Sind Bühnentränen echte Tränen? Antonio Tabucchi imaginiert ein Telefongespräch zwischen den beiden Autoren Fernando Pessoa und Luigi Pirandello.

Foto: Armin Bardel

Und fahren kann sie auch – die Musikmaschine mit ihren schiefen Pfeifentönen und kaputten Leierklängen. Gebaut vom Musiker Paul Skrepek, fährt der kompetente Automat über die Bühne und macht als Kompagnon von Thomas Sarbacher gut was her.

Eine "Drei-Groschen-Illusion" nennt der Schauspieler das zauberhafte Gefährt etwas abschätzig. Und monologisiert über Trickserei, Rolle, Maske, über Schauspielkunst als bloßes Spiel. Es ist ein selbstreflexiver Text, der die Bedingungen des eigenen Zustandekommens kunstvoll thematisiert. Nämlich: Herr Pirandello wird am Telefon verlangt. Ein versäumter Dialog vom 2012 verstorbenen italienischen Schriftsteller Antonio Tabucchi.

Gelassene Konzentration

Regisseur Peter Schweiger besorgt die österreichische Erstaufführung mit gelassener Konzentration und bringt im kleinen Kabinetttheater die großen Theaterfragen zu Gehör: Sind Bühnentränen echte Tränen? Was ist überhaupt "echt"? Es ist zum Weinen. Die Spannung zwischen Fiktion und Faktizität, zwischen Rolle und Mensch, darf Sarbacher mit großem, leidenschaftlichem Spiel auskosten.

Dass dieser Künstler "echt" seinen Text vergessen könnte, nein, auf eine solche Verunsicherung will der Abend nicht hinaus. Und doch wird die Bühnenillusion, zwar nicht verunsichert, jedoch ausdrücklich, wenn Sarbacher formuliert: "Ich bin Pessoa, der vorgibt, ein Schauspieler zu sein, der heute Abend Fernando Pessoa spielt."

Pessoa und Pirandello telefonieren

Tabucchi imaginiert mit seinem Einakter aus dem Jahr 1988 ein Telefongespräch zwischen den Autoren Fernando Pessoa und Luigi Pirandello. In der Fiktion glückt diese Verbindung, der Funke springt über, und weitere Beziehungen ergeben sich: Der sich selbst in den Text einschreibende Tabucchi tritt in Kontakt mit seinen schriftstellerischen Wahlverwandten, und das im Kabinetttheater anwesende Publikum wird im Puppen-Publikum auf der Bühne gespiegelt.

Christian Pfütze, Katarina Csanyiova und Martin Purth bedienen die auf einer Tribüne mit überschlagenen Beinen sitzenden Figuren und lassen diese süffisant den Monolog kommentieren. So wird Sarbacher eine "Marionette" geheißen, wird dem echten Menschen seine Handlungsfähigkeit, Freiheit und Spontanität ausgerechnet von den Klappmaulkameraden abgesprochen.

Als "ein Irrenhaus" beschreibt Sarbacher das Setting. Und bei allem In-Verbindung-Treten treten auch die Spaltungen deutlich ins Bewusstsein. Dass nämlich in ein und derselben Figur die Freiheit genauso wie der Zwang am Werke sind.

Fröhliche Verspieltheit

Wiewohl Text und Umsetzung sich ganz in ihrer verschrobenen Künstlichkeit genügen, entzückt der etwa 60-minütige Theaterabend mit zunächst fröhlicher Verspieltheit und mahnt letztlich ans Ende aller Kunst. "Ich weiß, wie Stücke enden", erinnert sich Sarbacher selbst ans Finale. Jemand wird das Licht abdrehen. Ob es nun Kabinetttheater-Prinzipalin Julia Reichert ist oder der Tod, irgendwann ist es vorbei mit den Spielen. (Theresa Luise Gindlstrasser, 22.1.2022)