Unternehmen wollen mit sanften Anreizen die Impfquote erhöhen. Auch der Staat setzt künftig neben der Impfpflicht auf eine Impflotterie.

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Thomas Wimmer, Personalchef bei Altstoff Recycling Austria (ARA), wirkt gelassen und auch ein bisschen stolz. Als im Herbst letzten Jahres die Deltawelle auf Österreich zurollte, richtete das Unternehmen ein Schreiben an die Mitarbeiter: Wer sich impfen lässt, bekommt Kantinengutscheine in der Höhe von 100 Euro. Erfüllt die Belegschaft gemeinsam eine Impfquote von über 90 Prozent, gibt es einen zusätzlichen Bonus von 200 Euro. Mitte November erreichte die ARA ihr Ziel – und hat es mittlerweile deutlich übertroffen. Heute liegt die Impfquote im Betrieb bei rund 94 Prozent, erzählt Wimmer.

Ab Anfang Februar wird Impfen zur Pflicht, am Arbeitsplatz gilt aber weiterhin die 3G-Regel. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Eine generelle Impfpflicht am Arbeitsplatz käme einem Beschäftigungsverbot für Ungeimpfte gleich. Bloße Verwaltungsstrafen, wie im Impfpflichtgesetz vorgesehen, sind im Vergleich dazu das gelindere Mittel. Um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich zum Impfen zu bewegen, führen Unternehmen vermehrt finanzielle Anreizsysteme ein. Denn niedrige Impfquoten kosten Geld: Jeder Mitarbeiter, der erkrankt oder als Ungeimpfter in Quarantäne muss, verursacht Mehrkosten.

Termine und Prämien

In einem Online-Seminar des Instituts für Höhere Studien (IHS) haben am Freitag Wissenschafter, Interessenvertreter und Unternehmer über Anreizsysteme diskutiert, die die Impfquote nach oben schrauben könnten. Derartige "verhaltensökonomische Elemente" leisten laut den Experten des IHS einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Pandemie. Dafür reicht ein Blick in Länder, in denen die Impfkampagnen besonders erfolgreich waren. Wer sich etwa in Portugal nicht aktiv zur Impfung anmeldete, bekam automatisch einen Termin zugeschickt.

Studien haben bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass die Impfquote bei der Grippeimpfung um zwölf Prozentpunkte steigt, wenn Menschen einen fixen Termin bekommen, erklärt Kira Abstiens vom IHS. Man spricht dabei vom "Status-quo-Effekt". Der Aufwand, sich zur Impfung anzumelden, fällt weg. Konkrete Impftermine werden zudem als Empfehlung verstanden, sagt Abstiens. "Radikale Impfgegner wird man damit aber nicht mehr überzeugen."

Impfprämie mit Gefahren

Impfprämien hätten Potenzial, sagt Verhaltensforscherin Katharina Gangl – auch wenn Erfahrungen aus der Vergangenheit deren Wirksamkeit nicht immer klar belegt haben. Im Burgenland hatte die Impflotterie scheinbar gute Effekte, in Oberösterreich dagegen kaum. Bei den Unternehmen erreichte neben der ARA etwa das Bauunternehmen I+R Gruppe Lauterbach mit einer Prämie von 500 Euro eine Impfquote von über 90 Prozent. "Das sind natürlich Einzelfälle", sagt Gangl, "aber sie stimmen optimistisch." Aktuelle Studien zu betrieblichen Impfprämien gebe es leider noch nicht.

Entscheidend seien jedenfalls die "begleitenden Maßnahmen". Ähnlich sieht das Personalchef Wimmer. Die ARA habe laufend mit den Mitarbeitern kommuniziert und die Motive des Unternehmens offengelegt. "Wir haben von Anfang an klargestellt, dass wir zwei Ziele verfolgen: die Gesundheit der Mitarbeiter und die Funktionsfähigkeit des Betriebs." Spürbare Auswirkungen habe auch der Vortrag eines Corona-Patienten gehabt, der den Mitarbeitern von seiner schweren Erkrankung erzählte. "Da ist noch einmal ein Ruck durch die Belegschaft gegangen", erzählt Wimmer.

Bei Geldzahlungen sei jedenfalls Vorsicht geboten, sagt Gangl. "Wer gewohnt ist, fürs Impfen bezahlt zu werden, macht es möglicherweise künftig nicht mehr freiwillig." Sinnvoll seien Impfprämien daher vor allem dann, wenn die Impfbereitschaft im Betrieb grundsätzlich sehr gering ist.

Zuckerbrot und Peitsche

Gangl beschäftigt sich schon länger mit der Frage, ob es das Zuckerbrot oder die Peitsche ist, die Bürgerinnen und Bürger eher dazu motiviert, sich impfen zu lassen. Wie seit dieser Woche bekannt ist, will die Regierung künftig auf beide Aspekte setzen: Die Behörden sollen zunächst über die Impfpflicht informieren, Strafen werden erst ab 16. März fällig. Eine Impflotterie wird zudem als begleitende Maßnahme sanfte Anreize schaffen.

Den Plan der Regierung, nicht sofort zu strafen und zusätzlich auf eine Impflotterie zu setzen, sieht Gangl positiv. Auch die Möglichkeit dass Betroffene die Strafe mit einer nachträglichen Impfung verhindern können, findet sie gut. "Wenn man es noch irgendwie schafft, die Quote mit sanfteren Maßnahmen zu erhöhen, dann ist das nicht nur billiger, sondern auch besser für den Zusammenhalt in der Gesellschaft." (Jakob Pflügl, 21.1.2021)