Platz 1: "Meta Citizen" von 3893. Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer" blickt in die digitale Zukunft – und sucht nach Klarheit.
Foto: Michele di Modugno / Elisabeth Prantner

So ganz habe sie diese Sache mit den NFTs noch nicht verstanden, gibt Elisabeth Prantner zu. Ein Kunstwerk, das nur im Internet existiert? Das sei nach wie vor ein wenig eigenartig für sie. Ausprobieren wollte sie es trotzdem. Gemeinsam mit ihrem 28-jährigen Enkel Michele di Modugno, der als freier Grafikdesigner in Wien arbeitet, hat die 1938 geborene Künstlerin das digitale Kunstwerk Meta Citizen erstellt, das die Titelseite dieser Jubiläumsausgabe ziert. Kunst auf dem Cover hat in der Geschichte des STANDARD Tradition: Anlässlich des 20-jährigen Bestehens gestaltete 2008 der Maler Christian Ludwig Attersee die Titelseite.

Für die 10.000. Ausgabe wird nun erstmals ein digitales Bild abgedruckt, das außerdem parallel auch als NFT (Non-Fungible Token) veröffentlicht wird. Meta Citizen bringt die Zugänge von Enkel und Großmutter zusammen: Elisabeth war für den analogen Teil zuständig, Michele für den digitalen.

Kunstduo 3893: Michele di Modugno und seine Großmutter Elisabeth Prantner.
Foto: Regine Hendrich

Wanderer auf Codes

Dass es mit Non-Fungible Token nun auch technisch möglich ist, digitale Kunstwerke als nicht ersetzbare und einzigartige Objekte zu schützen, fasziniert Michele. Elisabeth konnte er von der Idee überzeugen, ihre beiden Stile zu vereinen. Unter ihrem Künstlernamen 3893 – einer Zusammenführung ihrer Geburtsjahre 1938 und 1993 – planen sie schon länger ein NFT-Projekt.

"Es ist Aufgabe der Jugend, etwas Neues zu entwickeln", sagt Prantner, die keramische Plastik an der Universität für angewandte Kunst studierte. Auch wenn sie ihn nicht ganz verstehe: Der Hype sei spannend, sie wolle es unbedingt ausprobieren.

Platz 2: "TheCityAsAHouse" von Rebecca Merlic.
Foto: Rebecca Merlic

Deshalb nahmen di Modugno und Prantner am Open Call des STANDARD in Kooperation mit den Kunstplattformen ArtCare, ARTcube21 und Tokapi teil. Wie auch über 50 andere Künstler und Künstlerinnen aus aller Welt – in Summe wurden mehr als 100 Werke eingereicht. Daraus erstellten der Herausgeber des STANDARD, Oscar Bronner, Chefredakteur Martin Kotynek, Kurator und Kunsthistoriker Günther Oberhollenzer sowie NFT-Spezialist Daniel Lenikus zunächst eine Shortlist von fünf Arbeiten – aus der schließlich Meta Citizen von 3893 als Covermotiv ausgewählt wurde.

Platz 3: "10.000 flights" von Adam Tubak.
Foto: Adam Tubak

Besonders gelungen fand die Jury, dass ein kunsthistorisch bedeutsames Werk mit dem jüngsten Hype der Szene vereint wurde: "Meta Citizen lässt den vielzitierten Wanderer über dem Nebelmeer von Caspar David Friedrich aus dem Jahr 1818 in eine ungewisse digitale Zukunft blicken. Die malerische Illusion einer Berglandschaft ist einer virtuellen aus Binärcode-Regen und Rasterteppich gewichen, die die nur noch fragmentarisch sichtbaren, analogen Zeitungsseiten zu verdrängen scheinen", begründet Kurator Oberhollenzer die Wahl.

Platz 4: "Verteilerkreis" von Stephan Kuethe.
DER STANDARD

Vom Papier auf die Blockchain

Elisabeth Prantner zeichnete dafür zunächst einen Bleistiftentwurf auf Papier, Michele di Modugno bearbeitete das Bild anschließend mit Photoshop. "Der Wanderer soll wie wir Menschen auf das Unbekannte blicken und Klarheit suchen", sagt Prantner. Am Horizont des digitalen Ozeans sind Ausschnitte der Printausgabe des STANDARD zu erkennen. "Für uns dienen sie als Kompass zur Meinungsbildung. Zwischen Fake News und Fakten sucht der Wanderer nach Antworten in dieser digitalen Welt", sagt Michele di Modugno.

Der Schriftzug "10.000 minted" bezieht sich auf das Erstellen eines NFT auf der Blockchain – der Datenbank, auf der das Zertifikat registriert wird. Dazu ist es eine Anspielung auf die 10.000 bereits erschienenen Ausgaben des STANDARD.

Platz 5: "The Anonymous Reporter" von Nonthaporn Ketmanee.
Foto: Nonthaporn Ketmanee

Das Gewinnerbild wird gemeinsam mit den ersten vier Kunstwerken der Shortlist sowohl analog als auch als NFT bei einer Online-Auktion auf Art Care versteigert (siehe unten). Darunter sind Werke von Rebecca Merlic, Stephan Kuethe, Adam Tubak und Nonthaporn Ketmanee.

Der Erlös der Auktion kommt Studierenden der Akademie der bildenden Künste Wien zugute. Mit finanzieller Unterstützung, Beratung und Empowerment sollen ihnen in Notsituationen Perspektiven geboten werden. (Katharina Rustler, 21.1.2022)