mit dem ORF

Nehammer sagte, dass die Impflotterie über den ORF abgewickelt wird – nach STANDARD-Recherchen im ORF gibt es darüber noch keine Vereinbarungen. Kommende Woche sollen Gespräche darüber stattfinden. Der ORF hat selbst im Herbst binnen weniger Tage eine große Impflotterie entwickelt und veranstaltet, mit rund zwei Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Nach STANDARD-Infos soll es um Know-how und Logistik für die Impflotterie gehen.

Der ORF hat seine Lotterie technisch mit einer externen Dienstleistungsfirma – der Wiener Agentur BRFI Büro für Interaktion GmbH – abgewickelt. Für die Abwicklung der ORF-Lotterie soll nach unbestätigten Informationen aus dem ORF ein mittlerer fünfstelliger Betrag angefallen sein.

Anpassung des ORF-Gesetzes könnte nötig werden

Um den ORF zu betrauen, könnte es eine Anpassung des ORF-Gesetzes brauchen. Schon bisher hat der ORF den Gesetzesauftrag, Behörden für Aufrufe in Krisen- und Katastrophenfällen Sendezeit zur Verfügung zu stellen, ebenso Privaten "in begründeten und dringenden Notfällen zur Vermeidung von Gefahren für Gesundheit und Leben von Menschen". Diese Passage könnte für eine Lotterieabwicklung erweitert werden.

Nehammers Ankündigung, die Lotterie mit dem ORF abzuwickeln, hat schon einige Unruhe in der Medienbranche ausgelöst, etwa über die Bewerbung der Lotterie. Diese dürfte sich nicht auf den ORF beschränken.

Insgesamt können "bis zu eine Milliarde Euro" ausgeschüttet werden, erklärte der Kanzler. Mit Stand Donnerstag wurden knapp 17,2 Millionen Dosen verimpft. Jede zehnte Impfung habe die Chance zu gewinnen, sagte Nehammer.

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Eine Impflotterie der Republik könnte mit vier bis sechs Millionen Anmeldungen rechnen, schätzen Experten auf der Basis der rund zwei Millionen Teilnehmer und Teilnehmerinnen der ORF-Impflotterie.

Einlösbar in österreichischen Betrieben

Einlösbar sollen die 500-Euro-Gutscheine bei österreichischen Betrieben sein – im Handel, der Gastronomie, in Hotels, Kultur- oder Sporteinrichtungen. Laut Kogler sollen auch kleine und mittlere Betriebe davon profitieren.

Anreizsystem auch für Gemeinden

Neben der Impflotterie gibt es auch ein Anreizsystem für Gemeinden: Diese sollen mit einem finanziellen Paket dazu ermuntert werden, intensiv über die Impfung zu informieren und für diese zu werben. Hier sind 75 Millionen Euro vorgesehen, die nach dem Investitionsgesetz-Schlüssel verteilt werden. Weitere bis zu 400 Millionen Euro können Gemeinden erhalten, wenn sie zudem gewisse Impfziele erreichen.

Bei einer Impfquote von 80 Prozent wird ein Basisbetrag von insgesamt 75 Millionen Euro ausgeschüttet, bei 85 Prozent sind es 150 Millionen, und bei 90 Prozent werden 300 Millionen ausgeschüttet. Nehammer nannte als Beispiel eine niederösterreichische Gemeinde mit 3.000 Einwohnern: Bei einer Impfquote von 80 Prozent erhält diese 30.000 Euro, bei 90 Prozent wären es bereits 120.000.

Dieses Geld könne die Gemeinde dann in eigene Projekte investieren, etwa in einen Sport- oder Spielplatz. "Jede Gemeinde profitiert dann, wenn sie eine hohe Impfquote hat", sagte Nehammer.

390 Gemeinden schon jetzt über 80 Prozent

Schon jetzt dürften zahlreiche Gemeinden die Vorgaben für Impf-Prämien erfüllen, wie eine Berechnung der APA zeigt. So haben 390 Gemeinden eine Impfquote über 80 Prozent – gemessen an der aktuell impfbaren Gemeindebevölkerung über fünf Jahren mit einem aufrechten Impfzertifikat. 76 Gemeinden liegen über 85 Prozent, mit Andlersdorf in Niederösterreich hat eine Gemeinde auch schon mehr als 90 Prozent erreicht. Laut Statistik Austria gibt es aktuell 2.095 Gemeinden in Österreich.

Kogler: "Man muss ja nicht jedem Neonazi hinterherrennen"

Vizekanzler Kogler meinte, dass diese Impfanreize viele in den Gemeinden motivieren würden, "auf alle in der Bevölkerung zuzugehen". Wobei Kogler auch einschränkte: "Man muss ja nicht jedem Neonazi hinterherrennen." Der Grüne lobte zudem das Burgenland für die erfolgreiche Umsetzung der Landesimpflotterie, und er bedankte sich bei der SPÖ und auch den Neos für die konstruktive Mitarbeit beim Impfthema.

Bis zu 1,4 Milliarden Euro werden ausgeschüttet

Insgesamt stellt die Regierung bis zu 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung, um einerseits die Impfquote zu heben und andererseits bereits Geimpfte zu belohnen.

Im Vorfeld des Beschlusses zum Impfpflichtgesetz sagte Rendi-Wagner: "Unser gemeinsames Ziel muss sein, uns aus der Umklammerung des Virus zu befreien." Kogler meinte, dass "die Freiheit der vielen geschützt" werden müsse. Das erfordere den Eingriff in individuelle Rechte – also die Impfpflicht. Die Begründung dafür sollte laut Kogler verfassungsrechtlich halten.

Laut Nehammer wird die ÖVP geschlossen für das Impfpflichtgesetz stimmen. Einzelne Abweichler schlossen Kogler und Rendi-Wagner in ihren Reihen aber nicht aus. (David Krutzler, Harald Fidler, 20.1.2022)