Die Kostümbildnerin Tina Prichenfried wohnt und arbeitet in ihrem Atelier mit angeschlossenem Wohnraum in Wien-Mariahilf. Hier umgibt sie sich mit Fundstücken und einem meterhohen Leseturm.

"Ohne zu wissen, wohin mit mir, habe ich 1999 meine damalige Wohnung gekündigt. Das war aus einer Laune heraus. Es war Zeit für Veränderung. Bei einer beruflichen Besprechung hab ich von diesem Atelier mit Wohnmöglichkeit im Erdgeschoß eines Gründerzeithauses erfahren. Ich bin reingekommen und wusste es. Es war ein Gefühl.

Tina Prichenfried in ihrem privaten Rückzugsraum, der vom halböffentlichen Bereich getrennt ist.
Foto: Lisi Specht

Ich hab gleich genau gesehen, wie es ausschauen wird. Es war ja einiges zu tun hier. Teilweise haben Fensterflügel gefehlt. Es war noch eine Wand eingezogen, und die Räume waren nicht so offen wie jetzt. Einer der Räume wurde als Lager genutzt, da war eine durchgängige Zwischendecke eingezogen. Das habe ich verändert. Die Raumhöhe liegt bei 4,7 Metern, und ich mag den Raum über mir sehr. Dadurch gewinnen die Räume an Größe, die sie durch ihre Grundfläche nicht haben. Sie sind nur 14 oder 15 Quadratmeter groß, wirken aber großzügiger. Insgesamt stehen mir hier 80 Quadratmeter zur Verfügung.

Den vorderen, der Straße zugewandten Bereich nutze ich als Atelier und Geschäftsraum. Es ist ein halböffentlicher Raum, den man von der Gasse aus betreten kann. Das war gewöhnungsbedürftig, weil man von draußen alles hört. Und im Umkehrschluss hört man mich wohl auch draußen. Aber wenn ich Zeit habe, freu ich mich immer, wenn jemand vorbeikommt und anklopft. Die Leute erwarten ja nicht, dass hier jemand wohnt. Manche glauben, hier ist ein Lokal. Andere sehen die Kunst in der Auslage und fragen nach.

Dieser halböffentliche Bereich erstreckt sich bei mir bis zur Küche. Dahinter kommt ein angeschlossener Wohnbereich – das ist natürlich auch im Mietvertrag so geregelt. Ich vermute, dass der Wohnbereich früher die Hausmeisterwohnung war, die irgendwann vor meiner Zeit mit zwei Geschäftslokalen an der Straße zusammengelegt wurde. Wohnen und Arbeiten verschwimmen so natürlich total. Aber meine Arbeit ist meine Leidenschaft, daher gibt es keinen Grund, das trennen zu wollen.

Das Münztelefon funktioniert tatsächlich – auch ohne Schilling.
Fotos: Lisi Specht

Die meisten meiner Möbel sind Fundstücke oder Dinge, die mich seit 30 Jahren begleiten. Herzstück ist mein Ess-, Besprechungs- und Arbeitstisch, der früher in einer Bank gestanden ist. Den Tischler, der ihn in den 1960er-Jahren gemacht hat, kannte ich noch persönlich. Rund um den Esstisch stehen unterschiedliche Sessel. Einer stammt angeblich aus den Sofiensälen, bevor es dort gebrannt hat. Dann hab ich noch einen Kasten, der schon mit meiner Oma von Wien ins Waldviertel übersiedelt ist – und mit mir wieder zurück nach Wien. Ein Stück, das mir viel wert ist, ist ein alter Friseursessel mit eingebauter Mechanik, mit der man den Sitzpolster umdrehen kann. Er stammt aus einem Theaterfundus.

Wenn’s brennt, würde ich am liebsten alles raustragen. Das sind alles Dinge, die den Weg zu mir gefunden haben und die mir wichtig sind. Ich umgebe mich auch gern mit Kunst. Ich bin selbst Malerin, manche Bilder habe ich gekauft, manches stammt von befreundeten Künstlerinnen und Künstlern.

Der Ess-, Besprechungs- und Arbeitstisch ist das Herzstück von Tina Prichenfrieds Wohn- und Arbeitsstätte. HIer umgibt sie sich auch gerne mit Kunst – vieles stammt von ihr selbst.
Fotos: Lisi Specht

Ich habe keinen Wohntraum. Ich fühle mich genau so wohl, wie es hier ist. Vor allem in Zeiten des Klimawandels – hier wird es nämlich nie heiß. Den Traum von einer Dachgeschoßwohnung verstehe ich überhaupt nicht. Da braucht man im Sommer eine Klimaanlage, die die Stadt noch mehr aufheizt. Hier trage ich sogar im August Pullover. Ich habe zu Hause auch immer meine Schuhe an. Das hat aber auch damit zu tun, dass das eben keine richtige Wohnung ist. Darum gibt es auch keine Couch und keinen Fernseher bei mir. Aber das stört mich nicht – im Gegenteil. Ein Nachteil ist dafür, dass es hier nie besonders hell wird. Im Atelier verwende ich daher Tageslichtlampen.

Hier verändert sich nicht mehr viel. Aktuell bin ich aber am Überlegen, ob ich mich von einigen Büchern trennen oder neue Bücherregale kaufen soll. Im Museumsquartier war ein Leseturm geplant, der nicht realisiert wurde. Damals habe ich beschlossen, mir meinen eigenen Leseturm bis unter die Decke zu bauen. Zu den oberen Regalreihen komme ich nur mit der Leiter. Darum stehen da oben Bücher, die ich nicht ganz so oft zur Hand nehme. Ganz oben stehen die gesammelten Werke von Goethe und Shakespeare." (24.1.2022)