Vom Hauptplatz ...

Foto: Violetta Wakolbinger

... durch die Altstadt ...

Foto: Violetta Wakolbinger

... auf den Schlossberg: Von oben sieht Linz an sonnigen Tagen wie die eigene fröhliche Miniaturversion aus.

Foto: Violetta Wakolbinger

Der STANDARD feiert seine zehntausendste Ausgabe. Aus diesem Anlass beschäftigen wir uns mit der Zahl Zehntausend.

Linz ist eine Chiffre. Linz an der Donau, Industriestadt, Lieblingsstadt des Führers, Stadt der Pendler und der KMUs, Linz mit seinem neuen Musiktheater, entstanden erst nach sehr viel Krach. Rätselhaft scheint Linz von außen, dabei ist Linz von Wien gerade einmal 74 Zugminuten entfernt. Am augenscheinlichsten werden die Widersprüche dieser Stadt, wenn man auf den Schlossberg klettert.

Wir beginnen diesen Weg auf der Landstraße, biegen links ab in die hübsche Bischofstraße. Hier liegt der Hintereingang zu Linzens schönstem Gastgarten, jetzt winterlich still, hinter hohen Mauern liegt der Bischofshof. Micha Shagrirs Dokumentarfilm Bischofstraße erzählt von den Gleichzeitigkeiten dieser Straße, hier wurde Shagrir 1937 geboren, in die Familie des Präsidenten der jüdischen Kultusgemeinde, wenige Häuser weiter wohnte bis 1933 Adolf Eichmann, einer der späteren Hauptorganisatoren des Holocaust.

"Leut' schauen" wie in Italien

Hier gibt es teure Antiquitäten und Altertümer zum kleinen Preis bei der sympathischen Arge Trödlerladen. Im wunderbaren Hauseingang mit Holzstöckelpflaster liegt versteckt die Kunststopferei Leitner, wichtige Verbündete im Kampf gegen hungrige Motten. Und am Ende der Bischofstraße grinst man noch jedes Mal über den Geigenbauer namens Übelhör. Wir biegen nach rechts ab in die noble Herrenstraße, widerstehen den Versuchungen der Konditorei Jindrak und den herrlichen Nutzlosigkeiten des Domizil, schauen in die Galerien und biegen nicht in die schöne Spittelwiese ab, zur Parfümerie Aschauer, beispielsweise.

Neben der Landstraße ist die Herrenstraße wohl jene, in der so richtig flaniert wird. Hier sitzt man auch winters eingehüllt in Decken an der Straßenseite, beschäftigt mit "Leut’ schauen" wie sonst nur in Italien. Bevor die Herrenstraße nobel war, hieß sie einmal Saugasse – später dann auch Rosenstraße, die Zeiten ändern sich. Rosen gibt es hier allerdings immer noch.

Keuchend über die verwunschene Schlossbergstiege

Wir gehen dem Verlauf der Herrenstraße folgend durch das Landhaus durch, forschen Schrittes über den Glockenring der Pummerin, Erinnerung daran, dass die größte Glocke des Stephansdoms in Oberösterreich gegossen wurde. Weiter geht es durch die Altstadt, die an sehr sonnigen Tagen wie ihre eigene Miniaturversion in der Linzer Grottenbahn am Pöstlingberg aussieht. Weiter geht es über den Tummelplatz bergauf – keuchend über Fritz Fantas verwunschene Schlossbergstiege.

Der Blick vom neuen Trakt des Schlosses über die Stadt ist atemberaubend – und von hier aus kann sich Linz nicht verstecken. Im Hintergrund wolkt die Industrie von Chemiepark Linz bis Voestalpine (in Linz leuchtet wegen des Abstichs immer noch nächstens der Himmel), hier ragt der neue "Terminal Tower", der das Finanzamt beherbergt und selbst in einen Provisionsskandal verwickelt war, in die Höhe. Man sieht, dass es in dieser Stadt neben dem prächtigen Linzer Dom (ja, er musste niedriger als der Stephansdom werden) viele Kirchen gibt – und ein überhöhtes Interesse an Hochhauswohnungen, die sich neuerdings nur mehr sehr wohlhabende Menschen leisten können.

Beide Teile der Stadt

Auf der Schmalseite des Schlosses hört man beide Teile der Stadt, die Geräusche von Urfahr auf der anderen Donauseite, verbunden durch das Rattern der Straßenbahn auf der Brücke mit dem Tönen der Landeshauptstadt. Man blickt hinein ins Mühlviertel und auf den unsortierten Linzer Wohnbau diverser Jahrzehnte, auf die ungerührt an allem vorbeifließende Donau, über ihr die Nibelungenbrücke, errichtet von den Nazis wie ebenso die "Brückenkopfgebäude", die heute die Kunstuniversität Linz beherbergen, weil hier wie anderswo nur der Kunst zugetraut wird, so ein bauliches Erbe zu derheben. Im Hintergrund schlägt die hell leuchtende neue Eisenbahnbrücke ihre Bögen.

Das Brucknerhaus, erbaut von Kaija und Heikki Sirén, schmiegt sich an die Donaulände, lässt die Donau hereinschauen und blickt auf sie zurück, das Lentos wiederum beäugt das gegenüberliegende Ars Electronica Center, neben dem, wie auf allen Linz-Postkarten der letzten zehn Dekaden zu sehen ist, das Dampfschiff Schönbrunn liegt, schwimmender Fixpunkt eines Jahrhunderts.

Durch das Schloss einmal längs durch geht es treppab über die geschwungene Hofgasse zurück in die Stadt auf den Hauptplatz – wir sind wieder in der Stadt angekommen, aber sie kann uns nichts mehr vormachen. (Julia Pühringer, 24.1.2022)

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