Eine Corona-Demo soll Kinder in einem Hort verschreckt haben (Symbolbild).

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Linz – Eine Corona-Demo, die am Mittwoch auch an einem Hort in Linz vorbeigeführt hat, sorgt für Wirbel: Laut Medien sollen Teilnehmer mit den Parolen Kinder verschreckt sowie Kinder und Eltern gefilmt haben. Damit sei eine Grenze überschritten worden, waren sich der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) und der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) einig. Luger will Schutzzonen um Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen. Auch eine Linzer Schuldirektorin hat schlechte Erfahrungen mit Corona-Demos gemacht.

Rund 1.400 Personen nahmen laut Polizei an der Kundgebung teil, die von der Linzer Innenstadt bis zur Herz-Jesu-Kirche führte, wo der Zug umdrehte. In diesem Bereich befindet sich auch ein Hort. Dass die Kinder im Inneren Masken trugen, habe das Interesse der Demonstranten geweckt, berichteten die "Oberösterreichischen Nachrichten".

Hort: "Kinder wurden terrorisiert"

Pädagoginnen hätten bemerkt, dass Demonstranten Videos von den Kindern machten, und die Vorhänge geschlossen. Daraufhin sei auf der Straße der Ruf "Vorhänge auf" ertönt, heißt es unter Berufung auf Eltern. "In der Zeit von 15.25 bis 16 Uhr wurden die Kinder und die Pädagoginnen terrorisiert", zitiert die Zeitung aus einer Mitteilung des Horts an die Erziehungsberechtigten, "im ganzen Haus kümmerten sich unsere Pädagoginnen um die weinenden Kinder aller Altersstufen." Laut dem ORF Oberösterreich wurde der Hort mit Megafon-Durchsagen und einem Pfeifkonzert beschallt. So wurde laut Betroffenen etwa "Eure Eltern töten euch mit der Impfung" gerufen.

Debatte über Schutzzonen

Der Hort in der Linzer Innenstadt gehört den Franziskanerinnen von Vöcklabruck. Laut Elisabeth Binder, Geschäftsführerin des Vereins für Franziskanische Bildung, muss in Zukunft verhindert werden, dass solche Demonstrationszüge an Kinderbetreuungseinrichtungen vorbeigeführt werden.

"Entweder es werden diese Demozüge mittels polizeilicher Anordnung so geführt, dass es keine Berührungspunkte mit den Einrichtungen geben kann. Oder man errichtet, ähnlich wie bei den Krankenhäusern, konkrete Schutzzonen vor Kinderbetreuungseinrichtungen. Uns sind beide Varianten recht. Die Hauptsache ist, dass solch drastische Situation künftig nicht mehr vorkommen", sagt sie zum STANDARD. Binder berichtet auch, dass der Schock unter den Kindern durchaus groß gewesen sei: "Es wird sich daher nun auch der schulpsychologische Dienst der betroffenen Kinder annehmen."

Bürgermeister Luger veranlasste am Donnerstag "die sofortige Prüfung, Schulen, Kinderbetreuungs-, Senioren- und Gesundheitseinrichtungen als Schutzzonen zu deklarieren". Auch sein Stellvertreter Bernhard Baier (ÖVP) tritt dafür ein. Luger sieht aber auch die Polizei gefordert, derartige Aktionen "unverzüglich zu unterbinden".

Polizei sah keine Zwischenfälle

Bei der Landespolizeidirektion Oberösterreich hieß es, dass der Demozug zwar im Bereich des Hortes zum Stillstand kam, weil er dort wendete, um wieder zurück in Richtung Innenstadt zu ziehen. Man habe aber keine Zwischenfälle im Zusammenhang mit dem Hort wahrgenommen. Auch sei es nicht richtig, dass das Gebäude beschützt werden habe müssen. Allerdings sei – wie auch die übrige Zeit der Demo – immer wieder "Maske weg!" skandiert worden.

Direktorin beendete Unterricht frühzeitig

Auch die Direktorin des BRG Fadingerstraße, Sylvia Bäck, weiß unterdessen von verängstigten Schülern. Als etwa vor Weihnachten bereits zu Mittag tausende Impfgegner durch die Innenstadt zogen, seien Kinder auf dem Weg zu einer Öffi-Haltestelle mitten in die Kundgebung geraten, berichtete sie der APA. Ein Bub aus der Unterstufe sei weinend in die Schule zurückgekehrt.

Um all ihren Schülern und Schülerinnen einen sicheren Heimweg zu ermöglichen, entschied die Direktorin, dass am Demotag bereits um 11 Uhr Unterrichtsschluss war. Die Lehrer hätten die Eltern telefonisch darüber informiert und breite Zustimmung für die Aktion erhalten. So konnten alle unbehelligt das Schulgebäude in der Innenstadt verlassen und ohne Zeitverzögerung – etwa wegen einer Unterbrechung der Straßenbahn aufgrund des Demozugs – nach Hause gelangen.

Stelzer: "Lasst unsere Kinder in Ruhe"

Deutliche Worte fand der Landeshauptmann. Es sei "unerträglich, wenn einzelne radikale Demonstrierende vor einem Hort aufziehen und mit ihren Parolen und mit ihrem Geschrei – wenn auch nur vielleicht unbewusst – Kinder verängstigen. Lasst unsere Kinder in Ruhe", forderte Stelzer. Auch wenn Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht in einer Demokratie "hohe Güter" seien, die es zu schützen gelte, müsse ein Weg gefunden werden, "damit eine laute Minderheit das Leben der schweigenden Mehrheit nicht ständig beeinträchtigt".

Auch die für Kinderschutz zuständige Landesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) zeigte sich "überaus besorgt und erschrocken" über die "Belagerung". Der grüne Landessprecher Landesrat Stefan Kaineder sieht ebenso "eine dunkeltiefrote, fette Linie weit überschritten". Er erwarte sich "klare Worte" und einen "deutlichen Aufruf zur Mäßigung" von FPÖ und MFG. "Sonst drohen alle Dämme zu brechen." Auch die Neos verurteilten das Verhalten der Impfgegner gegenüber kleinen Kindern.

Gewerkschaft fordert Konsequenzen

Auch die Kinderfreunde Oberösterreich reagierten "bestürzt und fassungslos": Nun sei es so weit, dass Demonstranten und Demonstrantinnen "kleine Kinder instrumentalisieren und durch aggressives Verhalten massiv verstören".

Karin Decker, Frauenvorsitzende der Gewerkschaft Younion in Oberösterreich, zeigte sich am Donnerstag "noch immer tief erschüttert von dem, was da gestern vor einem Hort in Linz passiert ist". Es sei "erschreckend, was unsere Kolleg*innen von dem Vorfall berichten. Kindern wurden sogar die Masken vom Mund gezogen! Nicht nur die Kleinen stehen noch unter Schock, sondern auch die Mitarbeiter*innen. Dieser Vorfall muss Konsequenzen haben!"

Die Younion vertritt unter anderem Elementarpädagoginnen. Der Bundesvorsitzende Christian Meidlinger forderte Politik und Polizei zum sofortigen Handeln auf: "Es muss alles unternommen werden, damit so etwas nicht noch einmal passiert."

Mehrere Anzeigen nach Demos

Gemeldet wurden nach der Demo am Mittwoch 21 Anzeigen wegen der Nichteinhaltung der Maskenpflicht, je zwei wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot, Ordnungsstörung und Anstandsverletzung sowie eine Anzeige nach dem Suchtmittelgesetz. Zu Festnahmen kam es nicht. An einer weiteren Demo am Linzer Bindermichl, die sich gegen das Einschreiten der Polizei richtete, nahmen 20 Personen teil. Es setzte neun Anzeigen wegen Verstoß gegen die Maskenpflicht und eine wegen Vermummung. (APA, mro, red, 20.1.2022)