Studium ohne Matura: Ein neues Gesetz soll’s ermöglichen, als Voraussetzung für das Studium zählt Berufserfahrung. Allerdings: Das wird teuer, und die Angebote fehlen noch.

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Die alte Ordnung ist Geschichte: hier die Akademiker. Dort alle anderen. Diejenigen nämlich, die keine Matura absolviert haben und deswegen nicht zu akademischen Würden, in diesem Land meist mit mehr Gehalt, aber sicher mit mehr Status bedacht, kommen.

Dass höhere Bildung hierzulande eher sozial vererbt denn völlig frei zugänglich ist, steht seit langer Zeit im Zentrum der (Sozial)-Kritik. Ein wenig Durchlässigkeit bieten theoretisch die 21 Fachhochschulen – allerdings blieb die Quote derjenigen, die sich dort ohne Matura zu akademischen Weihen arbeiten, prozentuell einstellig.

Ein neues Gesetz macht jetzt die Revolution möglich: Berufserfahrung ermächtigt zum gesamten akademischen Weg. Das freut natürlich nicht alle, die gerne an der alten Ordnung hängen. Und folglich laufen die nunmehr möglichen Angebote für Bachelors und Masters mit Berufserfahrung statt klassischem Maturazugang auch zäh an.

Allerdings: Da natürlich auch Geld in der Sache für die Hochschulen steckt, wird der Widerstand wohl nach und nach brechen. Hochschulen können jetzt ihre gesellschaftliche Rolle, ihre Positionierung, umdenken.

Bachelor Professional

Worum geht es beim neuen Gesetz genau? Um einheitliche Rahmenbedingungen für die hochschulische Weiterbildung – egal ob sie von Universitäten, Pädagogischen Hochschulen, Fachhochschulen oder Privatuniversitäten angeboten wird. Es ist nun ein neuer akademischer Grad, der Bachelor und auch der Master Professional eingeführt. Künftig können Personen, die über eine einschlägige berufliche Qualifikation oder eine mehrjährige Berufserfahrung verfügen, ohne zusätzliche Vorbereitungskurse Studienangebote für einen solchen Titel nützen.

Der erste Hochschullehrgang mit dem neuen Abschluss soll im Herbst starten: Das Management Center Innsbruck (MCI) und die Fachhochschule (FH) Technikum Wien bieten gemeinsam mit dem Handelsverband die Ausbildung "E-CommerceFachwirt:in" an. Dieser Bachelor Professional ist ein Weiterbildungsabschluss, neben einer tertiären Bildungseinrichtung muss auch eine außerhochschulische Bildungseinrichtung mit an Bord sein. Das Studium ist gleichwertig mit einem grundständigen Bachelorstudium und berechtigt daher zu einem weiterführenden Masterstudium.

Möglichst praxisnah

Viel Euphorie und reges Treiben in der Angebotslandschaft herrschen noch nicht. Man muss sich offenbar auf Hochschulseite noch in die neue Welt einfinden.

Am Pionier, dem Bachelor Professional im Handel, werde noch gearbeitet, heißt es von den beteiligten Bildungseinrichtungen. Zurzeit laufe auch eine Händlerbefragung, um den Bachelor möglichst praxisnah zu gestalten, sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Und das MCI erinnert, dass Hochschullehrgänge zur Weiterbildung privat zu finanzieren sind. Die voraussichtlichen Kosten hier würden sich pro Person und Semester zwischen 3500 und 4500 Euro bewegen.

Mangelndes Interesse wird von den beteiligten Institutionen aber nicht befürchtet. Wie genau sich ein Abschluss auf die weitere Karriere niederschlägt oder sich im Gehalt zeigt, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden.

Neu ist heuer auch, dass hochschulische Weiterbildungslehrgänge nicht mehr akkreditierungspflichtig sind, egal an welchem Hochschultyp sie eingerichtet werden. Dafür müssen sie künftig den Anforderungen der Bologna-Struktur an Bachelor und Master entsprechen.

Totale Durchlässigkeit

Aktuell schließen die meisten Weiterbildungsstudien zwar mit einem Master ab, der Umfang, die Dauer und die zu erreichenden sogenannten ECTS-Punkte variieren aber stark. Künftig umfasst ein Weiterbildungsbachelor einheitlich 180 ECTS-Punkte, ein Master 60 bis 120 ECTS-Punkte. Dafür gibt es dann den Titel Bachelor Continuing Education (CE) bzw. Master (CE). Neu ist, dass nach einem Weiterbildungsmaster ein PhD-Studium möglich ist. Theoretisch bedeutet das totale Durchlässigkeit bis hin zum Doktoratstitel.

Warum aber jemand für einen Bachelor Continuing Education (CE) zahlen soll, wenn ein ähnliches Studium beinahe kostenfrei inskribiert werden kann, hängt vor allem davon ab, welches Profil diesen Weiterbildungslehrgängen gegeben werde, sagt Jürgen Petersen, Geschäftsführer der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung. Zum Thema Kosten werden wohl auch Unternehmen gefragt sein. Denkbar wäre etwa ein Weiterbildungsbachelor als Benefit, um Mitarbeitende und ihr Wissen zu halten. Es steckt theoretisch also viel drinnen in den neuen akademischen Möglichkeiten.

Hochschulen müssen ihr Weiterbildungsangebot jedenfalls jetzt neu ordnen und bepreisen. Der eigentlich schon altbekannte EU-Imperativ nach "lebenslangem Lernen" erhält damit auch in Österreich neue Chancen.

Mit Titel. Und sozialer Öffnung. (Karin Bauer, Gudrun Ostermann, 23.1.2022)