Eines Tages klingelt es bei Klaus B.* Ein Mann steht vor der Tür und will eintreten. Er sagt, er sei "Spezialagent" des Unternehmens Mietkaiser. Ausweisen kann er sich nicht, nicht einmal seinen Nachnamen will er preisgeben. Er sagt Klaus B., in seinem Haus, das sich "in einem Gründerschaftsviertel" befinde, würden mehrere Klagen wegen zu hoher Mietpreise laufen – ob er sich nicht anschließen wolle?

Auch wenn die Bezeichnung "Gründerschaftsviertel" für etwas, das in Wien "Gründerzeitviertel" genannt wird, durchaus neu ist: Dass sich private Anbieter in den Kampf gegen zu hohe Mieten einklinken, ist kein neues Phänomen. Mit Mietkaiser, Mietfuchs, Mieteretour oder Mietheld gibt es bereits mehrere Firmen, die versprechen, für ihre Kundinnen und Kunden günstigere Mieten auszuhandeln. In der Regel sollen Mieterinnen und Mieter kein Kostenrisiko tragen – das Unternehmen bekommt im Erfolgsfall allerdings eine Provision. Das ist der Deal.

Auch Klaus B. wird gesagt, er zahle zu viel. "Der Agent sagte mir, die Miete sei um 250 Euro zu hoch. Dabei zahle ich für 63 Quadratmeter 550 Euro. Ich habe nachgeschaut, das liegt im Durchschnitt", erzählt er dem STANDARD. Trotzdem wird ihm versprochen: Da könne man etwas machen.

Mieten oft über dem Richtwert

Die Grundlage des Geschäfts ist klar: In Österreich gilt für Mieten im Altbau, also im Wesentlichen von Wohngebäuden, die vor 1945 gebaut wurden (mit Ausnahmen), der Richtwert. Dieser ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Wien liegt er derzeit bei 5,81 Euro. Dazu kommen meist noch gewisse Zuschläge, etwa für einen Balkon oder das Vorhandensein eines Lifts.

Einer dieser Zuschläge ist auch der Lagezuschlag, der in besonders guten Lagen draufgeschlagen werden kann. Im ersten Bezirk können das beispielsweise auch mehr als zwölf Euro pro Quadratmeter zusätzlich zum Richtwert sein. In einem Gründerzeitviertel ist ein Lagezuschlag allerdings per Gesetz verboten.

Vertrag mit Liechtensteiner Gruppe

Grundsätzlich ist diese Richtwertmiete jedenfalls begrenzt und darf nicht überschritten werden. "Und das passiert eben doch", sagt Martin Ucik von der Mietervereinigung. Eine Studie der Mieterhilfe Wien aus dem Jahr 2020 hat ergeben, dass viele Mieten sogar doppelt so hoch seien wie erlaubt.

Um dagegen vorzugehen, bieten die genannten Unternehmen an, die Kosten für die gerichtlichen Verfahren zu übernehmen – und leben von der im Erfolgsfall auszuzahlenden Provision. Auch Klaus B. wurde ein solcher Vertrag vorgelegt. Stutzig wurde er allerdings, als der Vertrag nicht zwischen ihm und Mietkaiser zustande kommen sollte – sondern mit einer Finanzgruppe mit Sitz in Liechtenstein.

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Ja, man kooperiere "mit mehreren finanzstarken Prozessfinanzierungsgesellschaften", heißt es von Legartis, dem Unternehmen hinter Mietkaiser, dazu. Der Vertrag, der dem STANDARD vorliegt, hat es aber in sich. Liegt der Rückforderungsbetrag für die Mieterin oder den Mieter zwischen 2.000 und 8.000 Euro, so bekommt der Liechtensteiner Prozessfinanzierer 45 Prozent davon. Steigt der Betrag, sinkt die Erlösquote. Liegt der Betrag unter 2.000 Euro, streift das Unternehmen alles ein.

Rekordhoch für die Mietervereinigung

Bei Mieterschützern kommen die privaten Anbieter in der Regel nicht gut an, man spricht sogar oft von Abzocke. Ucik von der Mietervereinigung weist darauf hin, dass diese keinerlei Provision beim Erfolgsfall verlange. "Lediglich der Mitgliedsbeitrag von 65 Euro pro Jahr muss gezahlt werden. Und will man innerhalb der ersten sechs Monate der Mitgliedschaft ein Verfahren einleiten, dann kostet es insgesamt 165 Euro." Vergangenes Jahr verbuchte man bei der Mietervereinigung Wien ein Rekordhoch von 3,1 Millionen Euro an Rückforderungsbeiträgen.

Und auch Walter Rosifka von der Arbeiterkammer Wien findet Kritikpunkte: "Unsere Erfahrung ist, dass vor allem in den Häusern, in denen die Verfahren 'todsicher' zu gewinnen sind, solche Prozessfinanzierer auftreten." Da könne man besser gleich zu einer der "echten" Mieterorganisationen gehen, "weil die den zurückerstrittenen Betrag zu 100 Prozent dem Mieter überlassen und sie auch in anderen kniffligeren Mietstreitigkeiten vertreten, etwa bei der Durchsetzung von Erhaltungspflichten".

Vergiftetes Klima im Haus

Mietkaiser/Legartis wirft den Mieterschutzorganisationen allerdings vor, keine idealen Vergleiche für Mieterinnen und Mieter zu erzielen. "Wie wir leider schon feststellen mussten, wurden Vergleiche unter 50 Prozent des gesetzlich zulässigen Rückforderungsbetrages abgeschlossen", heißt es dort.

Bei der Mietervereinigung kontert man: "Dieser 'gesetzlich zulässige Rückforderungsbetrag' ist kein Fixbetrag, sondern eine theoretische Maximalgröße."

Klaus B. wurde vom "Spezialagenten" geraten, seinem Vermieter nichts von dem Vorhaben zu erzählen. Bei Mieterschutzorganisation führt auch dieses Vorhaben immer wieder zu Kritik. Das Klima in den Häusern werde so vergiftet. Das sei auch ein großer Unterschied zwischen privaten Firmen und den Vereinen: Private wollen das Maximum für die Kundin und den Kunden herausholen, um die eigene Provision in die Höhe zu treiben. Bei der Mietervereinigung sei man vor allem darauf bedacht, dass sich Mieter und Vermieter danach noch in die Augen schauen könnten.

Versöhnende Worte

Bei Mietkaiser möchte man "trotz aller Kritik" versöhnende Abschlussworte an die Konkurrenz senden: "Das Modell der überhöhten Richtwertmietzinse kann nur mit mehreren Akteuren am Markt bekämpft werden." Dass "Spezialagenten" an den Türen potenzieller Kundinnen und Kunden klingeln würden, dementiert Legartis: "Die Kundengewinnung erfolgt ausschließlich über Werbung, Social Media, Empfehlungen von Tippgebern und über unsere digitale Werbeseite."

Im Fall von Klaus B. handle es sich wahrscheinlich um einen Kunden, der sie kontaktiert habe und dann davon zurückgetreten sei. Jedoch: "Ich wohne seit vier Jahren in dieser Wohnung, und keiner meiner Mitbewohner hatte je so etwas in Auftrag gegeben", versichert Klaus B. (Thorben Pollerhof, 4.3.2022)