"Wie geht ein Baum?": Diese Frage von Kindergartenkindern könnte in Zukunft öfter unbeantwortet bleiben. Grundkenntnisse im Zeichnen sind für Pädagoginnen und -pädagogen nicht mehr notwendig.

Foto: Heribert Corn

Männer trauen sich ja einiges zu: Sie jagen die Skipisten runter, züchten ihre Armmuskeln hoch, um unglaubliche Gewichte zu stemmen, oder besetzen selbstbewusst die Vorstandsetagen.

Aber sie haben bisweilen Angst, ganz einfache Dinge zu machen. Zum Beispiel kreativ sein, zeichnen, rhythmisch klatschen oder einen Purzelbaum schlagen. Dieses Männerbild scheint zumindest im Bildungsministerium zu kursieren, wenn man die neue Verordnung für die Aufnahmekriterien in die Kindergärten einer strengen Interpretation unterzieht.

Kindergärten werden vorwiegend von Frauen gemanagt. In der fünfjährigen Elementarpädagogik-Ausbildung liegt der Männeranteil bei nur 6,5 Prozent, im entsprechenden Kolleg bei 8,5 Prozent.

Um dieses Verhältnis zu ändern und diesen wichtigen pädagogischen Berufszweig auch für Männer attraktiver zu machen, streicht das Bildungsministerium jetzt die scheinbar "schwierigen" Aufnahmekriterien.

Körperliche Beweglichkeit

Da die Eingangstests für Männer offenbar zu unattraktiv sind, entfallen künftig Kompetenzüberprüfungen im musischen, sportlichen oder kreativen Teil. Es muss kein Purzelbaum mehr für den Nachweis körperlicher Beweglichkeit, keine Zeichenübung, kein Klatschen nach Rhythmus vorgeführt werden.

So sollen mehr Männer für die Ausbildung gewonnen "und die Diversität gefördert werden", heißt es in dem entsprechenden Verordnungsentwurf des Bildungsministeriums.

Bisher mussten angehende Kindergartenpädagoginnen oder -pädagogen eine bis zu vierstündige Eignungsprüfung bestehen. Geprüft wurden – so steht es in Paragraf 5 der bisherigen Verordnung – die Fähigkeit zum Erfassen und Nachvollziehen von Rhythmen und Melodien sowie die Voraussetzung "für die Erlernung der im Lehrplan vorgesehenen Instrumente", die "Fähigkeit zu schöpferischem Gestalten, der körperlichen Gewandtheit und Belastbarkeit sowie die Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit".

Angehende Pädagoginnen und Pädagogen sollten also lediglich Singen, Flöte oder Gitarre spielen können. Und wenn ein Kind "Wie geht ein Baum?" fragt, sollte zumindest die Grundfähigkeit, eine zeichnerische Abbildung eines solchen anzufertigen, vorhanden sein.

Zeitgemäße Prüfung

Kinder wollen ja auch Bewegung im Spiel, und da sollten die "Onkeln und Tanten" in der Regel schon noch mithalten können. Das alles fällt jetzt beim Eignungstest aber weg. Gefragt wird in Hinkunft vor allem die Kommunikationskompetenz.

"Der Schwerpunkt der Eignungsprüfung soll auf sozialkommunikativen Kompetenzen wie Persönlichkeitsbildung, Reflexion des eigenen Verhaltens oder Verhalten in der Gruppe gelegt werden", heißt es in den Erläuterungen. Im Bildungsministerium wird die Reform der Eignungsprüfung für die Kindergärten verteidigt. Man wolle ein "zeitgemäßes Aufnahmeverfahren", heißt es im Büro von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) im Gespräch mit dem STANDARD.

Niemand wolle mehr "vor einer Kommission klatschen müssen". Weder Männer noch Frauen. Dass die Abänderung der Verordnung nur für Männer abgestimmt sei, stimme so nicht, aber ja: Es sei notwendig, endlich mehr Männer in die Kindergärten zu bringen und die Arbeit mit den Kindern attraktiver zu machen, heißt es im Büro von Minister Polaschek.

Viktoria Miffek, Geschäftsführerin von Educare, einem Verein zur Förderung der Elementarbildung, will die Verordnungsänderung nicht groß kommentieren, weist aber darauf hin, dass es immer darum gehen müsse, "die Bedürfnisse der Kinder wahrzunehmen". Miffek: "Vor allem die Kreativität eignet sich, um mit den Kindern eine Beziehung aufzubauen." Und das gelte unabhängig vom Geschlecht. (Walter Müller, 21.1.2022)