Der Spruch hat längst Staub angelegt. Und er hat Karl Lagerfeld nicht erst seit Corona überlebt. "Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", ging dem deutschen Designer in Markus Lanz' Talkshow über die Lippen, während er an einem Kelch Cola light nippte. Das war vor einem Jahrzehnt, und es waren damals vergleichsweise unbeschwerte Zeiten. Es gab keine Masken, keine Gurgeltests und keine Quarantäne.

Für einen vom Schlage Lagerfelds galt die Jogginghose noch als Uniform der undisziplinierten Couchpotatos. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Baumwollhosen waren und sind die Arbeitsuniform der Privilegierten im Homeoffice. Auch wenn sie während der Videokonferenzen unter dem Arbeitstisch meist unsichtbar bleibt: Sie gehört seit zwei Jahren ganz klar zu den systemerhaltenden Kleidungsstücken. Diese neue Rolle gilt es am "Internationaler Tag der Jogginghose" (der 2010 in Österreich erfunden wurde) unbedingt zu würdigen.

Trainingsanzug aus der Kooperation von H&M mit dem Skater-Label No Fear.
Foto: H&M

Dass sich die Jogginghose schon vor Corona modisch bewiesen hat, ist absurderweise auch Chanel-Designer Karl Lagerfeld zu verdanken. Seinen vielzitierten Sager hat er nämlich ziemlich schnell wieder vergessen. 2014 trug das britische Model Cara Delevingne auf dem Laufsteg des französischen Modehauses bereits Trainingshosen.

Athleisure nennt sich dieser Trend, der noch immer anhält: Sportliche Kleidungsstücke werden nicht mehr nur im Fußballtraining oder während der Joggingrunde, dafür so ziemlich überall getragen. Dafür verantwortlich sind nicht zuletzt Streetwear-Designer wie der unlängst verstorbene Virgil Abloh. Sie haben bei den Luxusmodehäusern endgültig die Bequemlichkeit einziehen lassen.

Influencerin Lois Opoku macht's vor, wie die Jogginghose auf der Straße funktionieren kann.

Wer bislang die Jogginghose verschämt im Homeoffice getragen hat, darf sich nach zwei Jahren Pandemie lockermachen: Der erste Gang zum Supermarkt mag eine Überwindung sein, danach tut's gar nicht mehr weh! (feld, 21.1.2022)