Normalen Seifenblasen ist selbst unter idealen Umständen nur ein kurzes Dasein beschert.
Foto: APA/AFP/dpa/FRANK RUMPENHORST

Seifenblasen sind von sprichwörtlicher Fragilität. Selbst die Leichten und Robusten unter ihnen platzen in der Regel nach wenigen Augenblicken. Dass die schillernden Sphären aus Seifenwasser überhaupt existieren, ist den besonderen Eigenschaften der Seifenmoleküle geschuldet: Sie besitzen ein wasseranziehendes und wasserabstoßendes Ende, wodurch sie sich in zwei Schichten anordnen können. Dazwischen und mithilfe ihrer nach innen gerichteten wasserfreundlichen Enden schließen sie einen Wasserfilm ein. Die durch die Seife herabgesetzte Oberflächenspannung erlaubt es, diese Wassermembran zu kurzlebigen Kugeln zu blasen.

Seifenblasenfeindliche Umwelt

Im Grunde sind es drei Kräfte, die an der Substanz einer Seifenblase zerren, sobald sie geboren wird: Durch die Schwerkraft fließt das Material allmählich vom oberen Teil der Sphäre nach unten. Während sich das Seifenwasser dort sammelt, dünnt es oben so lange aus, bis die dünner werdende Haut reißt. Verdunstung trägt ebenfalls deutlich zur Verkürzung ihrer Lebenszeit bei. Und schließlich ist das empfindliche Gebilde einem fortlaufenden destabilisierenden Bombardement aus winzigen Teilchen ausgesetzt.

Moderne Physik ermöglicht es Forschenden jedoch, den substanzzehrenden Kräften zumindest für eine Weile Einhalt zu gebieten: Einer französischen Physikgruppe ist es gelungen, das Leben einer Seifenblase auf spektakuläre 465 Tage zu verlängern. Fairerweise muss man ergänzen, dass der Ausgangspunkt der Experimente eine herkömmliche Seifenblase gewesen sein mag. Das am Ende präsentierte langlebige Ergebnis unterscheidet sich in chemisch-physikalischer Hinsicht deutlich von ihr.

Kleine weiße und blaue Bälle

Das lässt sich schon auf den ersten Blick erkennen: Die körnig-weißen Kugeln mit einem Durchmesser von unter einem Zentimeter bestehen zu einem bedeutenden Anteil aus Glycerin und Mikropartikeln, die die Wassermembran schützen. Im Grunde hat das Team um Aymeric Roux von der Universität Lille bei der Seifenblase die Seife durch Glycerin ersetzt und sie in einen stabilisierenden Hülle aus winzigen Teilchen gesteckt.

"Wir haben festgestellt, dass das Bedecken einer Blasenhülle mit Mikropartikeln die schwerkraftinduzierte Entwässerung hemmt", sagt Roux. "Fügt man auch noch Glycerin dazu, führt das zu einem sehr stabilen Zustand: zwar verdunstet das Wasser weiterhin, doch der Verlust wird von Wassermolekülen ausgeglichen, die das Glycerin aus der Umgebungsluft absorbiert."

Die Forschenden experimentierten mit herkömmlichen Seifenblasen (links) sowie mit Wasser-Nanoteilchen-Gemischen (Mitte) und Materialmischungen, denen auch Glycerin hinzugefügt wurde (rechts).
Fotos: A. Roux et al

Unerschöpfliche Wasserquelle

Am Anfang ihrer Experimente versuchten es die Forschenden mit einer Reihe von Rezepturen. Roux und seine Kollegen schufen dabei unterschiedliche Gasblasen (im Englischen "gas marbles", also "Gasmurmeln"), indem sie Nylonpartikel, Wasser und Glycerin in verschiedenen Mengenverhältnissen einsetzten. Als besonders dauerhaft erwiesen sich dabei jene mit einem nennenswerten Anteil von Glycerin. Die Substanz ist stark wasseranziehend, wodurch sie dem fortlaufenden Materialverlust der Wassermembran durch Verdunstung entgegengewirkt.

Die stabilisierenden Nylonpartikel wiederum verhindern, dass die Blasenmembran durch die Schwerkraft unten zusammenfließt und durch Partikel in der Luft beschädigt wird. Für die Aufrechterhaltung der Form ist diese Hülle aber nicht zuständig, dafür sorgt das eingeschlossene Gas: Sobald man mit einem spitzen Gegenstand reinsticht, platzt das Gebilde zwar nicht, aber es sinkt in sich zusammen. "Wir konnten zeigen, dass sich Gasblasen, die länger als ein Jahr ihre Integrität behalten, auf einfache Weise herstellen lassen, indem man Tenside und Wasser durch teilweise benetzende Partikel und eine Wasser-Glycerin-Mischung ersetzt", schreiben die Wissenschafter in der Fachzeitschrift "Physical Review Fluids".

Die stabilen Membrane lassen sich auch zu anderen Formen gestalten.
Fotos: A. Roux et al.

Andere Formen möglich

Auch wenn es danach aussehen mag, die Experimente sind keineswegs eine bloße Spielerei. Die bemerkenswerten Eigenschaften dieser robusten Gasblasen könnten die Grundlage für eine neue Klasse von Objekten bilden, glauben die Forschenden. In weiteren Versuchen konnten sie jedenfalls nachweisen, dass sich diese speziellen Membrane auch in andere Formen zwingen lassen: Das Team schuf aus dem Material eine Pyramide, die über einen Metallrahmen gespannt war. Auch sie überlebte mehr als ein Jahr. (tberg, 21.1.2022)