Das kann es jetzt ja bitte auch nicht sein, dass ich wegen einer depperten Kiste Bier ins Auto steigen und die 800 Meter bis zum Supermarkt fahren muss. So kurze Wege mit dem Auto zu fahren ist ein Verbrechen – an der Umwelt und am Auto. Kein Bier am Wochenende ist letztlich aber auch keine Option.

Mein großer Traum von einem Lastenrad war in dem Moment geboren, als ich vergangenes Jahr, an einem Spätsommertag, mit einem Sechsertragerl in der rechten und einem Jutesackerl voll veganem Grillgut in der linken Hand, vom Supermarkt heimschlurfte. Prinzipien können manchmal grausam zu einem sein.

So ein Lastenrad, für den Wocheneinkauf, ja, das wäre schon was Feines.
Foto: Ca Go Bike

Langsam zu zerbröseln begann der große Traum vom Lastenrad gar nicht so viel später – als ich nämlich erkennen musste, wie teuer so ein Rad ist. Klar bekommt man auch schon was um unter 2000 Euro. Aber wenn, dann sollte es halt schon was Gescheites sein. Und der Eric Poscher-Mika, ein Lastenradexperte und -händler aus Dornbirn, hat mir verraten: "4000 bis 5000 Euro solltest du schon investieren – um, sagen wir, 6000 Euro kriegst du sogar ein richtig gutes Lastenrad." Robust, mit E-Antrieb. Nur ein bisserl selber treten muss man dann immer noch.

Himaleithagebirge

Ja, so eine elektrische Unterstützung, die wäre schon fein. Ich wohne im Burgenland. An den Ausläufern des Himaleithagebirges. In dem Teil, der nicht direkt am See und darum auch nicht flach wie ein Topfboden ist. Man will ja nicht, dass einem beim Berglauffahren, mit der Bierkiste auf dem Radl, die Zunge in die Kette kommt. Aber bei diesen Preisen – nein, also ehrlich. Doch dann fielen mir die Förderungen für diese Räder ein.

Bei einer Reservierung bis Ende März fördert der Bund gemeinsam mit dem Händler die Anschaffung eines Lastenrades – ganz egal ob mit E-Antrieb oder zum Selberhecheln –, bei Privatpersonen bis zu maximal 50 Prozent oder 1000 Euro des Anschaffungspreises. Bei Betrieben sind es maximal 30 Prozent oder 1000 Euro. Wien etwa fördert aktuell mit noch einmal maximal 50 Prozent der Investitionskosten oder 800 Euro bei Lastenrädern, 1000 Euro bei E-Lastenrädern. Aber die Wiener Förderung hilft einem Burgenländer halt nicht wirklich.

Rasant wachsender Markt

Dem Lastenradboom tut das burgenländische Fördermodell keinen Abbruch. 2020 erklärte der VSSÖ – der Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs, nicht der Verein der Schweizer Sennenhunde in Österreich –, dass sich bei uns die Verkaufszahlen von Lastenrädern mit 900 Stück im Vergleich zu 2019 mehr als verdoppelt haben. Aktuellere Zahlen gibt es nicht, aber der Trend geht weiter, sagt Eric Poscher-Mika.

Ideen, ein Lastenrad zu nutzen, gibt es viele – bis hin zum mobilen Streetfood-Lokal.
Foto: Michael Rathmayr

Einen genauen Marktüberblick zu gewinnen ist schwieriger geworden, weil mehr Hersteller auf unterschiedlichen Vertriebswegen ihre Lastenräder verkaufen. Eine weitere Veränderung, die am Markt stattfindet, ist, dass immer mehr Hersteller die Produktion wieder aus Fernost nach Europa holen oder zumindest andenken, dies zu tun. Der völlig überhitzte Markt im vergangenen Jahr war den Herstellern eine Lehre. Aber nicht nur den Herstellern.

Lieferengpässe

"Nach dem 6. Jänner ist das Geschäft bei uns wieder voll angelaufen", erinnert sich Eric Poscher-Mika. Der Fahrradhandel kommt sonst für gewöhnlich eher an den ersten schönen Tagen vor Ostern in Schwung. "Die Leute sind schon sehr gut informiert, wenn sie ins Geschäft kommen, und entschließen sich viel schneller." Haben Kunden vor ein oder zwei Jahren noch mehrere Monate über den Kauf eines Fahrrades nachgedacht, dauert der Prozess nur noch wenige Tage. Vermutlich spielt da auch die Angst mit, dass das gewünschte Fahrrad in drei Wochen sonst womöglich nicht mehr verfügbar ist.

Lieferschwierigkeiten fürchtet Eric Poscher-Mika im Moment aber noch nicht. "Anfang des Jahres schaut es immer gut aus", sagt er und erzählt vom pünktlichen Abarbeiten von Bestellungen und gefüllten Lagern. "Im Sommer können die Lieferzeiten wieder länger werden."

So ein Long John, mit E-Antrieb, meine Güte...
Foto: Stefanie Ruep

Apropos Länge: Am begehrtesten sind aktuell die einspurigen Lastenräder mit der Kiste vorne. Long John nennen die Experten diese. Bei ihnen gibt es auch die größte Auswahl. Ich persönlich finde die auch am interessantesten. Da hat man das Ladegut immer im Auge und kommt nicht erst am Ziel drauf, was man unterwegs alles verloren hat.

Aber die mit der Kiste hinten, die Longtails, sind grad im Kommen, sagt Eric. Dreiradler gibt es auch in verschiedenen Variationen: mit starrem Rahmen oder mit Schräglagenfreiheit. Die Auswahl ist also riesig, und es ist für fast jeden etwas dabei. Ja, aber der Preis schreckt mich immer noch ab.

Lastenräder mieten

Was ist, wenn ich die Lastenradidee zwar jetzt ganz gut finde, aber zwei Wochen nach dem Kauf draufkomme, dass das doch nicht so lustig ist, wie ich mir das vorstelle? "Ausborgen", schlägt der Experte vor.

Er selbst wird in Dornbirn demnächst einen Verleih aufmachen. In den größeren Städten gibt es inzwischen ein sehr gutes Angebot. Ja, sogar im Burgenland, sehe ich.

Ich könnte mir eppa eines von drei gratis verfügbaren Lastenrädern in Mattersburg ausleihen. Blöderweise ist Mattersburg 25 Kilometer von mir entfernt – ein ziemlicher Umweg für eine Kiste Bier, den sogar ich mit dem Auto fahren würde, weil die Anbindung mit den Öffis so schlecht ist.

Rücktritt statt Fortschritt, könnte man sagen. So frisch der Lastenradboom ist, so alt und gut ist die Idee, Gegenstände mit dem Rad zu transportieren. Beim Waffenrad halt ohne E-Antrieb.
Foto: Gluschitsch

Und dann fällt mir auf einmal meine Oma ein. Die hatte so einen Handwagen. In den setzte sie meinen Bruder und mich immer rein, wenn sie zum Lagerhaus einkaufen ging. War auf dem Rückweg eine Kiste Bier mit im Wagen, war es entweder eng, oder einer ging mit der Oma zu Fuß. Die gute alte Zeit. Und dann fiel mir mein Opa ein – der vom anderen Zweig des Stammbaums. Der hatte nie ein Auto. Aber er hatte auch so einen Handwagen wie die Oma. Den hatte er allerdings die meiste Zeit an sein Waffenrad gehängt. So fuhr er das ganze Jahr durch den Ort, der Heinerl. Man hörte ihn oft schon von weitem klingeln, wenn er Werkzeug aus Metall im Hänger hatte – was so gut wie immer der Fall war. Und dann! Auf einmal!

Schatzkiste Burgenland

Meine Frau und ich haben, als wir ins Burgenland gezogen sind, ein schon etwas älteres Haus gekauft. In der Garage stand das Waffenrad des Vorbesitzers. Das hab ich schneller hergerichtet gehabt als das Haus. Und ich erinnere mich, dass die Frau Nachbarin damals ebenfalls öfter mit einem Waffenrad und einem uralten Radlanhänger einkaufen war. Inzwischen nehmen wir ihr die sperrigen und schweren Sachen mit dem Auto mit.

Die Kupplung schaut abenteuerlich aus, funktioniert aber fantastisch.
Foto: Gluschitsch

Ich fragte sie, ob sie den Hänger noch habe. "So oft wollte ihn mir irgendwer abkaufen", sagt sie, als sie ihn mir im Schupfn zeigte, "nie hab ich ihn hergegeben." Ich erzählte ihr meine Geschichte und fragte, ob ich ihn mir ausborgen dürfte. Es ist ein solider Hänger aus der Schweiz. Am Ende hat mich mein Lastenrad einen neuen Radlschlauch gekostet – statt mehrerer Tausend Euro. Und den Leuten im Ort kostet mein Auftritt – man hört mich oft von weitem – meist einen lauten Lacher. Sei’s drum. Ich hab eine riesige Freud.

Nur das Bier, das hol ich, wenn es nicht mit dem Auto auf dem Weg liegt, immer noch im Sechsertragerl zu Fuß. Ich hätte Angst um mein Gespann, wenn es minutenlang allein vor dem Supermarkt steht. (Guido Gluschitsch, 21.1.2022)

Foto: Gluschitsch