Roswitha Stadlober möchte junge Frauen motivieren, den Weg in Führungspositionen zu wagen.

Foto: Thomas Hirner

Roswitha Stadlober ist die erste Präsidentin des Österreichischen Skiverbands (ÖSV). Die Nachfolgerin des im Herbst 2021 zurückgetretenen Steirers Karl Schmidhofer ist durch die pandemiebedingten Turbulenzen vor den Olympischen Spielen besonders gefordert. Ihre Tochter Teresa tritt in Peking im Langlauf an. Die frühere Slalomläuferin aus Radstadt will nach dem Sprung ins kalte Wasser andere Wege beschreiten als etwa Ex-Präsident Peter Schröcksnadel.

STANDARD: Sie sind als ÖSV-Präsidentin und Mutter einer Olympiateilnehmerin in dieser schwierigen Zeit besonders gefordert. Wie gehen Sie damit um?

Stadlober: Als Mutter einer Olympiateilnehmerin liegt es mir besonders am Herzen, dass ich nichts hineintrage, weil ich die Gefahrenzone bin. Teresa befindet sich zur Vorbereitung auf der Tauplitzalm, die Oma kocht. Ich war zwei Tage dabei, weil ursprünglich geplant war, dass ich koche. Ich bin nur mehr mit Maske unterwegs, halte das strikt ein, damit nichts passiert. Dasselbe gilt für Kontakt mit den Athletinnen und Athleten. Es ist höchste Vorsicht geboten, da müssen wir durch. Wir müssen hoffen, dass wir alle gesund in das Flugzeug und negativ herausbekommen. Das ist meine größte Sorge.

STANDARD: Wie groß ist die Belastung für die Athletinnen und Athleten, und wie gehen diese damit um?

Stadlober: Wir denken positiv und wollen die Spiele bestmöglich über die Bühne bringen. Je besser man darauf eingestellt ist, umso besser kann man performen. Wir müssen uns auf die Situation einstellen, diese Chance unter schwierigen Gegebenheiten wahrnehmen. Olympische Spiele gibt es nur alle vier Jahre, aber wir werden auch das meistern. Es betrifft uns alle generell im Leben, wir müssen diese Schritte positiv gehen.

STANDARD: Gibt es vonseiten Chinas ein Entgegenkommen, dass man im Falle eines positiven Testergebnisses nach Hause fliegen kann?

Stadlober: Wir sind dran und bemühen uns, dass wir Rückholdienste organisieren. Aber wir haben noch keine Gewissheit.

STANDARD: Inwieweit können Sie abschätzen, was auf die Mannschaft und die Delegation zukommt?

Stadlober: Das wissen wir nicht. Vieles ist Neuland. Die Rodler und Skicrosser waren schon drüben, da hat man natürlich gewisse Erfahrungen. Der Sport wird super funktionieren. Beim Gesundheitsthema sind wir mehr oder weniger ausgeliefert. Wir kennen die Messgeräte nicht. Ich sehe aber immer das Gute und hoffe, dass China sich bemühen wird. Sie werden sich von der besten Seite zeigen wollen und werden hoffentlich nicht alles sperren, wenn etwas Größeres passiert.

STANDARD: Deutschlands Alpinchef Wolfgang Maier befürchtet, dass es zu Manipulationen bei Corona-Tests kommen könnte. Wie ernst muss man diese Sorge nehmen?

Stadlober: Wir dürfen uns nicht narrisch machen lassen. Das hat es immer wieder gegeben. Ich erinnere mich an Sotschi. Damals hat man gesagt, ohne Leibesvisitation kommt man nicht durch. Im Endeffekt war es harmlos. In China wird es nicht so harmlos sein, aber es sollte nicht jeder noch etwas draufsetzen. Wir müssen es nehmen, wie es kommt, wir können es nicht ändern. Ich bin immer noch guter Dinge, dass diese Tests fair ablaufen.

STANDARD: Eine Verschiebung oder Absage wäre vielleicht vernünftig. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Stadlober: Mit der Situation haben wir nicht gerechnet. Wenn man es früher gewusst hätte, wäre es gescheiter gewesen, im Sinne aller und der Gesundheit, um ein Jahr zu verschieben. Aber China wird sich das jetzt nicht kaputtmachen lassen, sie werden es durchziehen. Der Worst Case wäre, dass viele Athletinnen und Athleten aus Europa positiv sind und alles zusammenbricht. Es betrifft ja hauptsächlich Europa. Von hier reisen die meisten Athleten nach China.

STANDARD: Werden Sie auch nach China reisen?

Stadlober: Ich werde die zweite Woche dort sein. Ich nehme es in Kauf, auch aus Solidarität den Sportlerinnen und Sportlern gegenüber.

STANDARD: Die Spiele in China sind umstritten, etwa aus politischen und Nachhaltigkeitsgründen, weil Sportstätten nur für die Spiele aus dem Boden gestampft wurden, dabei angeblich nicht immer alle Umweltauflagen eingehalten wurden. Andererseits ist auch der Markt für die Skiindustrie sehr interessant. Ihre Meinung dazu?

Stadlober: Wenn es ein paar Stimmen mehr für Almaty gegeben hätte, dann wären die Spiele jetzt woanders. Aber Kasachstan ist auch nicht gerade ein ideales Land. Aber das IOC hat so entschieden, sie werden sich etwas dabei gedacht haben. Eines muss man schon sagen: Garmisch-Partenkirchen und Oslo standen auch zur Debatte. In Mailand/Cortina d’Ampezzo 2026 wird es sicher wieder kleinere Spiele geben. Die Grundsatzfrage wird sein: Wofür steht Olympia in Zukunft? Diese Frage muss sich das IOC stellen. Ist es noch dieser olympische Gedanke, wie es ihn vor Jahrzehnten gab? Das ist ein wichtiger Punkt. Dann wird man sehen, ob man Länder für "immer größer" findet und ob man Spiele überhaupt noch so austragen kann, wie wir sie gerne hätten.

STANDARD: Am Sonntag sind Sie 100 Tage im Amt. Wie lautet Ihr Zwischenfazit?

Stadlober: Rückblickend bin ich ins kalte Wasser gesprungen, aber ich konnte schon schwimmen. Es wird von Tag zu Tag besser. Was schon spannend ist, ist, dass täglich Herausforderungen auf mich zukommen, in einer Dimension, die ich vorher nicht vermutet hätte. Dass man rasch reagieren muss, wie im Fall von Vincent Kriechmayr in Wengen oder in der Frage, ob wir in Schladming Zuschauer haben. Obwohl ich schon lange als Vizepräsidentin dabei war, hatte ich nicht den Einblick in die Tiefe.

STANDARD: Haben Sie manchmal schlaflose Nächte?

Stadlober: Nein, ich schlafe sehr gut, betreibe viel Sport und schaue, dass ich ausgeglichen bin. Ich habe ein hervorragendes Team um Christian Scherer und Patrick Ortlieb. Sie sind sehr professionell und motiviert. Es gibt ein Teamgefüge, wo jeder weiß, was zu tun ist.

STANDARD: Wie schwer trifft es den Verband finanziell, dass bei vielen Veranstaltungen keine Zuschauer dabei sein konnten?

Stadlober: Natürlich trifft es uns, auch viele Kurse und Ausbildungen konnten nicht stattfinden. Dank des Schutzschirms und des Unterstützungsfonds war es nicht ganz so schlimm, aber es ist bei weitem nicht das, was wir sonst an Einnahmen haben. Gott sei Dank haben wir langjährige Sponsoren und Partnerschaften, die den Skiverband im Sinne der Nachhaltigkeit unterstützen. Wir können froh und dankbar sein, dass wir sie haben, um solche Krisen wirtschaftlich durchzustehen. Ein drittes Jahr würde aber schon schwierig werden.

STANDARD: Wenn Sie an die Bilder in Wengen mit tausenden Zuschauern denken, was geht Ihnen da durch den Kopf?

Stadlober: Man versteht es nicht. Aber wir als Skiverband halten die Maßnahmen der Bundesregierung strikt ein, wir haben gute Sicherheitskonzepte.

STANDARD: Wie gut klappt die Zusammenarbeit mit den Landesverbänden?

Stadlober: Wir haben ein sehr gutes Einvernehmen. Wir gehen sehr transparent damit um, was wir tun. Wir wollen einen anderen Weg gehen, kommunizieren mit den Ländern, binden sie ein, sodass jeder auch Verantwortung hat und Projekte entwickeln kann.

STANDARD: Mischt sich Ex-Präsident Peter Schröcksnadel noch ein?

Stadlober: Mich ruft er selten an, Christian Scherer und Patrick Ortlieb telefonieren mit ihm als Vizepräsidenten der FIS hin und wieder. Auf einer Ebene der Zusammenarbeit.

STANDARD: Frauen sind als Funktionärinnen oder Trainerinnen eher die Ausnahme im ÖSV. Werden und können Sie das ändern?

Stadlober: Das kann ein bisserl dauern. Beginnen können wir in dem Bereich, wo wir rasch etwas umsetzen können, in der Verwaltung. Da haben wir jetzt schon Frauen neben Petra Kronberger, die die Leitung im Bereich Optima Sports innehat. Christiane Gasser leitet mit dem Markenprozess Corporate Design eine Abteilung. Uns ist wichtig, dass Frauen auch in Management- und Führungspositionen kommen können, wenn sie mitmachen wollen. Im Sportbereich ist es schwieriger, aber ich möchte junge Frauen motivieren, die jetzt großteils im Nachwuchsbereich der Schulen und Leistungszentren tätig sind, den Schritt nach oben zu gehen.

STANDARD: Welchen Bezug haben Sie zu Kitzbühel?

Stadlober: Das ist natürlich spannend. Wir sind als Familie durchwegs sportbegeistert, ob aktiv oder passiv. Wir konsumieren sehr viele Sportarten im Fernsehen, auch im Sommer. Die Hahnenkammabfahrt und der Slalom, das sind Pflichttermine, Highlights. Da wird alles abgestellt. (Thomas Hirner, 22.1.2022)