Pink für Nein, Weiß für Ja: So lief die Abstimmung für oder gegen die Impfpflicht ab.

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Das Ergebnis war eindeutig: Von 170 Abgeordneten stimmten am Donnerstagabend 137 für die Impfpflicht. Damit geht das Gesetz mit einer breiten Mehrheit durch – das war erwartbar. Und doch gab es einige Überraschungen, als die Abgeordneten mit pinken oder weißen Zetteln zur Urne schritten. Wer hat sich da wie entschieden? Und vor allem: Warum?

Zuerst zum Erwartbaren: Die FPÖ stimmte gesammelt gegen die Impfpflicht. Zumindest jene Abgeordneten, die anwesend waren. Bekanntlich gibt es im Parlament eine mehr oder minder elegante Lösung, wenn man eine Entscheidung nicht treffen will, oder wenn die Entscheidung, die man trifft, unliebsam ist: Man taucht einfach nicht auf. Bei den beiden FPÖ-Abgeordneten, die am Donnerstag in der entscheidenden Sitzung fehlten, ist davon aber nicht auszugehen: Dagmar Belakowitsch ist eine der lautesten Kritikerinnen jeglicher Maßnahmen, auch der ebenfalls abwesende Volker Reifenberger ist nicht gerade als Impfbefürworter bekannt.

Haus Strache uneins

Für Überraschung sorgte aber Philippa Strache, die einst für die FPÖ kandidierte, aber nach einem Parteiausschluss als Fraktionslose in den Nationalrat einzog: Sie sprach in ihrer Rede zwar von einem "fehlerhaften Gesetz", stimmte aber dann doch für die Impfpflicht. Im Gespräch mit dem Boulevardblatt "Heute" erklärte sie das so: "Ich denke, diese Maßnahme wird nicht halten. Und daher habe ich mich trotz der kritischen Rede entschieden, mit Ja zu stimmen", außerdem wolle sie "keine Ängste nähren".

Nun treffen Ehepartner freilich voneinander unabhängige Entscheidungen, doch anzumerken ist an dieser Stelle, dass Philippa Straches Mann, Heinz-Christian Strache, oft gesehener Gast bei den teils rechtsextremen Corona-Demos ist. Ein Strache-interner Streitpunkt? Wobei: Dem Vernehmen nach leben die Straches in Trennung. Er sehe das nun einmal anders, sagt jedenfalls Heinz-Christian Strache, sie habe eine eigene Meinung. Und: "Die Spaltung geht durch die Familien!", schreibt Strache auf STANDARD-Anfrage. Er hoffe, dass der Verfassungsgerichtshof die Impfpflicht aufheben werde.

Neos erwartbar gemischt

Auch bei den Neos kam es zu einer durchaus überraschenden Stimmabgabe: Die pinke Abgeordnete Stefanie Krisper warf einen pinken Stimmzettel in die Urne und stimmte damit gegen die Impfpflicht – dabei war es Parteichefin Beate Meinl-Reisinger, die gemeinsam mit der Regierung im November die Maßnahme verkündete. Nun gibt es im österreichischen Nationalrat offiziell ohnehin keinen Klubzwang, die Neos sind allerdings jene Partei, die das auch real am ehesten praktizieren.

Damit ist es nicht verwunderlich, dass es weitere pinke Abweichler gab. Allen voran Gerald Loacker, der das in der Debatte unter anderem damit begründete: "Dann sind in diesem Gesetz in 20 Paragrafen sieben Verordnungsermächtigungen vorgesehen, fünf davon für den Gesundheitsminister. Wir haben in den letzten zwei Jahren davon reichlich erlebt, das kann ich nicht weiter unterstützen." Zwei weitere Neos-Abgeordnete stimmten ebenfalls gegen das neue Gesetz: Fiona Fiedler und Johannes Margreiter. Zweiterer begründete schon vor der Parlamentssitzung sein Vorgehen damit, dass durch die Impfpflicht eine versteckte Ausweispflicht eingeführt werde.

Krisper erklärt ihr Stimmverhalten in einem an den STANDARD übermittelten Statement so: "Für das Ziel einer höheren Durchimpfungsrate wird die Impfpflicht aus meiner Sicht nur einen bescheidenen Beitrag leisten. Dieser niedrige Nutzen steht für mich persönlich nicht in Verhältnis zum Eingriff in die Rechte des Einzelnen durch eine Impfpflicht." Die Regierung habe es verabsäumt, die Durchimpfungsrate mit einer Kampagne zu heben, die Neos hätten in diesem Bereich "dutzende Vorschläge" gemacht.

SPÖ mit Daheimbleibern

Robert Laimer, Max Lercher, Rudolf Silvan und Petra Vorderwinkler waren jene SPÖ-Abgeordnete, die bei der Sitzung am Donnerstag fehlten – die beiden Erstgenannten, so heißt es aus der SPÖ, weil sie momentan mit Corona infiziert seien. Silvan und Vorderwinkler hingegen galten schon vorab als Impfpflicht-skeptisch.

Von jenen SPÖlerinnen und SPÖlern, die anwesend waren, war es nur ein Einziger, der gegen die Impfpflicht und damit gegen die Parteilinie stimmte: Josef Muchitsch. Im Parlament erklärte er seine Meinung nicht, später allerdings auf seiner Website seine Beweggründe: "Meine Bedenken und Zweifel zu diesem Gesetz bei der Zuverlässigkeit, der Durchführbarkeit, der Rechtmäßigkeit, der Sinnhaftigkeit und der Zeitpunkt haben mich zu meinem Entschluss bewogen, nicht zuzustimmen", schreibt er da und bedankt sich beim Verständnis der Genossen und Genossinnen. Und: Er selbst sei dreimal geimpft und von der Wirkung der Impfung überzeugt.

Eine deklarierte Abweichlerin in der Regierung

Was ÖVP und Grüne angeht, so fiel die Stimmabgabe einhellig aus: Keine der anwesenden Personen war gegen die Impfpflicht. Allerdings fehlten einige Grüne und Türkise/Schwarze. Bei den allermeisten, so wird innerhalb der Parteien versichert, seien es Krankheitsgründe, die dem zugrunde liegen, doch die grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic ließ schon vorab ausrichten, dass sie gegen die Maßnahme sei und deshalb nicht komme. Dem Vernehmen nach waren dafür Grundrechtsbedenken ausschlaggebend.

Nachgesagt werden diese Beweggründe auch der ÖVPlerin Gudrun Kugler, schon zuvor hieß es in Parlamentskreisen, sie sei da recht skeptisch. Daran, dass sie nicht da war, stört sich nun die FPÖ: "Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ÖVP-Abgeordnete Kugler zu ihrer Überzeugung steht", wird der Klubobmann der Wiener FPÖ, Maximilian Krauss, in einer Aussendung zitiert. Weder Kugler noch Ernst-Dziedzic waren bislang für den STANDARD erreichbar. (Sebastian Fellner, Gabriele Scherndl, Fabian Schmid, 21.1.2022)