Die T-Zellen produzieren eine deutlich stabilere Immunantwort als die B-Zellen mit den Antikörpern. Deshalb schützt die Impfung auch bei der Omikron-Variante sehr gut vor schwerem Verlauf.

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Die Infektionswelle so niedrig wie möglich zu halten war bisher oberste Prämisse im Umgang mit Sars-CoV-2. Zu schwerwiegend und zu wenig vorhersehbar sind potenzielle Folgen. Und zu sehr steht das Gesundheitssystem unter Druck. Das ändert sich, seit die Omikron-Variante übernommen hat. Diese verbreitet sich so rasant, dass die bisherigen Maßnahmen zwangsläufig überdacht werden müssen.

Zwei Gründe gibt es für diese schnelle Übertragung: Die Inkubationszeit ist deutlich kürzer als noch bei der Delta-Variante, nämlich ungefähr zwei Tage statt bisher vier oder fünf. Und Omikron kann die Immunantwort des Körpers, egal ob diese durch Impfung oder durch Infektion entstanden ist, deutlich besser umgehen, weil es so viele Mutationen am Spike-Protein gibt – jenem Teil des Virus, an dem die neutralisierenden Antikörper andocken.

Genau über diese Antikörper wird seit Beginn der Pandemie extrem viel gesprochen – ob man welche hat, wie viele man hat, wie lange sie nach Impfung oder Infektion vorhanden sind. Auch bei der Omikron-Variante stehen sie wieder im Fokus. Am Spike-Protein sind nämlich so viele Mutationen, dass die Antikörper dieses nicht mehr so gut erkennen und die Variante deshalb die Immunantwort besser umgehen kann.

Die Antikörper werden gebildet von den B-Zellen. Dabei gibt es auch noch die T-Zellen. Sie sind für die Langzeitimmunantwort zuständig – und es braucht beide, um eine Infektion gut bekämpfen zu können. Doch die T-Zellen sind im öffentlichen Diskurs recht wenig präsent.

Komplizierter Nachweis

Das liegt unter anderem daran, dass die Antikörper viel leichter nachzuweisen sind. "'Die B-Zellen, die die Antikörper bilden, sind enorm wichtig für die Immunantwort. Dazu kommt, dass man die Antikörper mit einfachen Routinemethoden nachweisen kann. Solche robusten, zuverlässigen Methoden und Analyseparameter sind essenziell für die Durchführung von riesigen Studien, die zeigen sollen, wie gut eine Impfung wirkt", erklärt Gerald Wirnsberger, Immunologe beim Pharmaunternehmen INVIOS.

Die Antikörper stellen die erste Abwehrschranke für das Virus dar, weil sie sowohl im Blut als auch in den Schleimhäuten, also an der Eingangspforte sitzen und eindringende Viren dort sofort abfangen können. Je höher ihre Anzahl und Qualität ist, desto besser funktioniert das. Allerdings gehen sie im Laufe der Zeit zurück. Und zwar sowohl nach einer Impfung als auch nach einer Infektion. Booster können ihre Werte wieder erhöhen.

Hier kommen die T-Zellen ins Spiel. Sie sind mitentscheidend für das sogenannte Gedächtnis des Immunsystems, das oft über Jahre oder sogar Jahrzehnte aufrecht bleibt. "Gehen die Antikörper zurück, bekommen die B-Zellen bei Viruskontakt die Unterstützung der T-Zellen, um aktiv zu werden und neue Antikörper zu bilden", weiß Wirnsberger.

Nur werden die T-Zellen im Zusammenhang mit Corona zumindest in klinischen Studien deutlich weniger intensiv beforscht, weil ihr Nachweis wesentlich komplexer ist: "Dafür muss man mit isolierten lebenden Zellen arbeiten, nicht nur mit im Labor produzierten Virusproteinen und Antikörpern aus Patienten wie beim Antikörpernachweis. Das erfordert wesentlich aufwendigere Labormethoden, was für eine große Anzahl an Proben viel zu lange dauern würde und letztlich natürlich auch sehr teuer ist."

Zerschnippeltes Virus

Was ist nun der Unterschied zwischen Antikörpern und der Immunantwort durch die T-Zellen? Im Gegensatz zu ersteren, die für ihre neutralisierende Wirkung an einen bestimmten, kleinen Bereich des Spike-Proteins andocken müssen, können T-Zellen eine Vielzahl viraler Proteine – oder genauer gesagt Teile dieser Proteine, die Peptide – erkennen. "Dafür bekommen sie diese von anderen Zellen präsentiert, die diese "Schnippsel" der viralen Proteine auf ihrer Oberfläche tragen. Das heißt, T-Zellen können eine viel höhere Anzahl an Bestandteilen des Virus erkennen und damit eine Immunantwort produzieren, die sowohl infizierte Zellen abtötet, mit den Killer-T-Zellen, als auch über Helfer-T-Zellen die B-Zell-Immunantwort unterstützen", erklärt Wirnsberger.

Das ist aus zwei Gründen wichtig. Erstens sind T-Zellen sehr langlebig und können bei erneutem Kontakt, egal mit welchem Teil des Virus, die B-Zellen sofort wieder dazu anregen, Antikörper zu bilden und auch infizierte Zellen abtöten. Zweitens sind die T-Zell-Immunantworten robuster gegenüber Mutationen. Und das kommt uns bei der Omikron-Welle zugute.

"Bei Omikron gibt es an der Andockstelle sehr viele Veränderungen, was für neutralisierende Antikörper zum Problem werden kann. Für die T-Zell-Antwort ist das aber weniger bedeutend, weil sie nicht nur gegen einen kleinen Teil des Virus gerichtet sein muss. Um sie negativ zu beeinflussen, bräuchte es noch deutlich mehr Mutationen", weiß Wirnsberger. Tatsächlich ist die T-Zell-Immunantwort gegen die Omikron-Variante, wenn man das gesamte Virus betrachtet, im Vergleich zum Wildtyp nur um etwa zehn bis 20 Prozent verringert.

Robuste T-Zell-Antwort

Dazu wurde vor wenigen Tagen im Journal "Nature Medicine" eine Studie online veröffentlicht. In dieser wurde festgestellt, dass die T-Zell-Antwort nach einer Impfung oder Infektion mit der ursprünglichen Virusvariante sowohl gegen die ursprüngliche als auch gegen die Omikron-Variante fast identisch ist – ein gutes Zeichen für den weiteren Pandemieverlauf. Andere Studien kommen zu ähnlich positiven Erkenntnissen, was die Robustheit der T-Zell-Antwort anbelangt.

Weiters wurde in der Studie untersucht, ob es einen Unterschied gibt zwischen jenen T-Zellen, die durch Infektion entstanden sind, und jenen, die durch Impfung angeregt wurden. Dabei hat sich gezeigt, dass die T-Zell-Antwort durch die Impfung sogar eher stabiler ist. Wirnsberger: "Das bedeutet, nach einer natürlichen Infektion nimmt die T-Zell-Immunität etwas schneller ab als nach einer Impfung."

Was bedeuten diese Erkenntnisse aber nun für die Impfung? Diese schützt ja bei Omikron im Vergleich nur noch mittelmäßig vor Ansteckung. Der Schutz vor schwerem Verlauf liegt aber weiterhin zwischen 80 und 90 Prozent, für alle mit einem gut funktionierenden Immunsystem ist der Schutz nahezu perfekt. Das liegt eben wahrscheinlich auch an der robusten T-Zell-Antwort. Trotzdem müsse der Impfstoff nun angepasst werden, betont Wirnsberger.

Die Pharmaunternehmen Biontech/Pfizer und Moderna arbeiten bereits intensiv daran und teilten mit, dass der angepasste Impfstoff im März zumindest in geringen Dosen zur Verfügung stehen werde. Wie lange eine neue Zulassung dann dauern wird, ist nicht klar. Es ist davon auszugehen, dass es rasch gehen wird, kann aber doch einige Wochen in Anspruch nehmen. Derzeit geht man davon aus, dass das angepasste Vakzin im zweiten Quartal zur Verfügung stehen wird.

Ende in Sicht?

Wie genau es weitergeht mit der Pandemie, ist noch nicht ganz klar. Zuletzt haben sich positive Stimmen gemehrt, der deutsche Virologe Christian Drosten meinte etwa in einem Interview mit dem "Tagesspiegel", er gehe davon aus, dass man im Laufe des Jahres 2022 in eine endemische Phase übergehen werde, mit noch einmal hohen Infektionsraten im nächsten Winter. Diese hätten dann aber keine stark einschränkenden Auswirkungen mehr. Immer vorausgesetzt natürlich, es kommen keine weiteren, alles verändernden Mutationen.

Auch Wirnsberger sieht positiv in die Zukunft: "Wenn eine Art Herdenimmunität entsteht, durch Impfung und Infektion, dann sieht es gut aus. Selbst mit neuen Mutationen dürfte beispielsweise die T-Zell-Antwort stabil bleiben. Das Hauptproblem derzeit ist ja, dass so viele Menschen gleichzeitig krank werden und bei schweren Krankheitsverläufen die Krankenhäuser und Intensivstationen überlasten. Das hat natürlich weit über Covid-19 hinaus schwerwiegende Konsequenzen auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung."

Natürlich bleibt auch immer die Gefahr von Long Covid. Diese Langzeitfolgen dürften dadurch entstehen, dass der Virusrezeptor in vielen verschiedenen Geweben zu finden ist und Infektionen in diesen Geweben die unterschiedlichsten Symptome auslösen können, was leider auch bei milden Krankheitsverläufen zu beobachten ist. Und "deshalb wäre es einfach nicht klug, sich dem Virus entspannt auszusetzen".

In Bezug auf eine vierte Impfung ist Wirnsberger zurückhaltend: "Mit drei Impfungen ist man gut geschützt. Möglicherweise wird es darauf hinauslaufen, dass man dann, wenn eine neue Variante entsteht, eine Auffrischung braucht. Unter Umständen allerdings dann schon mit einem neuen, adaptierten Impfstoff. Diese Fragen werden im Verlauf der Pandemie durch die laufend erhobenen Daten zu beantworten sein." Ob das jährlich sein wird, wie bei der Grippe, ist noch nicht klar: "Die Influenzaviren verändern sich unglaublich schnell, die Coronaviren sind da viel langsamer, was sich neben der Stabilität des Impfschutzes natürlich auch auf diese Fragen auswirken wird." (Pia Kruckenhauser, 24.1.2022)