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Mehr als die Hälfte der Studierenden in Deutschland und Österreich, nämlich 52 Prozent, bewerten den eigenen psychischen Gesundheitszustand als nicht gut oder schlecht. Das zeigt eine aktuelles Mental-Health-Barometer von Studo, einer weitverbreiteten Service-App für Studierende, und Instahelp, einer Online-Plattform für psychologischen Beratungsdienst. An der Studie haben zwischen 15. November und 7. Dezember 2021 2.040 Studierende in Österreich und Deutschland teilgenommen.

Die Pandemie war natürlich ein Thema in der Befragung, und sie verschlechtert die Lebensqualität wie erwartet. Aber die Lage war auch davor schon nicht die beste. Bernadette Frech, die Gründerin von Instahelp, weist auf eine Studie aus dem Jahr 2015 hin, die zeigt, dass auch damals die Studierenden in Bezug auf die mentale Gesundheit schon belastet waren: "Vor allem Ängste und Depressionen waren verbreitet. Durch die Pandemie hat sich das aber deutlich verstärkt."

Einflussfaktor Pandemie

Zwei Fünftel der Studierenden merken den Einfluss von Corona stark oder sehr stark in ihrer Studienleistung, sie fühlen sich etwa beim Absolvieren von Prüfungen beeinträchtigt. Für 36 Prozent ist der Mangel an sozialen Kontakten ein Problem, 35 Prozent haben psychische Probleme, 32 Prozent haben Prüfungsangst, 30 Prozent macht die Einsamkeit zu schaffen.

Doch die Pandemie ist nicht der alleinige Grund für die aktuelle Situation, erklärt Anna Fuchs, Psychologin und Mitautorin der Studie: "In den Zwanzigern haben viele junge Menschen eine Sinnkrise. Es geht in der Zeit um wichtige, lebensprägende Entscheidungen, man hat Angst, etwas zu verpassen, aber auch, etwas falsch zu machen."

Trotz dieser klaren Lage ist die psychische Gesundheit für viele Studierende nach wie vor gesellschaftlich ein Tabuthema. "Hier steht immer noch der Leistungsgedanke im Vordergrund. Man nimmt an, dass einem andere nicht die volle Leistungsfähigkeit zutrauen, wenn man über psychische Probleme spricht", führt Fuchs aus.

Dabei ist vielen Studierenden die mentale Gesundheit sehr wichtig – etwa gleich wie die körperliche. Sie nehmen sich immerhin im Schnitt eine Stunde pro Woche Zeit für das mentale Wohlbefinden. Das kann Meditation sein oder auch ein psychologisches Gespräch. Für körperliche und soziale Gesundheit ist aber mehr Zeit eingeplant, nämlich zwei bis fünf Stunden pro Woche.

Ein Problem in diesem Zusammenhang ist die Finanzierbarkeit, betont Instahelp-Gründerin Frech. Viele würden sich professionelle Unterstützung wünschen, doch nur, wenn sie kostenlos ist: "Der Wunsch ist groß, aber dann kommt die Leistbarkeit ins Spiel. Im Bereich Psyche ist ja fast alles selbst zu bezahlen. Es gibt eine riesige Ungleichheit zwischen physischer und psychischer Gesundheit. Das ist aber nicht gerechtfertigt und sollte auch nicht mehr hingenommen werden."

Wenig kostenfreie Hilfe

Zwar wurden zuletzt die Ressourcen für Psychotherapieplätze aufgestockt, aber es bräuchte auch ein Vorsorgeprogramm, so Frech: "Sportunterricht ist ganz normal, man lernt mittlerweile in der Schule auch über gesunde Ernährung. Aber was hilft, wenn es einem schlecht geht, das lernt man nirgends. Hier braucht es Bewusstseinsbildung und entsprechende Kampagnen. Denn die Studierenden merken zwar, dass es ihnen nicht gut geht, aber wissen dann nicht, wie sie damit umgehen sollen."

Auch Fuchs betont die Wichtigkeit vorbeugender Maßnahmen und gibt Tipps für schwierige Zeiten: "Man sollte sich damit auseinandersetzen und überlegen, warum es einem schlechter geht. Das liegt oft daran, dass man von den Dingen weggekommen ist, die einem guttun. Klar, bei Corona ist das nicht selbstverschuldet. Aber auch da hilft es, etwas (wieder-)aufzunehmen, was einem Spaß macht und Ruhe bringt, etwa ein Instrument zu spielen, zu meditieren oder spazieren zu gehen. Die Möglichkeiten sind endlos."

Und kommt man aus dem negativen Gedankenkarussell nicht heraus, sollte man sich an eine professionelle Stelle wenden, betont Frech: "Das ist keine Schwäche, sondern eher ein Zeichen von Stärke und sollte kein Tabu sein. Man geht ja auch zum Arzt, wenn man Schmerzen hat." (Pia Kruckenhauser, 25.1.2022)