Ohne festen Wohnsitz: ein nachgebauter hölzerner Karren.
Foto: Alena Klinger / Initiative Minderheiten

Kneisesch, Gadsche, d’Jenischen? / Verstehst du Sesshafter mich Jenischen? heißt ein häufig zitiertes Gedicht des 2006 verstorbenen österreichisch-jenischen Schriftstellers Romed Mungenast, das in schlichter Prägnanz auch das Anliegen und Lebenswerk seines Verfassers umreißt. Mungenast, der 1953 in der Tiroler Ortschaft Zams in eine dort sesshaft gewordene jenische Familie hineingeboren wurde, hat sich als Autor, Forscher, Kulturvermittler, Vortragender und Aktivist um das Verständnis und vor allem auch die Sichtbarmachung jenischer Sprache und Kultur enorm verdient gemacht.

Er war dabei in vielerlei Hinsicht ein Pionier, und er war einer, dem es darum ging, die Ausgrenzung und Diskriminierung von Randgruppen weit über die eigene Volksgruppe hinaus in den Blick zu nehmen. Als ihm 2004 die Ehrenprofessur der Universität Innsbruck verliehen wurde, eröffnete er seine Rede mit dem Satz: "Zunächst bedaure ich, dass es keinen Ehrbegriff gibt, der alle Menschen erfasst."

Dass es nun von Tirol ausgehend Bestrebungen gibt, die Anerkennung der Jenischen als Volksgruppe in Österreich voranzutreiben, hängt fraglos eng mit dem Wirken von Romed Mungenast zusammen. Wie viele Jenische in Österreich leben, ist in Zahlen nicht belegbar. Was viel mit der Geschichte ihrer Ausgrenzung, Verfolgung und Zwangsassimilierung zu tun hat. "Die Angst vor Stigmatisierung sitzt bis heute tief", sagt Marco Buckovez, Obmann des Vereins zur Anerkennung der Jenischen in Österreich und Europa. Er habe das, so Buckovez, auch in der eigenen Familie erlebt, in der der Großmutter verboten wurde, Jenisch zu sprechen.

Stereotype aufbrechen

Buckovez selbst hat erst vor wenigen Jahren begonnen, sich mit seinen jenischen Wurzeln zu beschäftigen und sich die jenische Sprache "im Selbststudium" anzueignen. Dem 37-Jährigen geht es darum, "gegen das Verschwinden und Vergessen" anzugehen. Die Anerkennung wäre dabei ein wichtiger Schritt, denn: "Es gibt uns ja eigentlich gar nicht."

Wenn es um Ausgrenzung ging, sei die Existenz der Jenischen nie infrage gestellt worden, betont Heidi Schleich, von der die Initiative zur Vereinsgründung ausging. Die Sprachwissenschafterin hat "das Jenische in Tirol" erforscht, eine ihrer wichtigsten Quellen war Romed Mungenast, ein "Freund und Mentor", der viel bewegt habe, auch was das Aufbrechen negativer Stereotype wie auch romantischer Verklärungen betrifft. Die Anerkennung, sagt Schleich, wäre "eine Geste des Respekts". Sie könnte aber auch "Türen öffnen, um das finstere Kapitel der Diskriminierung und Verfolgung noch einmal gesondert zu erforschen".

Signale für Anerkennung

Im türkis-grünen Regierungsübereinkommen aus 2020 wurde die "Prüfung der Anerkennung der jenischen Volksgruppe" festgeschrieben. Was ist seither passiert? Eine Anfrage des STANDARD an Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) blieb unbeantwortet. Ihr Sprecher verweist auf das Regierungsprogramm. Die Nationalratsabgeordnete und Minderheitensprecherin der Grünen, Olga Voglauer, ortet "vermehrt Zustimmung", und zwar aus "allen politischen Reihen" und insbesondere aus Tirol. Diese Signale gelte es "jetzt auch auf Bundesebene aufzugreifen und die vom Bundeskanzleramt bereits eingeleiteten Gespräche zügig fortzuführen".

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hatte jüngst via Tiroler Tageszeitung erklärt, er würde das Anliegen der Jenischen unterstützen. Zu einer Ausstellung über die Jenischen in Tirol im Vorjahr erschien die Publikation Fahrend? Um die Ötztaler Alpen (Studienverlag 2021), eine lesenswerte Sammlung verschiedener Aspekte jenischer Geschichte in Tirol. Im Beitrag des Historikers Horst Schreiber erfährt man auch, wie die "traditionellen Verfolgungsmaßnahmen" von den Nationalsozialisten "professionialisiert" und zugespitzt wurden. Und dass viele Jenische Missbrauchsopfer in Tiroler Heimen wurden. (Ivona Jelcic, 20.1.2022)