"Windjammers 2" ist das aktuellste Spiel von Dotemu, "Turtles" und "Metal Slug" sollen in diesem Jahr noch folgen.

Foto: Dotemu

Nostalgie spielt im Gaming eine große Rolle. Jeder Spieler erinnert sich gerne an seine ersten Gehversuche mit Joystick oder Maus und kann stundenlang über den Kauf seiner ersten Konsole oder den Zusammenbau seines ersten PCs philosophieren. Eine Firma, die stark auf diese Gefühle setzt, ist der französische Entwickler Dotemu, der Fortsetzungen zu beliebten Retro-Games bringt und dabei sowohl spielerisch als auch optisch nur feinjustiert.

Speziell die Ankündigung von Shredder’s Revenge, einem geistigen Nachfolger des von vielen Spielern verehrten SNES-Klassikers Turtles in Time, hat im Vorjahr für viel Furore gesorgt. Im Gespräch mit dem CEO Cyrille Imbert versucht der STANDARD ein wenig mehr über die DNA dieses Konzepts zu erfahren, das gekonnt Neues mit Altem vermengt.

Dotemu

Straßen der Wut

im April 2020 erschien mit Streets of Rage 4 eine Fortsetzung zu einer Serie, die 1994 ihren letzten Auftritt hatte. Da es selbst das Genre "seitliches Fortbewegen inklusive Verprügeln zahlreicher Gegner" eigentlich nicht mehr gab, waren die Erwartungen dem Titel gegenüber niedrig. Vielleicht auch deshalb schlug das Spiel sowohl bei Spielern als auch bei Kritikern gleichermaßen positiv auf. Oftmals wird in den Tests betont, dass die Originalformel genommen und leicht verändert wurde, um es moderner zu gestalten, ohne die Idee hinter der Serie zu verraten.

"Man muss jeden Aspekt einer solchen Marke verstehen und diese schätzen, um beim Entwicklungsprozess nicht danebenzuhauen," erzählt Imbert. Spieler würden merken, wenn man nicht mit Leidenschaft bei der Sache ist, denn diese Art von Games würden vor allem Liebhaber konsumieren, die besonders kritisch Neuinterpretationen gegenüber seien. "Hier die Balance zu finden, um das Herz des Originals zu vermitteln und gleichzeitig etwas Neues zu ergänzen, das ist die Kunst."

Aber nicht nur ältere Gamer würden positives Feedback schicken, so Imbert. "Das Weiterreichen von Games-Legenden an neue Generationen ist eine unserer Missionen." Es sei herzerwärmend, wenn junge Spieler sich für den alten Stil begeistern könnten und das dann auf Social Media teilten, sagt Imbert.

Das Office ist typisch nerdig eingerichtet und wird dank Plakaten der eigenen Spiele mit Farben gefüllt.
Foto: Dotemu

Keine NFT-Pläne

Dotemu wurde 2007 von Xavier Liard und Romain Tisserand in Paris gegründet. Nach wenig erfolgreichen Versuchen im Publishing konzentrierte man sich auf die Spielentwicklung. 2015 verließen die zwei Väter der Firma ihr Baby und gründeten ein neues Studio. Davor ernannten sie Imbert noch zum CEO, der seitdem die Geschäfte leitet. Unter ihm wurden ab 2018 unter dem Namen The Arcade Crew auch wieder andere Indie-Games vertrieben. Der Markt hat sich in diesen Jahren stark verändert – vor allem ist er aber gewachsen.

"Das Beste an der Industrie ist derzeit, dass immer mehr Menschen mit den unterschiedlichsten Herkünften und Lebensläufen Spiele entwickeln und auch konsumieren." Diese zunehmende Popularität bringe natürlich auch Nachteile, etwa wenn Firmen Profit vor Qualität oder den Respekt gegenüber den eigenen Teams oder den Spielern setzen würden. Generell sei die Entwicklung aber positiv.

Non-Fungible Tokens würden sich in den Spielen von Dotemu nicht finden. Der aktuelle Trend vieler Publisher und Entwickler, diese neue Form der Monetarisierung aufzugreifen, sei noch ein sehr neues Feld. "Wir beobachten das in Ruhe und schauen, wie sich diese Technologie im Gaming entwickelt", sagt Imbert. Sobald es dem Spieler einen Wert vermittelt, würde man darüber nachdenken. Bis jetzt hätte man mehr negative als positive Beispiele beobachtet.

Im August 2021 wurde Dotemu für knapp 40 Millionen Euro von Focus Entertainment übernommen. Wie sich diese Akquise auf die Firma auswirken werde, könne man noch nicht abschätzen. "Bis jetzt gab es kaum Veränderungen, und wir können derzeit noch immer arbeiten wie ein unabhängiges Studio." Man sei jetzt eben ein Teil einer größeren Familie – "l’union fait la force"! Einigkeit ist Stärke.

Wichtig sei weiterhin, die hohe Qualität bei jedem Projekt beizubehalten, um die aufgebaute Community nicht zu vergraulen. Am Donnerstag erschien mit Windjammers 2 der neueste Streich des Studios. Die Fortsetzung des Originals von 1994 ist eine Pong-Interpretation, die dank buntem Anstrich und flippigen Charakteren laut aktuellen Tests erneut den Geist des Vorgängers einfängt und "abhängig" mache, speziell im Spiel mit Freunden, schreibt etwa "IGN". Im nächsten Schritt plane man erstmals alte Klassiker der 3D-Ära fortzusetzen. Welche, das wollte Imbert nicht verraten.

Nostalgie

Angesprochen auf sein liebstes Spiel aller Zeiten, denkt der Franzose kurz nach und entscheidet sich dann für Dark Age of Camelot. "Das war mein erstes Online-Rollenspiel. Ab diesem Zeitpunkt habe ich verstanden, dass Online-Spiele die Zukunft der Branche sein werden und eine Community alles sein kann." Auch die verschiedenen Streets of Rage-Teile hätte er wirklich viel gespielt. Man merkt, der Entwickler fängt an selbst Nostalgie zu verspüren, als er in einen Monolog verfällt, bei dem der Interviewer in Vergessenheit gerät. Macht nichts. Nostalgie soll für Gamer ja eine große Rolle spielen – und im Idealfall auch für Entwickler. (aam, 22.01.2022)