Ein bisschen moderner als das im Jahr 2014 vorgestellte "Cardboard" wird die neue AR/VR-Brille wahrscheinlich schon werden. Allerdings wird sie wohl auch erheblich mehr kosten.

Foto: Google

Googles Verhältnis zu den Themen Augmented und Virtual Reality lässt sich aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Einerseits gehört das Unternehmen fraglos zu den Pionieren in diesem Bereich: Mit Google Glass brachte man schon vor Jahren seine erste AR-Brille auf den Markt, mit Cardboard – und folgend Daydream – demonstrierte man, wie kostengünstig der Einstieg in den Bereich Virtual Reality sein kann. Andererseits ist aber auch unleugbar: Google ist mit beiden Unterfangen brutal gescheitert, gerade Glass hat dem Unternehmen zudem viel öffentliche Kritik eingebracht.

Project Iris

Einige Jahre später lässt Google nun zwar lieber anderen den Vortritt, das heißt aber nicht, dass man den nächsten Anlauf zur Durchsetzung dieser Technologien verpassen will. Unter dem Namen Project Iris arbeitet Google derzeit an einer eigenen AR/VR-Brille. Das berichtet "The Verge" mit Verweis auf zwei mit dem Projekt vertraute Personen.

Der Aufbau klingt dabei sehr ähnlich wie das, was von den aktuellen Plänen von Apple und Meta bekannt ist. Es soll sich dabei also um eine vollständige VR-Brille handeln, die außen zahlreiche Kameras hat, um dann den Videofeed mit Computergrafik anzureichern und so den "Mixed Reality"-Eindruck zu erzeugen. Aktuelle Prototypen sollen dabei ähnlich wie Skibrillen aussehen, heißt es – der finale Look dürfte sich davon aber wohl deutlich abheben, soll das Ganze doch noch in einer frühen Entwicklungsphase stecken.

Autonom

Das Gerät soll dabei unabhängig von einem Computer funktionieren, die nötige Rechenkraft von einem von Google selbst entwickelten Prozessor geliefert werden – ähnlich wie er schon in den aktuellen Pixel-Smartphones zum Einsatz kommt. Die aktuellen Prototypen sollen dabei mit Android laufen, aktuelle Jobausschreibungen des Unternehmens weisen aber auf die Entwicklung eines eigenen Betriebssystems für diesen Einsatzbereich hin. Generell sollte Google auch ausreichend Know-how in diesem Bereich haben. Mit Android, Chrome OS und Fuchsia entwickelt die Firma derzeit drei Betriebssysteme, bei denen man sich bedienen könnte.

Interessant ist auch, wer das Team für die Betriebssystementwicklung im Bereich Augmented Reality anführt: Marc Lucovsky war nicht nur einer der Co-Autoren von Windows NT, er war zuletzt bei Meta angestellt, wo er passenderweise an der Entwicklung einer eigenen VR-Plattform arbeitete, die dort Android hätte ersetzen sollen – wogegen sich Meta zuletzt aber entschieden hat.

Die Grundlagen sind da

Auch sonst muss Google auf der Softwareseite nicht bei null beginnen. Immerhin hat man für Android bereits ein Augmented-Reality-Framework namens ARCore, das seit einigen Jahren stetig ausgebaut wird. Dieses war wiederum aus den Erfahrungen des Daydream-Projekts hervorgegangen. Die Leitung des Project Iris hat Clay Bavor inne, der schon in früheren Jahren für die Cardboard/Daydream-Entwicklung zuständig war, entsprechend also einschlägiges Know-how mitbringt. Parallel dazu ist Bavor übrigens auch noch für ein anderes Projekt verantwortlich, das vor einigen Monaten für einiges Aufsehen sorgte. Im Rahmen des Project Starline hat Google eine Art hyperrealistischen Videochat in 3D entwickelt.

Zeitplan

Eine erste Ausgabe der AR/VR-Brille wird laut dem Bericht für 2024 erwartet. Dieser Zeitrahmen wirft natürlich die Frage auf, ob man damit nicht schon zu spät am Markt wäre, immerhin soll Apple nach aktuellen Berichten spätesten kommendes Jahr das erste Consumer-Produkt in diesem Bereich veröffentlichen. Vor allem aber hat man nun nicht nur Apple als Konkurrenten, sondern eben auch Meta, wo dieses Thema schon seit einigen Jahren forciert wird. Der Gegenwind für Google könnte also noch mal deutlich stärker sein, als es etwa einst am Smartphone-Markt der Fall war. Google-Chef Sundar Pichai hatte allerdings schon vor einigen Monaten angekündigt, dass man viel in den Bereich Augmented Reality investieren werde.

Was Google jetzt hilft, ist, dass man die AR/VR-Entwicklung nie so richtig aufgegeben hat. So betonte Bavor etwa in einem Interview im Jahr 2019, dass man in einer Forschungsphase sei, also hinter verschlossen Türen an den Grundsteinen für die Technologie arbeite. 2020 hat Google dann die Firma North übernommen, die zuvor an smarten Brillen gearbeitet hat. Und selbst Google Glass gibt es noch immer – auch wenn der Fokus derzeit auf dem Unternehmenseinsatz liegt. (apo, 21.1.2022)