Das Logo der ORF-Impflotterie Ende 2021 auf werimpftgewinnt.at.

Foto: Screenshot ORF Werimpftgewinnt

Wien – Der renommierte Rundfunkrechtler Hans Peter Lehofer äußert auf Anfrage des STANDARD Bedenken, den ORF die Impflotterie der Bundesregierung abwickeln zu lassen und dafür das ORF-Gesetz in diesem Punkt zu ändern. Er spricht von einem "gefährlichen Signal" und dem möglichen Eindruck, der ORF wäre hier ein "Hilfs- oder Verlautbarungsorgan der Bundesregierung".

Laut dem parlamentarischen Entschließungsantrag "Erhöhung der Impfquote durch positive Impfanreize" soll die Regierung "an den ORF herantreten und ersuchen, eine Impfgutscheinlotterie mit wiederholten Lostagen – möglichst in Kooperation mit anderen Medienpartnern – zu organisieren."

"Ersuchen kann jeder jeden", kommentiert Lehofer das Vorhaben auf Anfrage des STANDARD – "die Frage ist, ob der ORF einem solchen Ersuchen nachkommen müsste oder dürfte."

"Lotterien auf Regierungswunsch gehört nicht zu gesetzlichen Aufgaben"

Der Experte für öffentliches Recht: "Den ORF trifft nur die Verpflichtung, Bundes- und Landesbehörden für 'Aufrufe in Krisen- und Katastrophenfällen und andere wichtige Meldungen an die Allgemeinheit' Sendezeit zur Verfügung zu stellen. Darum geht es hier aber jedenfalls nicht."

Im Übrigen gelte: "Der ORF hat seine im ORF-G festgelegten Aufgaben zu erfüllen. Auf Wunsch der Bundesregierung Lotterien zu organisieren gehört nicht dazu."

"Gefährliches Signal"

Überlegungen, für die Organisation einer Impflotterie punktuell das ORF-Gesetz zu ändern, während lange anstehende Änderungen bisher nicht in Angriff genommen wurden, "würde ich für ein ziemlich gefährliches Signal halten", erklärt Lehofer auf Anfrage.

Denn: "Dann könnte der Eindruck entstehen, der ORF wäre so etwas wie ein Hilfs- oder Verlautbarungsorgan der Bundesregierung, und gerade das darf ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht sein. Denn was würde sich die Bundesregierung als Nächstes wünschen – vielleicht Sendezeit für ungefilterte 'Information' über die größte und beste Steuerreform aller Zeiten, so ganz ohne lästige journalistische Einordnung?", denkt Lehofer das Vorhaben weiter. Lehofer ist Honorarprofessor für öffentliches Recht an der Wiener Wirtschaftsuniversität, er war erster Leiter der Medienbehörde KommAustria und ist Richter am Verwaltungsgerichtshof.

ORF: "Unabhängigkeit muss gewahrt bleiben"

Der ORF hat am Freitag auf Bedenken reagiert, dass der öffentlich-rechtliche Medienriese laut Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die staatliche Impflotterie abwickeln soll. Den ORF verpflichtet ein Verfassungsgesetz zur Unabhängigkeit.

Der ORF "nimmt das von der Bundesregierung und der SPÖ angekündigte Vorhaben einer Impflotterie und das damit verbundene Ersuchen um Mitwirkung des ORF zur Kenntnis. Kommende Woche findet ein erstes Gespräch dazu statt", heißt es in der Stellungnahme. Der STANDARD hat über den Termin bereits berichtet.

Der ORF werde "die entsprechenden rechtlichen Grundlagen für eine allfällige Unterstützung prüfen und über eine Mitwirkung entscheiden. Das Ausmaß einer allfälligen Mitwirkung des ORF ist von den gesetzlichen Möglichkeiten und den entsprechenden Ressourcen abhängig. Die Unabhängigkeit des ORF muss jedenfalls in vollem Umfang gewahrt sein."

Wunschpartner ORF

Das Ö1-"Mittagsjournal" berichtete über Bedenken wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Unabhängigkeit und damit auch Staatsferne des ORF. SPÖ und Grüne hätten zunächst die Abwicklung durch den ORF dezidiert zum Entschließungsantrag erwähnt haben wollen. Nun ist die Rede davon, an den ORF in der Sache heranzutreten und eine Durchführung möglichst in Kooperation mit anderen Medienpartnern umzusetzen.

Neos: "ORF ist kein Hilfsorgan der Bundesregierung"

Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter reagierte auf Lehofers Warnung: "Der ORF kann gerne Einbauküchen und Saunen in seiner eigenen Impflotterie verlosen. Das darf aber nicht dazu führen, dass die Regierung ihn ganz selbstverständlich dafür einspannt, das Verlosen von Millionen an Steuergeld abzuwickeln." Brandstötter betont: "Der ORF ist kein Hilfsorgan der Bundesregierung!" (fid, 21.1.2022)